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2. Zur notorischen Bindungsangst

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Ein schlechtes Selbstbild und eine zu hohe, ja maßlose Erwartung an den Lebenspartner sind oft nur zwei Seiten derselben Medaille. Selbstverachtung und psychische Abhängigkeit vom menschlichen Partner können die Folgen desselben Grundphänomens sein: die Folgen einer defizitären Gottesbeziehung, eines mangelnden ›Urvertrauens‹ in die tragende und Leben spendende Kraft des göttlichen Geistes. Doch wie schon gesagt, es kann für das Misslingen – oder das Nichtzustandekommen – einer Paarbeziehung auch noch weitere, ganz verschiedenartige Gründe geben.

Manche finden nie einen Partner, weil ihnen keiner gut genug oder klug genug oder schön genug ist. Sehr oft auch lässt die Bindungsangst ein gemeinsames Leben nicht zu. Die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann zum Beispiel schrieb als 24-Jährige an den Lyriker Paul Celan: »Du wirst dir ja denken können, dass die Zeit seit dir für mich nicht ohne Beziehungen zu Männern vergangen ist … Aber nichts ist zur Bindung geworden, ich bleibe nirgends lang, ich bin unruhiger als je und will und kann niemandem etwas versprechen.« Zwei Jahre später erklärte sie ihrem Freund und Liebhaber Celan: »Ich liebe dich und will dich nicht lieben, es ist zu viel und zu schwer.«5

Für eine Bindungsangst im Sinne Ingeborg Bachmanns fehlt mir nicht jedes Verständnis und nicht jegliche Sympathie. Nein, ich kann das durchaus verstehen. Sich für immer für einen bestimmten Menschen zu entscheiden ist ja nun wirklich keine Kleinigkeit. Es ist vielmehr ein Wagnis.

Was mir gefällt, ist die absolute Ehrlichkeit, mit der sich Ingeborg Bachmann (die zeitweilig, 1958 bis 1962, auch mit dem Dichter Max Frisch eine Liebesbeziehung hatte) zu ihrer Bindungsangst bekennt. Ob die Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan – bzw. Bachmann und Frisch – vielleicht dennoch auf wirklicher Liebe beruhte, dies zu bewerten steht mir nicht zu. Worauf ich hinaus will, ist vielmehr die These: Suchende wie Ingeborg Bachmann stehen exemplarisch für viele Frauen und Männer in der heutigen Zeit, die sich mit einer dauerhaften Beziehung, aus welchen Gründen auch immer, sehr schwer tun.

Ein Kulturkritiker, ein Pessimist könnte nun klagen: In sehr vielen Fällen bleibt die Begegnung der Geschlechter ein Intermezzo. Nicht selten auch bleibt die ›Liebe‹ etwas Banales, etwas rein Oberflächliches, etwas sehr Kurzweiliges, das über Spaß und sexuelles Vergnügen kaum hinausreicht. Wenn ein junger Mann und eine junge Frau sich heftig verlieben und anschließend ›zusammen‹ sind, so dauert das oft nur wenige Wochen. Lebendige Paarbeziehungen auf Lebenszeit sind eher die Ausnahme. Denn die hohen Scheidungsraten in den westlichen Industrieländern sind ja sicherlich nur die Spitze eines riesigen Eisbergs. Sehr häufig kommt es nach kurzer Zeit – manchmal auch nach sehr langer Zeit – zur äußeren oder inneren Trennung, auch ohne förmliches Scheidungsverfahren.

Oftmals, so könnte der Kritiker hinzufügen, wird eine feste Beziehung – eine Eheschließung oder ein eheähnliches Zusammenleben – von Anfang an gar nicht angestrebt. Die ›Liebesbeziehung‹ wird von vornherein als Episode, als vorübergehendes Abenteuer betrachtet. Man trennt sich im gegenseitigen Einvernehmen (oder auch gegen den Willen des anderen), sobald es die ersten Schwierigkeiten gibt. Oder man bleibt zwar nach außen hin ein Paar, hat sich aber schon längst entfremdet und auseinandergelebt.

Für immer und ewig?

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