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1. Zur gesunden Selbstliebe
ОглавлениеWir müssen jedoch unterscheiden. Nicht alles was sich Liebe nennt, ist Liebe. Es gibt auch Vorformen und gewiss auch Fehlformen der Liebe. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und ernsthaft bedenken.
Im Brennpunkt meiner Überlegungen, ja in der Mitte meines Lebens steht freilich die Hochform der Liebe, die in meiner Sicht der Sinn und das eigentliche Ziel des menschlichen Daseins ist. Diese Hochform der Liebe sollte einerseits ein Leben lang angestrebt und schrittweise gelernt werden. Doch andererseits ist sie ein Geschenk der Liebe Gottes, das wir nicht herbeizwingen können und über das wir niemals verfügen können.
Die Hochform der Liebe kann (muss aber nicht) in der Partnerbeziehung gesucht und gefunden werden. Ganz leicht oder gar billig ist die Liebe in der Paarbeziehung allerdings nicht zu bekommen. Die erotische Liebe kann – ebenso wie der zölibatäre Verzicht – misslingen. Es ist eine bedauerliche, aber nicht zu leugnende Tatsache: Schon viele Freundschaften, schon viele Liebesbeziehungen und viele Ehen haben sich abgenützt und verbraucht. Sie verlaufen im Sande und sterben den Tod der inneren Auszehrung.
Es kann ganz unterschiedliche Gründe geben, die eine stabile Paarbeziehung erschweren oder verhindern. Ein häufiger Grund für das Scheitern sind zu hohe, unrealistische Erwartungen an den Partner. Wer den anderen ›vergöttert‹, ihn verabsolutiert, ihn gleichsam an die Stelle Gottes setzt, ihm also keine menschlichen Schwächen mehr zugesteht, der überfordert den Partner total und programmiert die Beziehungsprobleme schon voraus.
Manchmal zerbrechen Paarbeziehungen auch am fehlenden Selbstvertrauen, am zu geringen Selbstwertgefühl eines Partners oder auch beider Partner. Denn wer zum eigenen Ich eine gestörte Beziehung entwickelt, wer von sich selbst sehr wenig hält, wer sich selbst im Grunde nicht mag, wer also das Gebot der Selbstliebe (Mt 19,19) missachtet, ist auch nicht fähig zur Partnerbeziehung.
Warum aber lehnen viele Menschen sich selbst mehr oder weniger ab? Letztlich wohl deshalb, weil sie nicht spüren, dass sie bedingungslos gewollt und geliebt sind. Sie verneinen sich selbst, sie finden sich ungenügend und minderwertig, weil sie nicht wahrnehmen, dass sie geliebt sind von Gott, dem Urgrund des Seins. Umgekehrt aber gilt dann genauso: Aus einem Grundgefühl des Bejahtseins durch Gott heraus könnte ich zu mir selbst eine gute Beziehung finden und ein positives Selbstbild entfalten. Das heißt natürlich nicht, dass ich in narzisstischer Selbstverliebtheit die eigenen Schwächen und die eigenen Fehler nicht wahrnehmen soll. Aber es heißt, dass ich trotz meiner Fehler ja sagen darf zu mir selbst.
Die echte Partnerliebe setzt eine gesunde Selbstliebe der Partner voraus. Nur wer zu sich selbst eine gute Beziehung hat, kann auch andere bejahen und eine gute Beziehung zu ihnen knüpfen. Denn er sucht die ›Erlösung‹ jetzt nicht mehr in der Zuwendung durch andere Menschen, sondern er weiß sich erlöst durch die göttliche Liebe. Folglich kann er ohne überzogene Erwartungen an andere, also ohne andere zu überfordern, auf andere Menschen zugehen. Somit aber wird er beziehungsund liebesfähig.