Читать книгу Braunschweig via Paris - Ida Bauer - Страница 11

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Am nächsten Tag begann das Übel seinen Lauf zu nehmen. Mal ganz abgesehen von der unruhigen Nacht, die ich hinter mir hatte zwecks der Gedanken: was ist, wenn…, bahnte sich was in meinem Magen-Darmbereich zusammen. Es rumorte, kneifte und zwickte, obendrein hatte ich das Gefühl, der Anfang meines sieben Meter Darms tanzte Samba mit dem Enddarm. Hatte ich gestern was Verkehrtes gegessen? Ich überlegte intensiv, doch mir wollte nichts einfallen. Da die Hirngespinste zwecks des Dates weiter in meinem Schädel rumhingen, schob ich das Magengrummeln darauf. Wie kann man als erwachsene Frau bloß so aufgeregt sein? Und das schon drei Tage vorher? Es ist doch nur ein Treffen mit einem Dreibein und nicht mit Gott…NUR??? Es ist DAS Treffen mit einem Dreibein. Noch nie war ich so geduldig und habe so viel Mut bewiesen wie bei Marcel. Die Anerkennung dafür musste einfach okkulütenhafte Ausmaße annehmen. Das, was man gibt, bekommt man auch zurück, heißt es doch in den Lebensberaterkreisen. Die Entlohnung am Samstag habe ich mir also redlich verdient. Kaum begann ich mir selbst auf die Schulter zu klopfen und Lobeshymnen auf mich selbst zu singen, musste ich auch schon aufs Klo. Spritzpup-Alarm!!!

Donnerstag

Na, das geht ja heiter los. Heute ist erst Donnerstag und ich habe Durchfall. Noch zwei Tage bis zum Date, Lander. Beiß die Zähne zusammen und denk nicht die ganze Zeit darüber nach. Nachdem ich noch zweimal aufm Klo saß und dann erst mit Filou Gassi gehen konnte, kam ich natürlich zu spät zur Arbeit. In einem Moment der „Kundenfreiheit“ nahm ich mir schnell meine zwei Kolleginnen Hanna und Karin zur Seite und erzählte ihnen voller Stolz inklusive geschwollener Brust, dass ich am Samstag ein Date habe. Die beiden haben mich schlicht und einfach aber noch irrer gemacht.

<<Ann-Kathrin, du darfst jedenfalls nicht rülpsen oder furzen. Und rede nicht gleich über`s Ficken>>, meinte Hanna. Und Karin erinnerte mich dann auch daran, dass ich mein „Fäkalsprache“ im Zaum halten soll. Ja, hallo, was denken die denn von mir??? Die sind wie mein Vater, der immer sagt: „Aus Dir wird nie ne richtige Dame“! Was tut denn eine „richtige“ Dame? Affektiert durch die Gegend stolzieren, morgens zwei Stunden im Bad brauchen und sich nie ins Gesicht spritzen lassen? Wenn es DAS ist, dann kann ich da ganz graziös und anmutig drauf verzichten, basta. Sonst hätte ich eine oscarverdächtige Schauspielerin werden können und nicht Ann-Kathrin Lander! Westerwelle sprach damals: Ich bin wie ich bin und das ist gut so. Ich sehe das genauso. Es ist für jeden leicht verständlich und wem das nicht passt, der brauch sich nicht in meinem Dunstkreis aufhalten.

Der Arbeitstag zog sich unsagbar in die Länge und wurde nur von immer wieder kehrenden Dünnschiss-Attacken unterbrochen. Ich nahm mir vor, gleich nach der Arbeit in der Apotheke eine Großpackung Imodium Akut zu kaufen.

Sonst habe ich am Samstag einen Arsch wie ein Pavian und muss mir Wund- und Heilsalbe in die Kackrinne schmieren, damit ich überhaupt sitzen kann.

Abends stand ich dann vor meinem Kleiderschrank…und zwar ziemlich ratlos. Alles voll, jedoch nichts drin. Oder anders ausgedrückt – schon was drin, aber nichts war gut genug für mein erstes Date seit langem. Ich starte mit der Wahl des Oberteils. Lieber eine Bluse? Nee, wer weiß, wie kalt es in dem Schuppen ist. Dann einen Pulli? Nee, zu underdressed. T-Shirt mit Blazer? Nee, zu overdressed. Ein Strickkleid? Nee, dann muss ich die ganze Zeit ladylike die Beine zusammendrücken und die Perlonstrumpfhose lässt mich ungewollt im Schritt schwitzen. Wie wäre es denn mit Strapsen? Ach nee, nachher sieht er die und denkt, ich will ihn gleich abschleppen. Na, das geht ja schon gut los. Ich lass die Oberteile erst mal hängen und richte mein Augenmerk auf die Hosen. Hm, bei welcher Hose quellen rechts und links nicht die Flanken über den Gürtel? Soll ich ne Schwarze anziehen? Schwarz macht immer nen schlanken Schuh. Ne Jeans sieht andererseits locker und unkonventionell aus. Ach herrje, so schwer hätte ich mir das nicht vorgestellt. Filou saß auch ziemlich ratlos neben mir und die Katze schaute vom Bett her zu. Wir gaben bestimmt ein göttliches Bild von drei Fragezeichen ab. Die Viecher dachten gewiss: was ist denn mit der Alten heute los? Und mir ging nur eins durch den Kopp: verfickter Hurenkot, verfickter. Es wird doch irgendwo in diesem Drecksschrank etwas geben, was dem Samstagabend würdig ist. Ich beschloss, dieses Thema für heute ruhen zu lassen. Schließlich habe ich noch zwei Tage und bis dahin wird sich bestimmt was ergeben. Mein Hinterteil meldete sich zum wiederholten Male mit einer vehementen Nachhaltigkeit, die mich im rasanten Tempo aufs Klo verschwinden ließ. Boa ey, das geht ja gar nicht. Wie kann man nur von so ein bisschen Kacki-Kacki so`ne Schmerzen haben? Gleich danach werfe ich mir dritte Anti-Köttel-Tablette rein und gehe mit einem Körnerkissen aufm Wanst ins Bett. Konnte selbstverständlich nicht gleich einschlafen. Immer wieder ging ich im Gedanken die Situationen durch, die möglicherweise auf mich zukommen könnten. Soll ich ihn in den Arm nehmen zur Begrüßung? Was sage ich als erstes? Und was sage ich als zweites? Wie überbrücke ich galant unangenehme Gesprächspausen? Was ist, wenn ich aus Versehen rülpse? Was ist, wenn…geschwächt und ermattet vom vielen Denken, schlief ich dann doch ein. Im Traum stand ich nach unserem Date mit ihm in einem Fahrstuhl, der endlos hinunterfuhr. Wir schauten uns die ganze Zeit tief in die Augen und ich merkte bereits, wie er in meiner Fantasie wilden leidenschaftlichen hemmungslosen Sex mit mir macht. Stattdessen nahm er mein Gesicht in beide Hände und küsste mich herzergreifend und feuchtmachend. So wie im schmalzigsten aller Schnulzenfilme. Wahnsinn, wie der mit seiner Zunge gefühlvoll in meinem Mund spielte und dann leicht an der Unterlippe saugte. Ich glaube, da bin ich schon zum ersten Mal gekommen. Der Begriff „geile Träume“ begann für mich neue Dimensionen anzunehmen.

Freitag

Ich erwachte mit einem seligen und befriedigten Lächeln im Gesicht und konnte mich leider nur noch zum Teil an diesen intergalaktischen Traum erinnern. Auf jeden Fall wusste ich noch – er konnte küssen. Und wie der küssen konnte… leck mich in die Fresse geschissen. Wenn wir Frauen mal ehrlich sind – welche Männer können schon so gut küssen, dass einem dabei die Vorfreude fristgerecht am Schenkel runter läuft??? Die meisten küssen entweder nicht gerne oder nur dann gut, wenn sie dich ins Bett kriegen wollen. Ganz wenige geben sich da wirklich Mühe und legen alles an Gefühl da rein. Genauso verhält es sich beim Lecken. Wer hat den Pimmels ursprünglich erzählt, dass wir so geleckt werden wollen, als wenn sie in zehn Sekunden eine Kugel Eis wegschlecken sollen? Da nimmt sich selbst Filou mehr Zeit, wenn er den Jogurtbecher ausschlabbern darf. Gott sei Dank sind wir dank der Gleichberechtigung nun in der Lage, auch im Bett zu sagen was wir wollen: Schatz, bitte etwas langsamer, etwas mehr Druck bitte, ein Stück weiter hoch usw, usw.

Am schlimmsten ist es allerdings, wenn die Kerle die Ansagen weiterhin ignorieren, weil sie meinen, sie wüssten es besser wie die Muschibesitzerin selbst. Wir holen denen auch keinen runter, als ob wir die Fingernägel als Sparschäler gebrauchen können. Kommunikation ist das A und O, sag ich immer, im vertikalen sowie in der horizontalen.

Was wollte ich denn eben erzählen? Ach so ja…Jappadappaduuuuu, nur noch einmal schlafen. Die Arschlochwoche ist auf jeden Fall somit rum, weil nämlich heute Freitag ist…tatatataaaaa. Morgen ist es soweit. Der große Tag. Mein großer Tag! Kaum den Gedanken fertig gedacht, schon geht’s wieder los im Enddarmbereich. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Wenn das so weiter geht, hab ich einen Flüssigkeitsverlust von zehn Litern bis morgen Abend und meine Haut ist so schrumpelig, wie die einer ausgedörrten Orange. Weiterhin komme ich wieder zu spät zur Arbeit. Hätte wohl mal das Kacktraining einplanen sollen, als ich gestern den Wecker stellte. Scheiße, im wahrsten Sinne des Wortes.

Nachdem ich mich dann endlich vom Klo losgeeist hatte, geht’s schnell Gassi und dann ab zur Arbeit. Dort erwarten mich schon Karin und Hanna und fragen gleich nach, ob es was Neues gibt von Mister Universum. Ich verneine und die Diskussion wegen der Bekleidung geht von vorne los. Gestört werden wir dabei nur von meinem Dünnschiss und den Size Zero Presswürsten, die mir heute ganz gepflegt auf die Nüsse gehen. Ich hege da augenblicklich echt keine Geduld für, andere zu beraten und selbst nicht zu wissen, was ich morgen anziehen werde. Ich war heilfroh, als ich endlich den Feierabend und das Wochenende begrüßen durfte.

Ab nach Hause, schnell spazieren gehen und dann wieder eine Stunde vorm Kleiderschrank verbracht. Das gibt’s doch nicht, dass ich so gar nichts finde, was dem Anlass entsprechend wäre. Resigniert schmiss ich mich mit ein paar käseüberbackenen Nachòs vorm Fernseher, tätigte einen Frustfraß erster Güte und ignorierte das Bauchgrummeln dabei geflissentlich. Und auf das eine Nachò-Kilo kommts nun auch nicht mehr an. Kann ja bis morgen schlecht ne Fettabsaugung an den Hüften vornehmen lassen. Obwohl…könnte ich auch mal näher ins Auge fassen. Vielleicht in Polen, soll ja dort billiger sein.

Ist es möglich, dass man den Hüftspeck absaugen lässt und in die Titten einspritzen kann? Mensch, das ist doch ne Marktlücke. Wie viele Frauen sind oben herum platt wie ne Flunder und in der Mitte eine Regentonne? Also quasi ne verkehrte Sanduhr. Die fliegen auch zum Mond und klonen Tiere, da ist doch so`ne Fettverteilung ein Fliegenschiss dagegen. Ich hätte Ärztin werden sollen. Fettverteilungsärztin! Ich könnte mich garantiert vor Aufträgen nicht retten. Treu nach dem Motto – ich schiebe es Ihnen von oben nach unten und umgekehrt! Auf jeden Fall kommt 90-60-90 dabei raus. Mittlerweile habe ich die Schüssel Nachòs unter visueller Begleitung von Cindy aus Marzahn vernichtet und beschließe ins Bett zu gehen. Schließlich will ich morgen nicht mit Tränensäcken eines 70-jährigen Alkoholikers zum Date gehen. Also, ab inne Heia und Schönheitsschlaf halten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten beim Einschlafen trotz Schafe zählen hat es dann irgendwann gegen drei Uhr doch noch geklappt. Naja, ich bin 42, da werden doch fünf Stunden Schlaf reichen…hoffe ich…inständig…im geheimen…bittend…eindringlich.

Braunschweig via Paris

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