Читать книгу Katastrophen in der Antike - Holger Sonnabend - Страница 17

Wissenschaftler melden sich zu Wort

Оглавление

Kleinasien ist, wie man weiß, auch heute noch ein hochgefährdetes Erdbebengebiet. Und man weiß heute auch, woran das liegt: Es ist die besondere tektonische Lage zwischen der eurasischen und der afrikanischen Erdplatte. In der Antike wusste man dies noch nicht. Gleichwohl gab es eine Reihe von klugen Köpfen, die sich mit der herkömmlichen Deutung – Erdbeben kommen von den Göttern – nicht zufriedengeben wollten. Schon Thales von Milet, der Pionier aller naturwissenschaftlichen Betrachtungen, hatte im 6. Jahrhundert v. Chr. eine Erdbeben-Theorie entwickelt, mit der er auf heutigen Seismologen-Kongressen sicher keine Chance hätte, die aber damals revolutionär war. Negierte er doch die göttliche Provenienz der Erdbeben und ersetzte Poseidon durch die Vorstellung von einer Erdscheibe, die auf dem Weltmeer, dem Okéanos, schwimmt – und wenn es auf dem Meer einen Sturm gibt, dann beginnt die Scheibe zu schaukeln und es kommt zu Erdbeben. Weniger die Theorie als solche als vielmehr der Umstand, dass Thales mit einer götterfreien Erdbeben-Interpretation auskam, war das eigentlich Revolutionäre. Und sein Beispiel machte Schule. Immer wieder gab es griechische Wissenschaftler, die ohne religiöse Rücksichten nach den natürlichen Ursachen für ein Erdbeben fahndeten. Andere richteten ihr Augenmerk auch auf das Phänomen des Vulkanismus, aber die stärkste Herausforderung waren die Erdbeben.


Katastrophen können auch schleichend kommen. Ablagerungen des Mäanders in Kleinasien schnitten die Stadt Herakleia am Latmos vom Meer ab. Den Latmischen Golf verwandelten sie in einen See


Auch das altehrwürdige Olympia blieb von Erdbeben nicht verschont. 522 und 551 n. Chr. wurde der Zeus-Tempel schwer beschädigt

Der bedeutendste unter diesen Wissenschaftlern war der Universalgelehrte Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.). Seine „pneumatische“ Theorie hatte einen solch großen Einfluss, dass sie sich bis in die frühe Neuzeit hielt. Die Erde, so lehrte Aristoteles, ist an sich trocken, doch wird ihr durch Regenfälle Feuchtigkeit zugeführt. Bei der Erwärmung der Erde durch die Sonne und durch ein unter der Erde brennendes Feuer entsteht außerhalb und innerhalb der Erde ein Luftstrom (das Pneuma). Dieser bewegt sich mal nach außen, mal nach innen, gelegentlich teilt er sich auch. Weil das Pneuma der beweglichste aller Körper ist, kann nicht das Wasser, sondern muss diese Luftströmung die Ursache der Bewegung sein.

Doch selbst ein Aristoteles hatte nicht die Autorität, alle Menschen von seinen Lehren zu überzeugen und sie Poseidon abspenstig zu machen. Die meisten ignorierten die naturwissenschaftlichen Erklärungsversuche und blieben bei der religiösen Deutung von Naturkatastrophen. Es war ja auch allemal beruhigender, sich an ein bekanntes Wesen wie einen durch Gebete und Opfer zu zähmenden Gott wenden zu können, als sich mit anonymen, unkontrollierbaren Kräften unter der Erdoberfläche auseinandersetzen zu müssen.

Katastrophen in der Antike

Подняться наверх