Читать книгу Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Dramen - Hermann Stehr - Страница 17

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Inhaltsverzeichnis

In der Küche dehnt sich die Magd, halbangezogen, herum. Als Leonore rasch hereintritt, fährt sie auf und starrt eine Weile verwundert nach ihr hin. Dann verfällt sie gleichgiltig in ihren alten Trödel.

„Wann denkst de denn, daß mr frihsticken, was?“ fragt Leonore gereizt.

„Sie?“

„Warum ich?“

„Nu . . . åch Maria, haha!“

Und sie dreht sich höhnisch lachend gegen die Wand.

„Ich verbitte mir das, verstehst de, Anna! — Und nu de Hände gerihrt und a wing dalli. Der Herr wird gleich aufstehn.“

Sie verließ die Küche und sah, ob ihr Mann schon auf sei.

Er stand am Waschtisch und wandte seinen großen Kopf mit den verwirrten Haaren herum. Als die Thür aufging, hörte er auf zu sprudeln.

„Na, auch aus den Federn, Langschläfer?“

Damit verschwand sie wieder.

„Lorla! — Du, Lorla! — Of een’n Schlag . . .“

Er lief zur Thür und rief ihren Namen noch einmal den Flur hin; umsonst.

„Was is nu dås wieder?“ und er hörte im Abtrocknen seines Gesichtes auf.

„Då kriecht se raus, ei dr Nacht noch, wirtschaft’t im Hause rum, gieht wie ein Gevattala –de Thirn wummsa blos aso — un gestern da schrier se noch wie ma sie ågrif — hmhm! —“

Nachdenklich schüttelte er mit dem Kopfe und schlug das feuchte Handtuch einmal über die Lehne eines Stuhles.

„— — ob dås auch de Nerven sein — denn då scheint mirs wahrhaftig; ma weeß nich, ob ees gesund åber krank is — — na, s werd sich jå zeiga — ich hå s jå zum aushala —“

„Früh—stük—ken!“ singt ihre Stimme von draußen herein.

„Nun da, da habn mirse schon wieder!“

Flink ist er fertig. Vor dem Hinausgehen bleibt er nach seiner Gewohnheit an der Thür noch einmal stehen, tritt einige Mal eilig mit den Stiefeln und schiebt sich dabei die Hosen mit den Händen noch mehr hinunter. Dann richtet er sich langsam, mit ersichtlicher Anstrengung auf:

„H a a c h — Nu da, da!“

Als er in das Wohnzimmer tritt, findet er den Tisch schon gedeckt. Alles ist sauber und blank. Eine still-lachende Behaglichkeit schimmert über allem.

Seine Frau steht neben dem gedeckten Tisch und schiebt eben mit der Linken den Kinderwagen leise hin, während sie mit der Rechten das Messer neben einer Tasse zurechtlegt.

„Ach, scheen gudn Morjen!“

Leonore nickt nur, und in ihr Gesicht steigt eine leise Röte. Den Kuß hat sich Joseph schon lange abgewöhnt. „Dås Gelutsche påßt sich fr tomma Jonga.“

Aber seltsam, sein Weib verlangt heute danach. Und wie sie beiseite tritt, damit er nach dem schlafenden Jungen sehen kann, muß sie daran denken, daß man zu Hause sich morgens immer mit einem Kusse begrüßt habe, „und das war bloß ihre Mutter“. Als er sich wieder aufrichtet, sieht sie ihn darum unwillkürlich fragend an.

Er versteht sie aber nicht und beginnt mit gutem Lächeln:

„Na, Lorla . . .“

„. . . wie geht drsch n? — haha!“ vollendet sie deswegen höhnisch.

„Nu, ha . . .“

„. . . bis och niet biese!“ ebenso.

Verdutzt sieht er sie an.

„Die is noch krank,“ denkt er und begiebt sich an seinen Platz.

Sie setzt sich ihm gegenüber, reicht ihm Zucker, Milch und Semmel und spricht dabei:

„Sieh’ch, ich kann dich schon ganz gut auswendig.“ Dabei lacht sie klingend, wobei ihre feinen Nasenwände zittern.

„Håst’n noch a bessla viel Hitze,“ frägt er nach einer Pause mit unterdrückter Besorgtheit.

„Ach, nimm dr Semmel und stopp dr den Mund,“ erwidert sie lachend.

Diese ihm unerklärliche Lustigkeit macht ihn immer bekümmerter.

Plötzlich hielt er im Essen inne:

„Nu, du wårscht åber doch krank?“

„Da soll man nich krank wer’n.“

„Wie meenst‘n dås?“

„Ein aler Bär bist de!!“

„Haha!“ Eine tolle Heiterkeit kam über ihn und er trommelte mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf den Tisch. — „Haha . . . då . . . då — . . . sä . . . mr . . . blos . . . haha . . . warum denn . . .“ vor Lachen sprach er ruckweise, brach aber jäh ab, als er auf Leonore sah.

Sie saß starr aufrecht, bleich, und die Züge ihres feinen Gesichtes waren schneidend scharf.

Er fürchtete sich plötzlich, gelacht zu haben, raffte sich aber doch auf und that schüchtern noch einmal die Frage:

„Warum denn a Bär, hä?“

„Weil du — hm — weil du in alles, aber auch in alles aso — so — so neipatscht.“

Und als sie das in steigender Erregung hinausgeschleudert hatte, verhielt es ihr den Atem. Ein Ducken kam über sie, eine Furcht vor einem jähen Sprung. Und in dieser Furcht empfand Leonore eine merkwürdige strotzende Kraftfülle.

Aber es geschah nichts. Griebel saß eine Weile betreten da. Dann lenkte er ein:

„Nu bis och nie biese, Lorla!“

Sie empfing einen entehrenden Rutenstreich und beklommen und schwer ging ihr Atem.

Still wurde das Frühstück vollendet.

Währenddessen erlag Leonore wieder ihrer Weichheit, und als Griebel Miene machte aufzustehen, eilte sie hin und griff nach seinem Überzieher.

Indem sie das Kleidungsstück .von dem Ständer nahm, trat ihr Mann ganz nahe an sie heran: „Sieh‘ch ich wußt’s, Lorla, du bist doch gut.“ Sein warmer Atem streifte ihre Wange.

Plötzlich hatte sie das körperliche Gefühl, er greife ihr unter die Arme, leicht neckend und doch mit Fingern, deren Zittern ein heißes Prickeln über ihre Haut rinnen ließ.

Mit einem Schrei drehte sie sich um:

„Aber Joseph, was machst du denn!?“

„Nu gar, reen gar nischt. Du siehst‘s jå, ich stieh blos då. Warum schreiste denn?“

Wahrhaftig, er stand da und kraute mit den Fingern der rechten Hand gemütlich seine feisten, langen Backen.

„Nu ja. Da stehste da, wie ein Teemannla! — Da, nimm!“ erwiderte sie voll Verachtung, warf den Überzieher in seine Arme und ging erregt hinaus.

„Wußt ichs doch, dåß dås bloß Krankheet is,“ sann Griebel hinter ihr her, beteuerte es sich außerdem mit einem Kopfnicken, sah noch einmal nach dem Knaben und verließ das Zimmer . . . . . . .

„. . .åber ees wundert mich: daß se nie schlecht aussieht, wenn’s auch noch aso sehr mit‘r wirtschaft’t. Nee, s Gegenteel, se sieht gut aus, mecht ma sprecha — unberufa.“

Er war vor die Hausthür getreten, hatte die rechte Hand über die Augen gelegt und sah zum Himmel empor. Dann ging er eigentümlich schnell in die Mitte der Gasse, warf einen forschenden Blick auf die Fenster seines Wohnzimmers und schritt beruhigt seines Weges. Unterwegs kehrte er in dem Laden seiner Schwiegermutter ein:

„Guda Morgen, Mutter!“

„Scheen guda Morgen, lieber Herr Schwiegersohn! — Na, was macht de Lordl?“

„Deswegen komm ich eben her,“ und er erzählte alles. „De Krankheet håt sich jetze bei n‘r gedreht. Jetze hat sie de heeßa Nerven. Dås låß ich mir nie nahma. Wenn de zum Beispiel zu n’r sprechst: Lorla, dås is eene Semmel, då werd se steif, macht ronde, grußa Aja, wart’ ‘n Weile un schreit drnoch: då mecht ma krank wer‘n. Sieh‘ch dir se ån, wie se aussieht. Gieh ‚och månchmål een Schlag nieber. Ma weeß doch nie. Vorgesehn is immer besser wie nåchgedåcht.“

* * *

Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Dramen

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