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4 EIN ALTER BEKANNTER?

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Jemand tippte auf Sansibars Schulter. Sansibar drehte sich um. Sie blickte in die tintenblauen Augen eines schlanken Jungen, der bei genauerem Hinsehen eigentlich dünn war. Er war bestimmt nicht viel älter als Sansibar und kaum größer. Aber zumindest mit seinen strubbeligen schwarzen Haaren überragte er Sansibar. Eine Strähne stand seitlich ab wie ein Kleiderhaken. Das sah so merkwürdig aus, dass Sansibar sie am liebsten gerade gebogen hätte.

Der Junge bewegte unablässig seine Hände, schien sie nicht stillhalten zu können. Dabei tippte er von einem Fuß auf den anderen, als müsste er dringend auf die Toilette.

Eigentlich war der Junge überhaupt nicht Sansibars Typ, wären da nicht diese tintenblauen Augen gewesen.

Der Junge versuchte zu lächeln. Er sah nicht glücklich aus, war ganz außer Atem. Jetzt strich er mit den Händen sein T-Shirt glatt, als wollte er sie abtrocknen.

„Hallo, Schlitzohr. Kennst du mich noch? Ich bin Luan“, stammelte er.

Sansibar hatte immer noch rote Backen vom Ritt auf dem Weltraumschwein. Zum Glück, sonst hätte sie spätestens jetzt welche bekommen. Sansibar griff nach ihrem linken Ohr. Sie zog die Haare darüber. Schlitzohr, so hatte sie schon lange niemand mehr genannt.

„Nein, ich heiße Sansibar“, sagte sie. Ihr Blick klebte an seinen Augen. Sie konnte sich nicht erinnern, ihn jemals gesehen zu haben.

Der Junge fuhr sich mit einer Hand nervös durch die Haare. An seinem Handgelenk schimmerte ein türkisblauer Bildschirm. Der Junge trug ein ceeBand. Dabei war er höchstens vierzehn oder fünfzehn. Er hatte schließlich noch keinen Kristall. Seine Eltern mussten reich sein. In Sansibars Klasse hatte nur einer ein ceeBand und dessen Eltern schwammen so in Geld, dass sie sogar ein eigenes Schwimmbad in der Wohnung hatten.

„Wir kennen uns“, beharrte Luan. „Weißt du nicht mehr? Damals vor vielen Jahren bei den Häppy Kidz. Du warst nur ein paar Monate dort.“

Sansibar schüttelte den Kopf. „Häppy Kidz? Nie gehört. Was ist das?“

Luan trug uralte Turnschuhe. Sie sahen abgelaufen aus und wollten so gar nicht zu seinem ceeBand passen. Obwohl, vielleicht waren die Schuhe teure Sammlerstücke. Ja genau, ein ganz seltenes Modell.

„Sansibar, komm schon!“, rief Marella, die vorausgegangen war.

„Einen Moment.“

Luans Tintenaugen zuckten nach links und rechts, als hätte er Angst. Er fuhr sich schon wieder durch die Haare. Dann hielt er die Hand vor den Mund und flüsterte: „Kannst du mir Geld leihen. Ich habe meine Geldkarte verloren. Ich muss nach Hause fahren.“

„Geld?“, wiederholte Sansibar laut. Sie hatte mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht, dass der Junge mit dem ceeBand sie anpumpen würde. Und das sah man ihr wohl an.

„Entschuldigung“, murmelte Luan und drehte sich um. Im nächsten Augenblick wäre er in der Menge verschwunden, wenn er nicht gegen Marella gestoßen wäre.

„Was machst du denn?“, fragte Marella vorwurfsvoll und sah abwechselnd zu Sansibar und Luan. „Kennt ihr euch?“

Sansibar schüttelte den Kopf und sagte: „Das ist Luan.“

„Tag“, nickte der Junge in dem schwarzen T-Shirt. Unentschlossen blieb er einen Moment stehen. Seine Augen scannten die Umgebung.

„Luan hat seine Geldkarte verloren. Er braucht Geld“, rief Sansibar.

Luan zuckte zusammen.

„Das kann doch jedem passieren, das muss dir nicht peinlich sein“, sagte Marella. Sansibar merkte, wie ihre Freundin mit großen Augen auf Luans ceeBand starrte. Marella hatte eine Vorliebe für reiche Leute. Sansibar wusste, dass Marella am liebsten zu ihnen gehören würde und ihre Nähe suchte.

„Jetzt gehen wir erst einmal ein Eis in der Surferbar essen. Ich lade euch ein“, schlug Marella großzügig vor.

Die vier Sipos, die gerade noch den Eingang zum Golden Surfer bewacht hatten, schoben sich nun durch die Menge. Ihre verspiegelten Brillen blitzten zwischen den Besuchern auf. Sansibars Magen verkrampfte, als die vier näher kamen.

„Gute Idee, lasst uns Eis essen gehen“, sagte sie und drängte Marella und Luan hastig zur Surferbar. Sie wollte den Sipos nicht begegnen. Wie ein Fisch glitt Luan neben ihr durch die Menge.

Sansibar atmete auf, als sie die Surferbar betraten. Eine junge Frau im goldenen Overall führte die drei zu einem Tisch direkt am Fenster. Sie hatten eine wunderbare Aussicht auf den schneebedeckten Berg: Auf goldenen Snowboards surften die Leute durch den Pulverschnee. Dabei veränderte der Berg unaufhörlich seine Form. Wo gerade eine abschüssige Piste in die Tiefe stürzte, ragte im nächsten Moment eine Steilwand in den Himmel. Snowboarder schossen in die Luft und wurden von weichem Pulverschnee aufgefangen. Ein anderer Hang drehte sich im Kreis. Und dort bewegte sich die Piste wie eine Wippe. Das sah irre aus. Sansibar wollte auch den Golden Surfer fahren. Sie konnte es kaum erwarten.

Marella bestellte Sesameis mit Goldsplittern, für alle. Das Sesameis veränderte seine Form und die Goldsplitter surften über das Eis. Sansibar jagte einen Goldsplitter mit dem Löffel. Er war so zart, dass er im Mund schmolz und hatte diesen herrlichen Geschmack. Noch nie hatte Sansibar ein besseres Sesameis gegessen.

Luan kratzte nur eine winzige Löffelspitze von seinem Eis. Kein Wunder, dass er nichts auf den Rippen hat, dachte Sansibar. Anstatt sein Eis zu essen, starrte Luan durch das Fenster. „Cool, wie die das hinbekommen haben“, murmelte er. „Die Computersteuerung für den Berg muss der Wahnsinn sein.“

„Lasst es uns ausprobieren. Wir gehen auch eine Runde surfen“, schlug Marella vor.

Sansibar bemühte sich, gleichgültig zu klingen, und fragte: „Kommst du mit, Luan?“

Luan schüttelte den Kopf: „Hab doch mein Geld verloren.“

„Kann ich dir leihen“, sagte Sansibar eine Spur zu schnell und schoss eine Frage hinterher, die sie brennend interessierte: „Wie alt bist du eigentlich?“

„Fünfzehn“, nuschelte Luan. Dabei blickte er immer noch wie gebannt auf den Berg. Das Eis auf seinem Löffel war längst geschmolzen.

„Ich werde auch bald fünfzehn“, sagte Sansibar. „Nächste Woche beginnt mein Kristallunterricht. Wann hast du deine Kristallprüfung?“

Sansibar gefielen Luans tintenblaue Augen. Irgendwie sah Luan süß aus.

„Nein, hab keinen Kristallunterricht“, sagte Luan wie nebenbei und deutete mit seinem Löffel nach draußen: „Schaut euch den an!“

Sansibar sah einen Snowboarder, der mit einem doppelten Salto über eine Schanze flog, dann vor einer Steilwand lässig abschwang, sich abdrückte und über die Schlucht sprang. Jetzt raste er eine wilde Buckelpiste hinunter. Der weiße Berg schien den Surfer zu jagen, aber der Surfer war immer ein wenig schneller.

Ein älterer Snowboarder in einem grauen Skianzug glitt gemächlich ins Tal und der Berg breitete sich wie eine gemütliche Wiese vor ihm aus. Für ihn brach der Berg nicht in Steilwände ab und auch keine Felsen stellen sich ihm in den Weg.

„Die Programmierung des Bergs ist wirklich genial“, begeisterte sich Luan. „Der Berg stellt sich auf jeden einzelnen Surfer ein. Alle Surfer werden bis an die Grenzen ihres Könnens gefordert, aber für niemanden wird es wirklich gefährlich.“

Sansibar wunderte sich, woher Luan so viel über Computer wusste.

„Wieso gehst du nicht in den Kristallunterricht, wenn du schon 15 bist?“, fragte Marella spitz. Sansibar kannte den Unterton ihrer Freundin. Das war keine gewöhnliche Frage.

Luan zuckte mit den Schultern. Seine Haare rutschten ihm vor die Augen.

„Ohne Unterricht kannst du die Kristallprüfung nicht ablegen. Und ohne Kristallfeier wirst du nie zur Gesellschaft gehören. Du wirst kein Teil von RUHL werden, sondern bleibst ein verantwortungsloser Schmarotzer“, schimpfte Marella.

Sansibar fand, dass ihre Freundin wirklich übertrieb. Das ging sie doch gar nichts an. Luan konnte das machen, wie er wollte.

„RUHL brauche ich nicht“, sagte Luan und sah dabei wütend aus. Mit dem Eislöffel schlug er immer wieder auf seine Handfläche.

„Pass auf, was du sagst“, zischte Marella. „Deine Eltern haben genug Geld, dir ein ceeBand zu kaufen, aber keinen Anstand, anderen zu helfen. Sonst würden sie dich in den Kristallunterricht schicken.“

„Ach das“, sagte Luan und fuhr über den Bildschirm an seinem Handgelenk. Blubbernde Blasen folgten seinem Finger auf dem biegsamen Glas. „Das ist kein richtiges ceeBand. Das habe ich mir selbst gebaut.“

„Du lügst doch“, schnauzte Marella.

„Und ob meine Eltern Anstand haben, das weiß ich nicht. Ich kenne sie nicht einmal“, sagte Luan und stand auf.

Sansibar musste an ihre Mutter denken, die vor zehn Jahren gegangen war. Wieder tauchte das orangefarbene T-Shirt mit der lila Blume auf. Aber das Gesicht ihrer Mutter verschwamm in den Erinnerungen. Sie versuchte es festzuhalten, aber wenn sie sich Mamas Augen vorstellte, lösten sich Nase und Mund auf.

„Danke für das Eis. Ich gehe jetzt wohl besser“, sagte Luan.

„Warte“, rief Sansibar. Sie wollte nicht, dass Luan ging. Sie wollte mehr über ihn wissen. Bei wem lebte Luan? Vielleicht bei den Großeltern, aber dann müsste er doch etwas über seine Eltern wissen. „Du brauchst doch Geld. Ich kann dir etwas leihen, wenn du es mir zurückzahlst.“

„Ich habe meine Schulden immer zurückgezahlt. Immer! Verstehst du? Jeden Cent“, sagte Luan und klang plötzlich furchtbar aufgeregt.

„Ist schon gut. Ich vertraue dir“, beschwichtigte Sansibar und zog ihre Geldkarte aus der Jackentasche. „Du kannst 30 Euro haben.“

„Danke“, sagte Luan und nahm Sansibars Karte. Seine Finger zitterten, als er die Karte in sein ceeBand schob. Drei Zehn-Euro-Scheine wischte er über den Bildschirm und lud sie auf sein ceeBand.

Er riss die Karte wieder aus seinem Computer und drückte sie Sansibar in die Hand. „Danke“, murmelte er und blitzte Sansibar mit seinen tintenblauen Augen an.

Und wieder starrte Sansibar ihn einen Augenblick zu lange an. „Komm doch mit zum Golden Surfer“, schlug sie vor. Jetzt glühte ihr Gesicht vor Aufregung, nicht mehr wegen des Weltraumschweins.

„Du siehst doch, dass er nicht will“, zischte Marella und zog Sansibar am Ärmel.

Luan schüttelte den Kopf und seine Arme hielt er ganz starr. Irgendwie traurig sah er aus.

In diesem Moment betraten zwei Sipos die Surferbar. Sansibar sah die blauen Trainingsanzüge aus den Augenwinkeln. Die beiden gingen von Tisch zu Tisch und redeten mit den Gästen. Was wollten die hier? Wieder kroch dieses Unbehagen in Sansibar hoch. Dabei hatte sie gar keinen Grund.

„Mir dauert das zu lange. Ich möchte jetzt surfen gehen“, erklärte Sansibar und wandte sich zum V.I.P.-Eingang des Golden Surfers auf der anderen Seite. Sie wollte nur weg von den Sipos. Sie hasste dieses Gefühl von Furcht, aber sie konnte nichts dagegen unternehmen.

„Na gut, meinetwegen, dann komme ich eben doch mit“, änderte Luan seine Meinung und hatte es plötzlich sehr eilig. Marella folgte grummelnd.

Direkt hinter dem V.I.P.-Eingang wartete eine gläserne Gondel auf die drei. Ein Mitarbeiter in einem goldenen Skianzug hielt die Gondeltür auf und reichte ihnen drei goldene Snowboards und Helme. „Ich muss euch auf die Helmpflicht hinweisen. Es dient eurer eigenen Sicherheit“, sagte er und verbeugte sich. Sansibar, Marella und Luan kletterten in die Gondel. Mit einem Ruck fuhr sie an. Und schon schwebten sie über der Piste. Der weiße Berg unter ihnen pulsierte, zog sich zusammen und dehnte sich im nächsten Moment wieder. Bergzacken stülpten sich aus und zerrissen dann in atemberaubende Schluchten. Dazwischen schwangen sich all die Snowboarder auf ihren goldenen Boards ins Tal. Nicht ein Einziger stürzte, der Berg kümmerte sich um seine Gäste.

Marella machte immer noch ein säuerliches Gesicht und sah ins Tal. Auf der Bank gegenüber saßen Sansibar und Luan. Sansibar fand den weißen Gipfel atemberaubend schön.

„Zeigst du mir dein ceeBand?“, fragte Marella und sah Luan fordernd an.

„Ich habe doch gesagt, das ist kein ceeBand. Das hab ich mir selbst gebaut. Das kann viel mehr“, gab Luan zurück. Dann wischte er über den Bildschirm, rief ein paar Programme auf, hackte Passwörter ein und plötzlich tauchte auf dem Bildschirm der pulsierende Berg auf. Das Bild zeigte jede noch so kleine Erhebung, die sich im Sekundentakt veränderte. In roten Ziffern flimmerten millimetergenau die Höhenangaben über den Bildschirm und die Bewegungen des Berges in Zehntelsekunden.

„Da“, sagte er stolz und wischte sich die Haare aus dem Gesicht. Sansibar sah für einen Moment Luans verkrustete Platzwunde. „Das sind die Originaldaten vom Golden Surfer-Computer“, fuhr Luan fort. „Mit einem normalen ceeBand kannst du die niemals abrufen.“

„Angeber“, murmelte Marella und sah aus dem Fenster. Die Gondel ruckelte über eine Stütze. Sie näherten sich der Gipfelstation.

Plötzlich begann Marella zu winken.

„Was soll das? Warum winkst du?“, fragte Sansibar.

„In der Gondel hinter uns fahren unsere Beschützer. Die wird man wohl noch grüßen dürfen“, erklärte Marella.

Sansibar und Luan drehten sich um.

In der Gondel saßen vier Sipos. Ihre Brillen blitzten auf. Luan wurde plötzlich ganz bleich. Er rutschte auf seiner Bank zusammen, zupfte seine Haare vor die Augen.

„Ein Glück, dass die Sipos für unsere Sicherheit sorgen“, trumpfte Marella auf. „RUHL ist cool.“ Stolz lächelte Marella und murmelte: „Das ist so einfach. Wenn man nicht alle Gedanken braucht, stellt man sie RUHL zur Verfügung und RUHL setzt sie zum Wohl der Gesellschaft ein. Das nimmt dir nichts, aber du gibst für die Allgemeinheit. Ich verstehe nicht, wie man sich gegen RUHL stellen kann.“ Mitleidig sah sie Luan an.

„Luan wird schon seine Gründe haben“, ereiferte sich Sansibar. Natürlich war RUHL die tollste Erfindung der Menschheit, aber es blieb immer noch jedem selbst überlassen, ob er mit seinen Gedanken der Gesellschaft half. Sansibar wusste auch nicht, warum sie Luan verteidigte. Sie kannte ihn doch gar nicht. Aber irgendwie mochte sie ihn.

Luan sagte kein Wort mehr. Käsebleich hockte er neben Sansibar. Er starrte auf sein ceeBand und tippte mit unglaublicher Geschwindigkeit. Dann studierte er all die Ziffern und Zeichen, die über seinen Bildschirm liefen. Sansibar verstand nicht, was sie bedeuteten. Sie stülpte ihren Helm über und sagte betont fröhlich: „Wenn wir oben sind, fahren wir gleich los. Ich möchte keine Sekunde verplempern. Ich will meine Zeit im Golden Surfer auskosten.“ Natürlich wollte sie den Golden Surfer genießen, aber viel wichtiger war ihr, nicht den Sipos zu begegnen.

Marella nickte und setzte ihren Helm auf. „Du siehst ein bisschen wie eine Weihnachtskugel aus“, kicherte Sansibar.

„Glaub nur nicht, dass du besser aussiehst“, gab Marella zurück.

Luan zögerte. „Ich muss auf die Toilette. Ich komme nach. Ich hole euch ein. Ganz bestimmt.“

„Alles klar“, stimmte Sansibar zu.

Marella putzte mit dem Ärmel über den Kristall.

„Gibt das viele Punkte?“, fragte Sansibar. „Ich meine deine Gedanken für RUHL.“

Marella lächelte vergnügt in sich hinein: „Das hängt davon ab, wie gut meine Gedanken sind. Wenn ich mich bemühe, sagt mein Kristallkunde-Lehrer, ist ein zartes Gelb schon im ersten Jahr möglich, natürlich nur für die Besten.“

Die gläserne Gondel rumpelte in die Bergstation. Ehe sich die Tür ganz aufgeschoben hatte, quetschte sich Luan durch die Öffnung und rannte, als ginge es um sein Leben.

„Bis gleich“, rief Sansibar ihm nach.

„Vielleicht hat er die Goldsplitter nicht vertragen“, lästerte Marella.

„Quatsch nicht und komm endlich.“ Sansibar zerrte Marella aus der Gondel. Sie wollte loslaufen. Da stieß sie gegen einen älteren Mann. Die wenigen grauen Haare trug er sorgfältig über den Kopf gekämmt. „Hausmeister“ stand auf seiner grauen Uniformjacke.

„Entschuldigung“, murmelte Sansibar.

„Macht nichts, macht nichts“, lächelte der Hausmeister. „Dort drüben geht es zur Piste.“

Sansibar zog Marella weiter. Endlich standen sie auf der strahlend weißen Piste. Hier oben war der Berg noch ruhig. Er ließ den Gästen Zeit, das Board anzuschnallen. Aber schon der erste Hang warf wilde Wellen.

„Weißt du“, sagte Marella und verriegelte den Magnetverschluss ihrer Schuhe, „irgendetwas stimmt mit Luan nicht.“

„So ein Quatsch“, verteidigte Sansibar Luan schon wieder.

„Wenn du mich fragst, hat er das ceeBand gestohlen. Hat kein Geld, armselige Klamotten, aber der junge Herr trägt ein ceeBand und behauptet auch noch, dass er es selbst gebaut hat. Niemals. Das ist gelogen“, sagte Marella.

„Kann doch sein, dass er das Teil selbst gebastelt hat. Ich mag ihn“, sagte Sansibar. Sie stand abfahrbereit auf ihrem Board.

„War ja nicht zu übersehen, dass du ihn toll findest“, lästerte Marella. „Wir werden gleich wissen, ob er uns die Wahrheit erzählt hat.“

„Wieso?“, wollte Sanisbar wissen.

„Ich habe die Sipos über meinen Kristall verständigt. Die werden ihn überprüfen“, sagte Marella schnippisch und stemmte die Arme in die Hüften.

„Du hast was? Du hast die Sipos geholt? Du hast Luan verraten?“ Sansibar blieb die Luft schier weg.

„Nicht verraten. Wenn er nichts verbrochen hat, wird ihm auch nichts geschehen. Sie werden ihn nur kontrollieren. Oder willst du in einer Gesellschaft mit Verbrechern leben, nur weil du den Jungen süß findest? Wo kämen wir da hin, wenn Diebstahl erlaubt wäre? Immerhin hat mir diese Meldung 500 Punkte eingebracht. Wenn er wirklich etwas gestohlen hat, haben sie mir weitere 3000 Punkte in Aussicht gestellt. Ehrlich gesagt hoffe ich, dass er ein Dieb ist“, sagte Marella.

Sansibar drehte sich um: „Du bist gemein.“ Sie schwang sich auf die Piste. Der weiße Boden fühlte sich genauso weich an wie ihre Knie. Langsam eierte sie quer über den Hang. Der Berg türmte weder Felsen vor ihr auf, noch brach er in Schluchten ab. Ruhig rollte er sich vor ihr aus.

Da sah Sansibar auf der anderen Seite der Bergstation einen Jungen auf die Piste springen. Er trug ein schwarzes T-Shirt mit ceeBand-Werbung: Luan! Er stürzte sich einen fast senkrechten Hang hinunter, flog über weiße Klippen. Er riss seinen Arm hoch, versuchte in sein ceeBand zu tippen.

In diesem Moment stürmten vier Sipos auf die Piste. Sie rasten Luan hinterher. Sie fuhren schneller. Meter um Meter holten sie auf, kamen näher, immer näher.

Marella stoppte in einem lässigen Schwung neben Sansibar: „Scheint wohl doch etwas ausgefressen zu haben, dein Luan.“

„Das ist nicht mein Luan“, fauchte Sansibar.

Luan verschwand hinter einem Abhang. Seine Verfolger hetzten ihm nach.

Die Schattensurfer

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