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Die Sintflut und andere Überschwemmungen

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Vulkanausbrüche und Erdbeben gehörten in der Antike, wie heute, zu den spektakulärsten Formen von Naturkatastrophen. Immer wieder werden in den Quellen aber auch Überschwemmungs-Katastrophen thematisiert. Der Klassiker ist die biblische Sintflut, die ihre vorderorientalische Entsprechung im Gilgamesch-Epos und ihre griechische Entsprechung im Deukalion-Mythos hat. Diese Parallelität zeigt bereits an, dass es müßig ist, nach der Historizität solcher Ereignisse zu fragen. Die Sintfluten sind in vielen Kulturen Sinnbilder für große Katastrophen, ohne dass dabei eine reale Katastrophe Pate gestanden hätte. Dies muss festgehalten werden, auch wenn immer wieder Forscher mit der sensationellen Mitteilung an die Öffentlichkeit treten, auf dem Berg Ararat Spuren der Arche Noah entdeckt zu haben.

In Italien wurde es fast zur Gewohnheit, sich mit dem Hochwasser des Tiber auseinandersetzen zu müssen. In den Zeiten der Republik hatte sich der römische Senat mit dem Problem zu befassen, in der Kaiserzeit war dies die Obliegenheit des Kaisers in seiner Funktion als oberster Patron, als „Vater des Vaterlandes“. Dabei tauchte auch die an sich naheliegende Idee auf, durch Prävention künftige Hochwassergefahren zu minimieren. Doch dabei stieß man, wie Kaiser Tiberius, der zwischen 14 und 37 n. Chr. regierte, auf überraschende Widerstände. Der römische Historiker Tacitus hat den Fall recherchiert. Im Jahre 15 n. Chr. – Tiberius war gerade in seinem zweiten Jahr als Kaiser – war der Tiber durch Dauerregen stark angestiegen. Die tiefer gelegenen Stadtteile von Rom standen bereits unter Wasser. Viele Menschen waren obdachlos, es waren auch Todesopfer zu beklagen. Zunächst wurde die Angelegenheit im Senat beraten. Routinemäßig wurde der Vorschlag gemacht, die Sibyllinischen Bücher zu konsultieren. Dabei handelte es sich um eine Sammlung von Orakelsprüchen mit Handlungsanweisungen für jede Gelegenheit. In der Regel wurden dann Bittgänge, Gebete, Sühnezeremonien und Opfer als Rezepte empfohlen und in die Tat umgesetzt. Überraschenderweise schaltete sich nun aber Kaiser Tiberius mit einem eigenen Vorschlag ein. Er forderte das Gremium auf, darüber nachzudenken, ob man nicht Mittel und Wege finden könne, wie man den Fluss eindämmen und damit das Hochwasser in den Griff bekommen könne. Zwei Senatoren erhielten den Auftrag, sich nach Möglichkeiten zur Realisierung des kaiserlichen Wunsches zu suchen. Sie dachten nach und kamen zu dem Ergebnis, dass das Hochwasser des Tiber vor allem von den Seen und Flüssen verursacht wurde, die mit ihm in Verbindung standen. Wenn man die Flüsse und Seen durch ein System von Kanälen ableiten würde, wäre das Problem gelöst.

Der Kaiser war zufrieden und ermunterte die Senatoren, sofort ans Werk zu gehen. Jedoch konnte man solch gravierende Eingriffe in die Natur nicht ohne die Zustimmung der Städte und Gemeinden in den betreffenden Landstrichen vornehmen. Man lud zu einer Anhörung im römischen Senat, bei dem die kommunalen Vertreter ihre Ansichten vortragen durften. Fast alle waren von dem Plan nicht eben begeistert. Sie fürchteten, dass sie die Leidtragenden sein würden, weil nun vielleicht nicht mehr der Tiber über die Ufer treten würde, wohl aber die Flüsse und Seen vor ihrer Haustür. Die Stadtväter von Reate hatten einen philosophisch, ökologisch und theologisch gebildeten Vertreter geschickt. Seine Worte vor den ehrwürdigen Senatoren gibt Tacitus in indirekter Rede so wieder (ann. 1,79): „Für das Wohl der Menschen habe doch wohl die Natur selbst am besten gesorgt, die den Flüssen ihre Mündungen, ihren Lauf, ihren Ursprung und ihr Ziel zugewiesen habe. Berücksichtigen müsse man doch auch die religiösen Vorstellungen der Bundesgenossen, die den heimatlichen Flüssen Heiligtümer, Haine und Altäre gestiftet hätten. Ja sogar der Tiber selbst wolle gewiss nicht, dass er, seiner Nebenflüsse beraubt, in geringerer Herrlichkeit dahinströme.“ Was der Tiber nicht wollte, wollten Senatoren und Kaiser auch nicht, und so wurde der Plan einer Katastrophen-Prävention zu den Akten gelegt.


In der Antike trat der Tiber immer wieder über die Ufer. Maßnahmen zur Regulierung waren aber umstritten


Ein Weltwunder im Regen – auch Ephesos und der berühmte Tempel der Artemis waren oft Überschwemmungen ausgesetzt

Katastrophen in der Antike

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