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Samstag

Gähn…verfickt und zugenäht, bin ich noch müde. Fünf Stunden sind für erhabene vierzig Lenze doch nicht genug. Fühle mich doppelt so alt und sehe aus wie ein umgedrehter Wischmop. Und mein Darm beschließt schon wieder krampfartig, sich von sieben Metern auf fünfzig Zentimeter zu verkürzen. Also ist der Drang aufs Klo zu gehen unaufschiebbar. Meine Güte, wenn sich das nicht beruhigt, dann muss ich obendrein noch Kackband besorgen. Danach schiebe ich mir auf nüchternen Magen gepflegt zwei Imodium akut auf einmal rein. Ein leckeres Frühstück sieht aber auch anders aus. Wenn ich so recht überlege, habe ich jetzt in drei Tagen sieben Imodiums geschluckt. In einem normalen Darm würde sich spätestens jetzt der Super-Gau-Kacki-Stau einstellen. Ich zermartere mir das Hirn, wie sich das gegen Abend entwickelt. Muss ich da jede halbe Stunde sagen: Ähm, entschuldige mich mal für mindestens zehn Minuten, denn ich habe Diarrhö! Geiles Wort übrigens…Diarrhö…hört sich unglaublich gediegen an. Ich werde es nutzen, wenn ich mal Frau von Welt bin, haha.

Wie beschämend und unangenehm ist denn so eine „Diarrhö“ beim ersten Date? Geht ja gar nicht, auf gar keinen Fall! Und wenn ich die letzten dreizehn Tabletten auch noch nehmen muss…EGAL. Der wird davon überhaupt nichts mitbekommen und ich werde die Herrschaft über meine Magen-Darm Region wiedererlangen. Mit diesen Erkenntnissen ging ich mit Filou ne Runde spazieren und dachte erneut über meine Klamottenwahl nach. Ich tendierte mittlerweile zu der unkomplizierten Blue-Jeans. Und da wir ja sitzen werden, kann ich auch getrost etwas höhere Absätze tragen. Genau – die schwarzen Stiefel werde ich anziehen. Okay Lander, du bist schon weit gekommen. Nun fehlt nur noch ein Oberteil…schwarz muss es sein, wegen den Stiefeln. Einen schönen Pulli hab ich nicht, also wird ne Bluse herhalten müssen. In meinem Kopp begann sich ein Bild zu formen. Als ich zu Hause ankam, ging ich gleich an den Kleiderschrank, legte die Sachen raus und drapierte sie so aufm Bett, wie ich sie anziehen würde. Hm, sieht keinesfalls schlecht aus. Noch ein blinkblink-Kettchen dazu und fertig. Da es draußen arschkalt ist, wird der dunkelgraue Mantel in meine nähere Auswahl gezogen.

Also…ich muss ja sagen…keineswegs werde ich unsexy aussehen, das steht schon mal fest. Ich meine, wie kann jemand wie ich überhaupt unsexy aussehen? Das hat in diesem Fall nichts, aber auch gar nichts mit Arroganz zu tun. Ich bin seit zwei Jahren Single und wenn ich es mir nicht selbst einrede, dass ich zu mindestens einigermaßen gut aussehe, wer dann zum Teufel??? Ich sage zu mir auch selbst morgens im Spiegel, dass ich mich liebe…es tut ja sonst niemand. Infolgedessen finde ich es keineswegs schlimm und es baut mein Selbstbewusstsein enorm auf.

Was aber auf jeden Fall unsexy wirkt, ist…Dünnschiss!!! Wie viele Anti-Kack-Tabletten muss ich mir denn noch einwerfen, damit sie wirken? Was, um Gottes Willen, soll mir dieses Zeichen sagen?

Das es zur höheren Kunst gehört, mit einem blutwunden Arsch ein entspanntes Date zu haben?

Vielleicht ist es sinnvoller ein „Steh-Date“ draus zu machen, damit die Analmuskulatur sich wieder etwas erholen kann und ich schneller lossprinten kann. Ich werde es auch zu keiner Zeit verstehen, wie Frauen sich ständig in den Arsch pimpern lassen können. Insbesondere dann, wenn der Lulli einen beträchtlichen Durchmesser vorweisen kann. Da kann mir doch keine Tussi erzählen, dass sie davon einen Abgang bekommt und Wunder wie stimuliert wurde. Bei Männern ist das was anderes…da kann man sich ja mit Wonne der Prostatasuche widmen. Soll angeblich nen mega Orgasmus verschaffen. Aber die Pimmels zieren sich da immer: „geh mir von der Köttelkammer, die bleibt Jungfrau.“

Ist recht mein Herr…aber uns wollen sie stets in den Arsch ficken. Weil`s so schön eng ist…Paaah! Nur kurz zur Aufklärung: nicht das Loch ist eng, sondern der Schließmuskel meine Herren der Schöpfung!

Jetzt sind es nur noch drei Stunden und bis dahin MUSS und WILL ich meinen Enddarm unter Kontrolle haben.

Also nochmal zwei Imodium auf einen Schlag hineingewürgt, damit sich ein Pfropfen bildet und ich nie, nie, nie wieder aufs Klo muss. Ich gehe mit Filou noch ne Pipi-Kacka-Runde und dann ab unter die Dusche. Während ich meinen kleinen Edelkörper einseife, denke ich darüber nach, ob er heute eventuell noch mit hierherkommt. Dann müsste ich unbedingt noch das Bett beziehen, damit er sich nicht gleich in Katzenhaaren wiederfindet. Obwohl…will ich das? Ich meine nicht Bett beziehen, sondern das er heut schon hier wäre. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass, wenn er es tun täte, ich nicht die Finger von ihm lassen könnte. Man muss die Gelegenheit beim Schopfe packen, wenn man über ein halbes Jahr keinen Sex mehr hatte. Damit meine ich nicht, dass ich den Akt gleich vollziehen würde, sondern, dass ich zu mindestens fummeln würde. Ich gebe zu, dass ich auch knutschen wollen würde. Naja…und wenn ich schon dabei bin…oder doch lieber nicht? Mensch, ich bin heute aber auch ein wenig hin und her gerissen. Engelchen links und Teufelchen rechts…bei Gelegenheit vögeln oder nicht? Eigentlich ist das nicht meine Schiene. Richtig guten geilen Sex gibt’s eh erst, wenn man sich näher kennt und sich Stück für Stück abgetastet hat. Ach Lander, du bist schon ne arme Sau, denn ich komme mir vor wie kastriert: das Verlangen ist da, aber nichts geht.

Nach dem Seifen kommt das Peeling mit Olivenöl und Zucker an die Reihe, denn das macht eine seidenweiche Haut (falls „irgendjemand“ heute auf die Idee kommt, mich berühren zu wollen). Jetzt noch Muschi und Achseln rasieren (Beine nicht – ist schließlich Winter), Haare waschen und dann raus aus der Dusche. Danach kommt die Kokosmilch zum Einsatz. Ich werde zwar nicht gleich zur Aphrodite, aber scharf riechen tue ich schon mal. Die Creme erinnert mich immer an Urlaub, das kann doch für einen Mann nur betörend sein, gell? Es sei denn, er hat ne Kokosallergie…aber dagegen bin ich auch gefeit – Vanille riecht genauso geil und die steht auch im Schrank. So…und nun das schwierigste Unterfangen für heute Abend…meine Haare in Form bringen.

Manch einer mag denken – na, bei fünf Zentimetern Länge dürfte das ja kein Problem sein…ABSOLUT FALSCH. Bei langen Haaren fällt es nicht gleich auf, wenn eins nicht da liegt, wo es liegen soll…aber bei kurzen Haaren sieht es selbst ein Blinder…bilde ich mir jedenfalls immer so ein. Ich ticke auch regelmäßig aus, wenn ich mich gestylt habe, die Friese top liegt und es jemand wagt, mir ins Haar zu gehen. Der einzige Moment, wann es mir echt scheiß egal ist, ist beim Vögeln… dann kann man auf meinem Schädel ein Vogelnest bauen und mir ist es Latte. Nun aber mal wieder zum Wesentlichen…dem heutigen Abend.

Ich klatsche mir den Festiger auf die Schädelplatte und beginne zu föhnen, wobei ich nach dreißig Sekunden schon dem Wahnsinn nahe bin. Warum, warum, warum, nur kriege ich es nie so hin wie ich es will, wenn es wichtig ist, dass ich gut aussehe verfluchter Hurenschleim? Das kann doch wohl nicht wahr sein. Vielleicht liegt`s ja an den Hormonen…soll angeblich ausschlaggebend für die Frisur sein, wenn der Eisprung grade stattfindet. Meinetwegen können meine Eierstöcke sonst Ping Pong spielen, aber nicht heute Abend! Trocken sind die Haare schon mal, frisieren mache ich nach`m Schminken, folglich ist nun die Pinselei an der Reihe. Erst ein bisserl Puder, damit die ganze Farbe hält und dann geht’s los. Vorsichtig ziehe ich den Kajalstrich mit einer vorgetäuschten ruhigen Hand (links geht’s besser, weil ich dort das Auge komplett schließen kann) und pinsele flugs den Lidschatten drauf. Die Wimperntusche folgt und zack – schön abgerutscht Frau Lander…bis zur Augenbraue hoch…toppi…fuck. Den ganzen Scheiß wieder runter und neu gemacht. Der Uhrzeiger rückt auf die 18Uhr zu und ich weiß, dass ich noch Zeit habe…trotzdem werde ich fickerig und bekomme nur mit Mühe das rechte Auge sauber hin. Nochmals die Wimperntusche druff und jut ist. Ich begutachte mein Werk im Spiegel und bin sehr zufrieden. Smokey Eyes wären wohl etwas übertrieben für heute Abend, jedoch betont der grüne Lidschatten meine riesigen Glotzbommeln vorteilhaft. Das ist schon mal geschafft. Und nun zu den Haaren…nichts zu viel Wachs ermahne ich mich selbst, sonst klatscht die ganze Friese in sich zusammen und ich seh aus wie ein begossener Pudel. Vorsichtig nehme ich mir eine kleine Menge Wachs und etwas Mousse, verreibe alles in den Händen, beuge mich vorne über und verteile es im Haaransatz. Schön optimistisch bleiben Lander, du schaffst das.

Ich komme wieder hoch, schaue entsetzt in den Spiegel und denke mir: das wird heute, hier und jetzt so nie was. Mensch reiß dich zusammen du blöde Kuh, rede ich mir ins Gewissen. Das kann doch nicht so schwer sein, schaffe ich sonst schließlich auch. Daher mache ich mich daran, aus einer Spielwiese einen englischen Rasen auf meinem Schädel zu kreieren. Zupf hier, zieh da, nochmals ein wenig Mousse zwischen den Fingern verreiben und nach weiteren zehn Minuten bin ich wenigstens einigermaßen zufrieden mit mir und haue mir nen Pfund Haarlack rein. Soll den ganzen Abend halten und nicht nur den halben…also zur Sicherheit noch etwas sprühen. Geschafft…ich blicke mich im Spiegel an und finde mich gar nicht so unattraktiv, wenn ich das mal so sagen darf. Wenn ich könnte, würde ich mich selbst ficken. Es ist viertel nach sechs und ich begebe mich ins Schlafzimmer, um in meine vorzeigbare Montur zu steigen.

Auch wenn ich ahne, dass sie heute keiner zu Gesicht bekommt, so ziehe ich mir doch eine meiner schönsten Unterwäsche an, nur um das Bild der Perfektion abzurunden. Hinein in die Jeans, Gürtel drum, Socken an und Bluse richtig zuknöpfen. Lieber den oberen Knopf auflassen oder wirkt das zu billig? Man sieht dann aber wenigstens ein A-Körbchen Dekolletè und das wenige, was ich habe, kann ich zu mindestens mal zeigen. Also…auflassen, beschließe ich. Die Kette hält es noch etwas zusammen, insofern mache ich keinen Kopp mehr darum. Jetzt noch die Stiefel und ab vor den Spiegel…hm…ich wende mich hin und her…gar keinen schlechten Arsch in der Jeans Frau Lander, lobe ich mein Hinterteil gedanklich. Wenn die Haare schon nicht so richtig liegen, sieht wenigstens der Arsch gut aus. Aber welche der beiden Sachen sieht er heute wohl öfter? Keinen Depri kurz vorm Treffen wegen der Frisur Ann-Kathrin, schließlich…nobody is perfect!

Mit diesen Gedanken verlasse ich das Schlafzimmer, schwinge den Mantel über und schnappe mir meine Tasche. Es ist halb sieben, ich habe also noch genug Zeit, um in Ruhe hin zu fahren und vorher noch eine zu paffen. Ich hole das Auto aus der Garage, suche mir nen schönen Sender und flitze los.

18.44 Uhr zeigt die Uhr im Auto als ich ankam. Irgendwie ist mir schwindelig, als ich das Auto parke. Habe ich auf dem Weg hierher überhaupt geatmet? Wie bin ich überhaupt bis hier gekommen? Habe ich was gegessen heute? Fragen über Fragen in meinem Kopp, die ich aus unerfindlichen Gründen grade nicht beantworten kann. Das Einzige, was ich spüre, ist mein wunder Pavianhintern und das Grummeln im Unterleib. Ich sende innig ein Stoßgebet zum lieben Gott, dass die Scheißerei sich in den nächsten Stunden doch auf ein Minimum reduzieren möchte. Wie in Trance mit einem Herzschlag von gefühlten tausend Takten steige ich aus dem Auto, schließe es ab (wenigstens denke ich daran noch) und gehe los. Bevor ich um die Ecke biege, schiebe ich mir noch schnell ne Fluppe in den Rachen und schaue nervös auf die Uhr…viertel vor sieben…ich bleibe stehen und nehme hastig zwei Züge hintereinander. Vielleicht ist es besser, einfach umzudrehen und abzuhauen?


Braunschweig via Paris

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