Читать книгу Braunschweig via Paris - Ida Bauer - Страница 7
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Mit diesen Argumenten im Kopp ging ich frohen Schrittes nach Hause und fuhr auch gleich den Computer hoch. Wie war der Name dieser verkackten Single-Date-Seite? Scheiße, Scheiße, Scheiße…ich will deswegen nicht Tine anrufen und fragen. Die denkt wahrscheinlich wieder nur, dass ich chronisch untervögelt bin. Ich meine, bin ich ja auch. Da gibt’s nichts dran zu rütteln. Wann war nochmal der letzte gute vollzogene befriedigende Geschlechtsverkehr?
Auch da muss ich wieder in meinen letzten Hirnzellen rumkramen und die Spinnweben von der Schublade „SEX“ entfernen. Im Hinterköpfchen stellt sich ein Lied aus den 80`zigern ein…BAP – verdammt lang her, verdammt lang. Gibt’s doch gar nicht, das so`ne scharfe Schnecke wie ich es bin, monatelang nicht richtig durchgebumst wird. Also ein gutes halbes Jahr ist es mit Sicherheit schon her und das war mit meinem Ex (der es mir besser besorgen konnte, als ich selbst…jaja, Mädels, sowas lebt auch auf diesem Planeten). Apropos selbstmachen…da hab ich auch kein Bock mehr drauf. So ein Dildo ist recht schön und ich hab auch vier zur Auswahl, aber so oder so fehlt da was. Niemand, der dir vorher sinnlich die Zunge in den Rachen hängt und an deinen Brustwarzen saugt, knabbert und zutscht. Niemand, der dich streichelt als wärst du die einzige, wunderschönste, begehrenswerteste Frau auf diesem Planeten Erde. Niemand, der wenn`s zur Sache geht, zu dir sagt – dreh dich um, ich ficke dich jetzt von hinten richtig durch. Niemand, keiner, nada, niente…
Ein Dildo kann nicht reden, er hat keine Hände und keinen Mund, um dir dreckige Sachen ins Ohr zu flüstern. Deshalb werde ich auch nie verstehen, warum manche Männer so einen „toten“ Schwanz als Konkurrenz ansehen. Man kann ihn doch als Pärchen einwandfrei mit ins Liebesspiel mit einbeziehen. Ich meine, da kriegt „Mann“ doch auch einen ganz anderen Blickwinkel zwischen den Schenkel der Frau, wenn er das Ding in der Hand hat.
Naja, wie dem auch sei. Der Name der Homepage fiel mir immer noch nicht ein…also erst eine paffen. Ich geh raus auf die Terrasse und nehme zwei herrlich intensive Züge von der Kippe, die genauso qualmt wie mein Hirn. Irgendwas mit kiss…aber was? Kiss the frog war es nicht. Kiss the lips auch nicht. Menschenskino, hab ich Alzheimer oder was? Streng dich an und konzentrier dich. Nachdem in meinen kleinen Zellen einen Tritt in den Arsch gegeben und gebetet habe, war sie da…die Antwort auf mein Gebet – DANKE lieber Gott. Kippe aus und ran an den PC. Bedächtig tippte ich auf meiner Tastatur www.kiss-mr-right ein und wartete auf den Seitenaufbau. Juppie, alles richtig gemacht Frau Lander. Rigoros gehe ich auf die Suchfunktion und gebe „bengel66“ein und ZACK – da issa, grins.
Ich kanns nicht sein lassen und lese mir alles nochmal durch. Weil`s sooo schön ist. Wo hat der bloß das Schreiben gelernt? Die Worte gehen runter wie Öl und wieder verspüre ich dieses Gefühl, das er meine Gedanken kennt und aufgeschrieben hat.
Mitten ins Herz…plopp…und ohne kitschig zu wirken.
Ich meine, da können sich die restlichen 99,9999% aller Männer nen Scheibchen, ach was sage ich, ne ganze Scheibe von abschneiden.
Egal jetzt, ich suche den Button, damit ich ihm eine Nachricht zukommen lassen kann. Ah ja, da unten und so schön in Grün gehalten. Auch für Blonde nicht zu übersehen. Aber vorher soll ich noch ein Profil erstellen, sonst kann ich ihm nicht schreiben. Grrr, wie ich das hasse!!! Also gut. Ich füge mich äußerst widerwillig, fülle nur das Nötigste aus und ein Foto stelle ich auch nicht rein. Will selbst hier nicht angebaggert werden, sondern nur diesen einem Typen etwas schicken. Okay fertig! Nun den grünen Button suchen und dann geht’s ab. Ich klicke drauf und zack steht schon vorgeschrieben da: Lieber bengel66…
Na, dann mal nichts wie los. Hm, was schreibe ich denn mal? Hallo Unbekannter? Hi Frauenversteher? Moin, Du Herr der Poesie? Hallöchen Popöchen? Ach Scheiße…wieso fällt mir denn nichts Abgefahrenes ein, was mich meilenweit von den anderen Tussis abhebt? Etwas, was ihn gleich ausm Schlüppi kloppt. Etwas, das seine Reaktion beim Lesen gleich ins unermesslich-positive-unwiderstehliche-Ann-Kathrin-Universum befördert. Etwas, was ihn gleich wissen lässt…DIESE Frau will ich haben. Meine Gedanken drehen sich im Kreis und mir wird schon selbst schwindelig davon. Das kann doch nicht so schwer sein, einem Dreibein ein paar nette Worte zukommen zu lassen. Also los jetzt Miss Notgeil, reiß dich zusammen und lass deiner Fantasie freien Lauf, ermuntere ich mich selbst. Gehen wir mal ganz klassisch vor, so wie der schreibt, wird er draufstehen.
Also…“Lieber Marcel…ich habe vorhin durch Zufall dein Statement gelesen und mir lief es gleich lauwarm am Bein runter…“ Fucking Bullshit, das muss er ja nicht gleich wissen. Ich streiche den letzten Teil des Satzes widerwillig. Nochmal…“Lieber Marcel…ich habe vorhin durch Zufall dein Statement gelesen und war ganz bekleistert“. Nee, bekleistert ist auch Shit. Stattdessen schreibe ich „begeistert“. Ja, ditte hört sich jut an. Also weiter so Ann-Kathrin. „Du hast meine Gefühle in Worte gefasst, auf Papier gebracht und ich war total gerührt“. Ist das nicht zu dick aufgetragen? Ich lass das erst mal so, wer weiß, was ihn so antörnt. Außerdem beschließe ich, vorerst die anständige Schiene weiter zu fahren…macht sich immer „Schwiegertochter-Like“. „Vielleicht hast Du ja Lust, mich kennen zu lernen. Herzliche Grüße Ann-Kathrin“. Jo, das reicht fürs Erste, nun ist er am Zug. Lese das ganze selbstverständlich nochmal auf Rechtschreibfehler durch (die ja megapeinlich wären, getreu nach dem Motto –blond und blöd) und klicke selbstbewusst auf Senden…und wech isse. Die Sendebestätigung war eine Sekunde später da und meine Zweifel auch. Wie dämlich bin ich eigentlich???? Nun bin ich schon so dermaßen chronisch untervögelt und so verzweifelt, das ich auf einer von mir verhassten Singleseite mich nem Dreibein anbiete, tz tz tz tz. WIE tief kann man sinken, wie tief??? Ich widme mich schnell Filou, um die Sache in meinem Kopp mit Nichtachtung zu bestrafen. Es ist eh zu spät, mein Kumpel Ingolf würde sagen – der Lachs ist gebuttert, der Rasen ist gemäht, der Drops ist gelutscht.
Dementsprechend handelnd gebe ich mich hingebungsvoll einem Raufspiel mit Filou hin und springe danach unter die Dusche, um meinem wöchentlichen „ich-pflege-mich-auch-ohne-Mann“ Ritual hinzugeben. Es wird gepeelt, rasiert und gecremt inklusive Mani- und Pediküre. Ich fühle mich danach wieder unwiderstehlich sexy, extrem geil riechend, aber leider immer noch ungevögelt. Mit großem Bedauern stelle ich fest, dass mein Leben so interessant ist, wie das einer kolumbianischen Nacktschnecke. Aufregend wie das einer amerikanischen Sumpfschildkröte. Erlebnisreich wie das einer Dreifinger-Faultiers im Regenwald. Mir ist langweilig und ich will sexeln…mit Liebe natürlich. Anständig ausgedrückt – ich wünsche mir eine Beziehung inklusive befriedigenden Geschlechtsverkehr mit einem 5cm - Durchmesser -Dreibein, der in mich genauso verknallt ist, wie ich in ihn. Das Ganze selbstverständlich in großer Harmonie lebend, mit viel Humor und abwechslungsreich.
Ach, wenn es doch endlich mal passieren tun täte…Den Samstagabend verlebe ich wie so häufig abseits des erquickenden Lebens allein auf meiner Couch. Ist schon echt deprimierend, wenn alle um einen herum liiert sind und selten Zeit für ne scharfe Braut wie mich haben. Außer mein anderer Kumpel Sören, der ist auch Single und alleinerziehender Vater. Deshalb kann er nur alle zwei Wochen auf die Piste gehen. Fällt also auch flach. Im Schlafanzug, Puschelbademantel und immer noch von einem betörenden Duft umgeben, ziehe ich mich mit Filou aufs Sofa zurück und zappe durchs Fernsehprogramm. Wie immer läuft nichts, was mich aus den Socken haut. Erst zu späterer Stunde zappe ich durch Zufall auf diesen Handpuppenmann. Ich konnte sonst nicht über sowas lachen, aber dieser Typ hat das so geil gemacht, dass selbst ich lachen musste. Leider ging die Stunde viel zu schnell vorbei und ich ging die letzte Fluppe auf der Terrasse rauchen, während Filou ein letztes Mal seine Blase im Garten entleeren durfte. Zähne putzen und ab in Bett. An Schlaf war noch nicht zu denken, mein Hirn verselbstständigte sich abermals wegen „bengel66“. Das übliche Spielchen – was wäre, wenn… Ich glaube, dieses Gen haben auch nur wir Frauen. Sämtliche Variationen spielte ich unbewusst ab. Was ist, wenn er der Hammer ist? Was ist, wenn er der Looser ist? Was ist, wenn er nen Buckel hat? Was ist, wenn sein Schwanz nur nen Durchmesser von 2,5 hat? Was ist, wenn er ausm Mund riecht? Oder unter den Achseln? Was ist, wenn er weiße Socken zu schwarzen Schuhen trägt? Was ist, wenn seine Hose Hochwasser hat? Was ist, wenn…über so viel „wenn`s“ schlief ich schließlich erschöpft ein und träumte einen meiner wildesten Träume. Näheres will ich hier momentan weglassen, da die Geschichte sonst nymphomanische Züge annehmen würde und ich mich in ein völlig falsches Licht rücken würde.