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Erdbebenzone Antiochia

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Verschiedene Aspekte der Erfahrung, Wahrnehmung und Handhabung von Naturkatastrophen liefern in geradezu exemplarischer Weise auch die historischen Berichte über ein schreckliches Erdbeben, das 526 n. Chr. Antiochia, die berühmte Metropole am Fluss Orontes im nördlichen Syrien, erfasste. Heute liegt die Stadt an der türkisch-syrischen Grenze und trägt den Namen Antakya. Diese Region ist bis heute in Bezug auf Erdbeben extrem gefährdet. Die Chronik der schweren Erdbeben zeigt eine relative hohe Frequenz einschlägiger Vorkommnisse. 65 v. Chr. wurde die Stadt von einem Erdbeben betroffen, das auch viele andere Städte in Syrien zerstörte und 170.000 Todesopfer gefordert haben soll. Ein weiteres schweres Desaster ereignete sich in der frühen Kaiserzeit, als in Rom Kaiser Caligula (37–41 n. Chr.) regierte. Der exzentrische Herrscher stellte nach dieser Naturkatastrophe Gelder für die Überlebenden und für den Wiederaufbau zur Verfügung. Schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde Antiochia von einem verheerenden Beben im Jahre 115 n. Chr. Diese Katastrophe hat in den römischen Quellen deswegen viel Beachtung gefunden, weil sich zu diesem Zeitpunkt Kaiser Traian höchstpersönlich in der Stadt aufhielt. Er hatte hier auf dem Weg zu einem Feldzug gegen die Parther Station gemacht. In seiner Begleitung befand sich auch seine Familie. Am Morgen des 13. Dezember war dann ein fürchterliches Erdbeben ausgebrochen. In der Beschreibung Cassius Dios heißt es (68,24–25):

„Zunächst ertönte ganz überraschend ein furchtbares Brüllen, dem ein entsetzliches Beben folgte. Die ganze Erde wurde in die Höhe gehoben, auch die Gebäude sprangen empor. Einige von ihnen wurden nur nach oben gerissen, um dann zusammenzustürzen und in Trümmer zu fallen, während andere, wie in einem Wellengang hin und her geschüttelt, umstürzten und mit ihrem Schutt weithin auch unbebaute Flächen bedeckten. Das Krachen der splitternden und brechenden Holzbalken zusammen mit Ziegeln und Steinen war zutiefst schreckenerregend. Auch Staub wirbelte in riesigen Wolken auf, so dass niemand mehr etwas sehen oder sagen oder verstehen konnte.“

Auch die Menschen hatten schwer zu leiden:

„Was die Menschen betraf, so gerieten viele auch außerhalb ihrer Häuser in arge Bedrängnis. Sie wurden nämlich gewaltsam in die Höhe gerissen und emporgeworfen und dann, wie von einer Klippe stürzend, auf die Erde geschmettert, wodurch sie teils Verstümmelungen davontrugen, teils ums Leben kamen. Sogar einige Bäume sprangen mitsamt ihren Wurzeln in die Luft. Von den Leuten aber, die in ihren Häusern geblieben waren, starben so viele, dass man ihre Zahl nicht feststellen kann. Denn sehr viele tötete an sich schon die Wucht der zusammenstürzenden Trümmer, und eine große Menge erstickte im Schutt. Wer aber nur mit einem Teil des Körpers eingeklemmt unter Steinen und Holzbalken lag, hatte grässlich zu leiden, konnte er doch weder länger leben noch auf der Stelle sterben. Trotzdem wurden, wie bei einer derart riesigen Menge zu erwarten, sogar noch viele von ihnen gerettet, kamen jedoch nicht ohne Schaden davon. Zahlreiche Menschen verloren Beine und Arme, andere erlitten Schädelbrüche, andere wieder erbrachen Blut. Einer von ihnen war auch der Konsul Pedo, der sofort verstarb. Kurz gesagt, es gab damals keine Art von Verletzung, die den Menschen erspart geblieben wäre. Und da der Himmel viele Tage und Nächte hindurch die Erde erbeben ließ, befanden sich die Leute in schlimmer, hoffnungsloser Lage. Die einen lagen begraben unter den eingestürzten Gebäuden und fanden so den Tod, andere mussten an Hunger sterben, sofern sie sich nicht zufällig in einem Hohlraum, der durch schräg geneigte Balken entstanden war, oder auch in einer gewölbten Säulenhalle befanden und dort am Leben geblieben waren.“

Cassius Dios Bericht über das Antiochia-Beben von 115 n. Chr. ist eine der detailliertesten und eindringlichsten antiken Beschreibungen, was die Auswirkungen einer Naturkatastrophe für die Menschen angeht. Das gilt auch für jene Passage, in der er darlegt, was geschah, als das Erdbeben endlich nachgelassen hatte:

„Einer, der seine Füße auf die Ruinen zu setzen wagte, bemerkte plötzlich eine noch lebende Frau. Sie war nicht allein, sondern hatte auch noch einen Säugling bei sich. Und indem sie sich selbst und das Kind mit ihrer Milch ernährt hatte, war es ihr gelungen, die Katastrophe zu überstehen. Die Leute gruben die Frau aus und brachten sie zusammen mit dem Kind wieder zu Kräften. Daraufhin untersuchten sie auch die anderen Schutthaufen, doch konnten sie niemanden mehr am Leben finden, außer einem Kind, das an der Brust der toten Mutter noch zu trinken versuchte. Als sie dann die Leichen herausholten, konnten sie selbst nicht länger glücklich sein, dass sie selbst gerettet worden waren. So groß waren die Schicksalsschläge, die damals Antiochia getroffen hatten.“

Und was war mit dem Kaiser und seiner Familie geschehen? Deren Schicksal war für die antike Berichterstattung natürlich besonders interessant. Traian hatte Glück. Er befand sich, als die Erde zu beben anfing, gerade in einem Gebäude und rettete sich mit einem spektakulären Sprung aus dem Fenster. Das trug ihm ein paar Prellungen ein, doch sonst passierte ihm nichts. Im Hippodrom der Stadt wartete er mit vielen anderen über mehrere Tage hinweg das Ende des Bebens und der Nachbeben ab. So hatte er die Katastrophe also relativ unbeschadet überstanden. Die Angriffspläne für den Krieg gegen die Parther waren allerdings durcheinandergeraten. Denn aufgrund der schweren Schäden in der Stadt und der Umgebung war die militärische Logistik erheblich erschwert, so dass der Feldzug nur mit Verspätung angetreten werden konnte. Offenbar war der Kaiser nicht so abergläubisch wie viele seiner Zeitgenossen, die eine solche Naturkatastrophe als ein schlechtes Omen für eine so große kriegerische Unternehmung angesehen hätten. Diese aber gestaltete sich zunächst sehr erfolgreich, die kaiserlichen Legionen drangen bis zum Persischen Golf vor. Dann allerdings erfolgte die Gegenoffensive der Parther, und die Römer mussten sich zurückziehen. Traian überließ die weitere Kriegführung einem seiner Untergebenen und machte sich auf die Rückreise nach Rom, das er jedoch nie erreichen sollte. Am 7. August 117 n. Chr. starb er in Selinus in Kilikien.

Antiochia kam auch in der Folgezeit nicht zur Ruhe, war immer wieder der Schauplatz von teils heftigen Erdbeben. 341, kurz nach dem Tod Konstantins des Großen, dauerte ein solches Erdbeben gleich mehrere Tage lang, manche Quellen sprechen sogar von vielen Monaten, wobei aber wohl einzelne kleinere Beben zu einem Teil des großen Bebens gemacht worden sind. 458 erfolgte erneut ein schweres Erdbeben. Trotz dieser virulenten Gefahr kam jedoch niemand auf die Idee, die Stadt zu verlassen und sich woanders anzusiedeln. Dafür war die „Krone des Ostens“, wie man Antiochia nannte, als Wohnort viel zu attraktiv, denn hier kulminierten Handel und Wandel. Man sonnte sich in seinem Wohlstand, was auch für die kommunalen Finanzen galt: Als eine der ganz wenigen Städte im oströmischen Raum verfügte Antiochia über den Luxus einer Straßenbeleuchtung. Gleichzeitig war Antiochia eine der wichtigsten Städte des Christentums. In den 40er Jahren des 1. Jahrhunderts war hier die Bezeichnung „Christen“ geboren worden, als sich die Mitglieder der dortigen Gemeinde diesen Namen gaben. Später war Antiochia Bischofssitz und häufiger Tagungsort von kirchlichen Konzilien. Wahrzeichen der Stadt war seit der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts die Goldkuppel jener prächtigen Kirche, die Konstantin der Große den Christen Antiochias gestiftet hatte und „Große Kirche“ genannt wurde.

Dann schlugen im Mai des Jahres 526 n. Chr. die Naturgewalten in einer Weise zu, wie sie selbst die an Katastrophen gewöhnten Bewohner von Antiochia noch nicht erlebt hatten. Die Stadt war damals voll von Menschen. Zu den etwa 200.000 Einwohnern kamen viele auswärtige Besucher hinzu, die hier das bevorstehende Himmelfahrtsfest feiern wollten. Das verheerende Beben begann am 20. oder 29. Mai – die Quellen sind hier nicht eindeutig – gegen Mittag. Einer der wichtigsten Informanten ist der zeitgenössische Historiker Johannes Malalas, seines Zeichens Autor einer Weltchronik. Sein besonderes Interesse an der Katastrophe von 526 rührte daher, dass er selber aus Antiochia stammte und also das Schicksal seiner Heimatstadt zu beschreiben hatte. Wahrscheinlich war er sogar Augenzeuge jener verhängnisvollen Vorgänge, die aus der „Krone des Ostens“ eine weitgehend zerstörte Stadt machten.


Die Phlegräischen Felder in Kampanien sind seit der Antike seismisch höchst aktiv. Hier das Heiligtum der Augustalen in Bacoli

Bei Malalas (419–420) ist zu lesen, wie das Erdbeben praktisch alles zerstörte, wie die Gebäude einstürzten und die Menschen unter den Trümmern begraben wurden. Zu dem dadurch bereits verursachten Chaos trat dann noch ein Feuersturm hinzu, den Marcellinus Comes, ein weiterer byzantinischer Chronist, damit erklärt, dass der Wind offenes Feuer aus den Küchen der Häuser in die einstürzenden Gebäude trug. Dies hatte verheerende Auswirkungen, die ganze Stadt stand in Flammen. So blieben vom stolzen Antiochia am Ende nur Ruinen übrig. Außer einigen Häusern am Fuße der Berge rings um die Stadt war alles verschwunden. Auch die den Christen heiligen Stätten, die Kirchen und die Klöster waren nicht verschont worden. Die „Große Kirche“ mit der goldenen Kuppel schien den Flammen zunächst trotzen zu wollen, was viele gläubige Menschen hoffen ließ, Gott wolle ihnen damit ein Zeichen der Rettung geben. Doch nach sieben Tagen wurde auch dieses Gotteshaus ein Opfer der Flammen.

Was die Zahl der Menschen angeht, die bei dieser Naturkatastrophe ums Leben gekommen sind, liefern die Quellen unterschiedliche Angaben: Malalas spricht von 250.000, der byzantinische Geschichtsschreiber Prokop, ebenfalls ein Zeitgenosse, nennt die Zahl 300.000. Solche Zahlen sind in den antiken Bilanzen von Naturkatastrophen häufig nur die Chiffren für „sehr viel“. Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass tatsächlich Zehntausende das Inferno nicht überlebten. Somit stellt das Antiochia-Erdbeben von 526 eine der schlimmsten Naturkatastrophen der gesamten Antike dar. Nach der Chronik des Zacharias von Mytilene (8,4) war die Zahl der Toten auch deswegen so hoch, weil die Menschen, als die Katastrophe begann, beim Mittagessen gewesen waren: „Es war Sommer, und während sie aßen und Speisen im Mund hatten, fielen ihre Häuser über ihren Köpfen zusammen.“

Die Chronisten verfügten auch über genauere Informationen, was die tragischen Bedingungen angeht, unter denen viele der Opfer ums Leben kamen. So ist bei Malalas zu erfahren, dass viele Menschen, die durch das Erdbeben verschüttet worden waren, unter den Trümmern nur noch tot geborgen werden konnten. Es war nicht gelungen, sie rechtzeitig zu befreien. Der Chronist Theophanes (Chron. 172f.) berichtet: „Einige Menschen waren auch noch am Leben, als sie unter den Ruinen begraben lagen, aber sie wurden vom Feuer verbrannt, das aus der Erde kam.“

Neben den vielen namenlosen Opfern traf es auch die Prominenz. So gehörte zu denjenigen, die bei der Katastrophe ums Leben kamen, der Bischof von Antiochia. Dem Oberhaupt der städtischen Christen hatten herabfallende Trümmer den Kopf abgetrennt. Die Toten wurden, sofern man in der Lage war, sie sofort zu bergen, auf große Haufen geschichtet und dann gleich unter den Ruinen begraben. An geordnete Bestattungen auf den Friedhöfen war in diesem Chaos nicht zu denken.

Kaiser im Oströmischen Reich war damals Iustin, der Onkel des nachmals so berühmten Kaisers Justinian. Als die schlimmen Nachrichten aus Antiochia die Hauptstadt Konstantinopel erreichten, wusste der Kaiser, was man von ihm erwartete: auf jeden Fall genug Betroffenheit zeigen. Nach dem – allerdings sehr viel späteren – Zeugnis des byzantinischen Chronisten Georgios Kedrenos (640–641) gab sich Iustin außerordentlich bewegt und verfiel in ritualisierte Trauerbekundungen:

„Er warf seine Krone und seine kaiserliche Kleidung beiseite, und weinte, gekleidet in schmutzige Lumpen, mehrere Tage lang, und selbst an Festtagen betrat er die Kirche in erbärmlichen Gewändern, weil er es nicht ertragen konnte, irgendwelche Zeichen seiner Macht anzulegen.“

Die Bewohner von Konstantinopel taten es dem Kaiser nach und erwiesen den Opfern und Betroffenen in Antiochia ihre Reverenz, indem sie sich ebenfalls in Lumpen kleideten und sieben Tage lang fasteten und beteten. Man freute sich in Antiochia über die solchermaßen geleistete Solidarität. Doch mehr noch war man glücklich über die materiellen und finanziellen Hilfen, die umgehend aus Konstantinopel eintrafen. Kronprinz Justinian und dessen Gattin Theodora wollten bei dieser Welle der Hilfsbereitschaft nicht zurückstehen, und so stifteten sie erhebliche Mittel für den Wiederaufbau von Kirchen, Bädern und Hospizen.

Als das Schlimmste vorüber war, setzten hitzige Debatten über die Ursachen dieser so schlimmen Katastrophe ein. Für die christlichen Chronisten ist die Angelegenheit klar: Dieses Unglück hatte Gott gesandt. Das dürfte auch der allgemeinen Einschätzung entsprochen haben. Theomenia ist der entsprechende griechische Begriff, der in den Quellen dafür verwendet wird. Prokop hat dagegen eine andere Erklärung zu bieten. Seiner Meinung nach war Justinian schuld, den er in seinen Anekdota als „Dämon in Menschengestalt“ desavouiert (und dies, obwohl er in seinen anderen historischen Schriften nicht müde wurde, das Loblied auf Justinian zu singen). Der Neffe des noch amtierenden Kaisers habe, so Prokop kryptisch, mit heimlicher Macht und infolge seiner dämonischen Natur der Menschheit viele Leiden zugefügt. Eine solche Sichtweise war nicht ganz ungewöhnlich und auch nicht ohne Vorbilder. Man verwendete sie in der Antike gerne als Argument gegen als hybrid empfundene Herrscher. Das war beispielsweise auch bei dem persischen Großkönig Xerxes oder dem römischen Kaiser Nero der Fall gewesen. Die Götter bzw. Gott rächten über die rebellierende Natur die Untaten dieser Potentaten.

Gott also hatte den Menschen eine unfassbare Strafe gesandt, und so mussten die Bewohner von Antiochia alles daransetzen, den erzürnten Gott wieder zu besänftigen. Das gelang nur, wenn man sich in der reinsten Form der christlichen Religion verschrieb und all jene Mittel anwandte, die man kannte, um das Ziel zu erreichen. In den Tagen nach dem Beginn des Erdbebens wurde in ganz Antiochia gebetet und gefastet. Und Gott erhörte das Flehen der Menschen, wie der Kirchenschriftsteller Johannes von Ephesos berichtet (299–301):

„Am dritten Tag des Unglücks – es war ein Sonntag – wurde am westlichen Teil des Himmels ein erleuchtetes Kreuz entdeckt. Und alle, die überlebt hatten, sahen es und waren beglückt. Sie riefen ‚Herr, erbarme dich‘, eine Stunde lang. Danach zeigte sich die Gnade Gottes auf die folgende Weise: 30 oder 40 Tage später wurden Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder lebend in den Trümmern gefunden. Alle waren erstaunt und überzeugt, dass die Barmherzigkeit Gottes überfließend war, weil er seine Gnade den Lebewesen nicht verweigerte.“

Überhaupt überschlagen sich die christlichen Berichte in der Darstellung von Wundereignissen. Malalas sagt zusammenfassend: „Noch viele weitere Wunder geschahen, die mit Worten nicht zu beschreiben sind und deren Geheimnis nur der unsterbliche Gott kennt.“

Wer von den Chronisten Worte fand, schrieb von den Räubern, die nicht davor zurückschreckten, den Menschen, die während des Bebens verzweifelt aus der Stadt flohen, ihr ganzes Hab und Gut abzunehmen, das sie bei sich führten. Außerdem durchsuchten sie die Ruinen der zerstörten Stadt nach Schätzen und schändeten sogar die Leichen, um Wertsachen zu finden. Das schrie nach Strafe und Gerechtigkeit, und Gott enttäuschte die rechtschaffenen Menschen nicht. Nur kurze Zeit später fanden die Übeltäter, wie Malalas befriedigt mitteilt, auf völlig unerklärliche Weise den Tod. Gott hatte mit den Menschen wieder seinen Frieden gemacht. Wie sonst sollte man es sich erklären, dass schwangere Frauen, die unter den Ruinen verschüttet gewesen waren, noch 20 oder 30 Tage später unverletzt geborgen wurden? Und manche von ihnen hatten unter den Trümmern sogar gesunde Kinder zur Welt gebracht.

Doch einen dauerhaften Frieden hatte Gott mit den Menschen offenbar nicht geschlossen. So musste es jedenfalls den Christen erscheinen, und im byzantinischen Antiochia waren fast alle Christen. Nur zwei Jahre später bebte die Erde erneut. Gerade erst hatte man sich von den Auswirkungen der vorigen Erdbebens erholt, und noch war gar nicht alles wieder aufgebaut. Am 29. November 528 – jetzt war Justinian gerade in seinem zweiten Jahr als Kaiser – dauerte das Erdbeben zwar nur eine Stunde, doch wieder verloren viele Menschen ihr Leben. Sogar eine genaue Zahl der Opfer ist überliefert, was voraussetzt, dass nach der Katastrophe eine traurige Bestandsaufnahme vorgenommen wurde: 4.870 Tote waren zu beklagen. Und all die Gebäude, die man mühsam neu aufgebaut hatte, stürzten wieder in sich zusammen:

„All die Pracht, mit der die Stadt durch die Großzügigkeit des Kaisers und durch die von den Bürgern auf eigene Kosten errichteten Gebäude versehen worden war, wurde zerstört.“

So sagt der Chronist Theophanes. Und groß war die Furcht vor Nachbeben. Die Bevölkerung floh in Scharen entweder in benachbarte Städte oder verschanzte sich in den Höhlen der Berge. Und wieder lief die übliche Prozedur an, um den erbosten Gott zu besänftigen. In Antiochia, in den Städten ringsum und in der Hauptstadt Konstantinopel wurde gemeinsam gebetet. Die Menschen, die in der Stadt selbst geblieben waren, beteten ebenfalls, mit bloßen Füßen, sie weinten, warfen sich in den Schnee (der Winter muss damals früh gekommen sein) und flehten Gott um Gnade an. Auch ein Wunder soll wieder eine Rolle gespielt haben: Ein alter Mann sprach die Empfehlung aus, man solle an die Haustüren die Worte „Christus ist mit uns, halte ein“ schreiben. Tatsächlich sollen danach die Erdstöße nachgelassen haben. Das war die christliche Sicht der Dinge. Hilfreicher war die praktische Unterstützung aus Konstantinopel, doch die Religion blieb weiter dominant. Man beschloss, der Stadt einen anderen, erdbebensicheren Namen zu geben. Aus Antiochia wurde Theopolis, die „Gottesstadt“.

Allerdings musste man bei all den Vorkehrungen irgendetwas übersehen haben: Vier Jahre nur blieb man von einer Katastrophe verschont, dann begann die Erde schon wieder zu beben. Danach scheint einige Jahre Ruhe eingekehrt zu sein, doch diese Ruhe war trügerisch. Weitere schwere Erdbeben sind für die Jahre 580 und 587 bezeugt. Bei der ersten Katastrophe soll der Stadtteil Daphne völlig zerstört worden sein. Bei dem zweiten Beben kamen schätzungsweise 60.000 Menschen ums Leben. Diese Zahl ergab sich, als die Behörden die Zahl der alimentierten Brotempfänger vor und nach dem Erdbeben berechneten. Die Chronik des Schreckens lässt sich bis in die Gegenwart fortsetzen, und es ist zu befürchten, dass diese Region immer wieder für katastrophale Schlagzeilen sorgen wird.

Katastrophen in der Antike

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