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7. Zur Sexualität als Quelle der Spiritualität

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Viele Menschen, innerhalb wie außerhalb der Kirchen, haben zur Sexualität ein gestörtes Verhältnis. Negativ besetzten Vorstellungen von Sexualität ist aber strikt entgegenzuhalten: Die Geschlechtlichkeit des Menschen ist zwar im Höchstmaße anspruchsvoll, sie ist ein hoch sensibler Bereich und sie kann auch zur Falle werden. Das sexuelle Leben ist immer schon gefährdet und anfällig für den Missbrauch. Die sexuelle Intimität kann aber auch bestens gelingen und zum Segen für beide Partner werden. Grundsätzlich ist die Geschlechtlichkeit eine höchst wertvolle Gabe Gottes. Sie ist eine der wichtigsten Energiequellen, sie gehört wesentlich zur Schöpfung und sie gehört essentiell zum Menschen in seinem Mann- oder Frausein.

Auch durch das geistliche Leben, durch die persönliche Gottesbeziehung kann die menschliche Sexualität nicht einfach verdrängt oder ersetzt werden. Im Gegenteil: Das sexuelle Erleben ist, mit Wunibald Müller gesprochen, geradezu eine »Quelle der Spiritualität«.25 Ja das Dasein mit allen Sinnen, also auch den sexuellen Gefühlen, ist der normale, der natürliche Weg zur Gotteserfahrung!

Die Fähigkeit, Gott und die Menschen aus ganzer Seele und mit ganzem Herzen zu lieben, beruht – wie die amerikanische Theologin und Ordensfrau Sandra M. Schneiders unterstreicht – auf der Fähigkeit zur »menschlichen Intimität«. Sr. Sandra Schneiders wagt sogar die Bemerkung: Wer niemals die erotische Liebe erlebt hat, »wer nie mit den echten, wahren, menschlichen, sexuell lebendigen und lebendig machenden Gefühlen einen realen, konkreten, einzigartigen Menschen geliebt hat und von ihm geliebt worden ist, kann zwar endlos über die Schönheit und Freude göttlicher Liebe reden, wird jedoch auf jemanden, der Agonie und Ekstase der Liebe in der Realität erlebt hat, nicht sehr überzeugend wirken«.26

Viele erfahrene Seelsorgerinnen und Seelsorger werden hier zustimmen: Wer sich nie einem anderen Menschen in personaler Liebe geöffnet hat und wer nie ein positives, ein beglückendes, ein unvergessliches sexuelles Erlebnis (oder eine tiefe Erfahrung von seelischer Intimität und zärtlicher Körpernähe) hatte, kann natürlich trotzdem ein sehr guter Mensch sein. Aber als Verkünder der göttlichen Liebe, als ›mystagogischer‹ Wegbegleiter, als Zeuge für die Geheimnisse Gottes wird er den Großteil der Menschen nicht erreichen.

Auch wenn wir das sexuelle Leben verdrängen oder sublimieren, wirklich ausblenden und ›wegstecken‹ lässt sich die Sexualität niemals. Sie würde sich auf Umwegen zurückmelden, vielleicht in problematischen Formen, in unreifer Manier. In schlimmeren Fällen könnte die unterdrückte, die nicht ins Leben integrierte Sexualität auch zu infantilen, zu krankhaften, zu sozial nicht verträglichen Verhaltensweisen mutieren. Was aber andererseits noch lange nicht heißen soll, dass es geglückte Formen der ›sublimierten‹ Sexualität überhaupt nicht geben könne. Zweifellos gibt es kulturelle Hochleistungen, vorbildliches soziales Engagement, echte Hingabe und spirituelle Glaubwürdigkeit in Verbindung mit einem zölibatären Charisma (das nicht zu verwechseln ist mit dem umstrittenen Zölibats-Gesetz in der heutigen katholischen Kirche).27

Immer aber bleibt die Sexualität eine wichtige Kraft von elementarer Bedeutung. Da auch in den folgenden Buchkapiteln das Thema ›Sexualität‹ zumindest indirekt präsent ist, sei schon im vorhinein klargestellt: Ob ich verheiratet bin oder nicht, ob ich in einer Paarbeziehung lebe oder nicht, in jedem Fall erlebe ich mich als sexuelles, nach leiblicher Nähe und intimer Berührung verlangendes Wesen. Und ob ich es mir eingestehe oder nicht, immer ist die Sexualität eine spirituelle Herausforderung, eine machtvolle Wirklichkeit, die verantwortlich gestaltet sein will – nicht bloß im ›Gehorsam‹ gegenüber den kirchlichen Institutionen, sondern in freier Entscheidung aufgrund des personalen Gewissens.

Für immer und ewig?

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