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Ja-Wort ohne Verwandtschaft

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Im Juni 1952, nachdem Michail zahlreiche andere Verehrer ausgestochen hatte, wurden sie ein Paar, und ein Jahr später beschlossen sie zu heiraten. „Es war eine Studentenhochzeit. Einige Mädchen aus ihrer Gruppe kamen, dann meine Jungs – das war nichts Großes.“13 Weder Michails noch Raissas Eltern waren bei der Vermählung dabei. Wo hätten sie auch übernachten sollen? Das Wohnheim kam nicht infrage, und Hotels waren in Moskau nur schwer zu bekommen und zu teuer. Dennoch musste der Verlobte, um die Hochzeit zu finanzieren, Geld verdienen. Daher reiste er in den Sommerferien 1953 in die Heimat, um wieder mit dem vertrauten Mähdrescher auf dem Feld zu arbeiten und seine Eltern in die Hochzeitspläne einzuweihen.

Parallel allerdings absolvierte er ein dreimonatiges Praktikum bei der Staatsanwaltschaft von Molotowskoje. Allein die physische Kraft, die er in jenen Monaten aufbrachte, ist bemerkenswert. „Ich bin bis zu 20 Stunden auf den Beinen“, schrieb er in einem Brief an Raissa, in welchem er ihr von seinem Alltag auf dem Feld und in der Staatsanwaltschaft berichtete. Über das Praktikum verliert er dabei keine guten Worte: Leere, Langeweile, überhebliche Vorgesetzte, die keine Autorität ausstrahlen. Sein vernichtendes Urteil lautet: „Die Atmosphäre hier ist deprimierend.“14 Offenbar war diese Praktikumserfahrung das erste Warnsignal, dass der Beruf des Juristen für ihn nicht der richtige sein könnte. Doch jetzt ging es erst einmal darum, mit dem Studium weiterzumachen und vor allem das Geld für die bevorstehende Hochzeit zusammenzubekommen.


6 Michail Gorbatschow und Raissa Titarenko vor ihrer Hochzeit 1953

Ich verdiente 1 000 Rubel! In der damaligen Zeit war das viel. Das waren zehn Doppelzentner Getreide, Weizen und so weiter. Ich kaufte mir den ersten richtigen Anzug in meinem Leben, einen dunkelblauen. Auf dem Weg zur Universität lag eine tolle Nähwerkstatt. Dort wurde er gefertigt. Für Raissa kauften wir weißen Chiffon-Stoff, und wir ließen daraus das Hochzeitskleid herstellen. Für Schuhe aber reichte das Geld nicht. Und so waren wir gezwungen, diese bei einer Freundin zu leihen. Es waren weiße Schuhe.15

Auch Raissa fuhr im Sommer 1953 heim. Ihre Eltern lebten in Baschkirien, etwa 1 500 Kilometer östlich von Moskau, nahe der Grenze zu Kasachstan. „Aber ihren Eltern sagte sie nichts von der bevorstehenden Hochzeit“, so Gorbatschows Version, während seine Frau berichtet, diese seien immerhin „im letzten Moment“ in Kenntnis gesetzt worden.16 Am 25. September 1953 jedenfalls heiraten Michail und Raissa standesamtlich; die Hochzeitsfeier im Studentenwohnheim legen sie auf den 7. November, den damals größten Feiertag in der Sowjetunion zu Ehren der sogenannten Großen Oktoberrevolution von 1917.

Kurz darauf zogen Michail, Raissa und viele andere Kommilitonen um, da ein neues Wohnheim bezugsfertig wurde. Im Oktober 1953, also nach der standesamtlichen Hochzeit, fand die Einweihung des Gebäudes auf den Lenin-Bergen statt. „Die älteren Semester der geisteswissenschaftlichen und der naturwissenschaftlichen Fächer wurden dorthin verlegt. Es wurde ‚Das Adelsnest‘ genannt.“17 Gorbatschow verwendet die alte Bezeichnung „Lenin-Berge“, die seit 1999 wieder „Sperlingsberge“ heißen. Sie gehören zu den schönsten Plätzen Moskaus und bieten einen herrlichen Ausblick auf die Stadt.

Hier liegt ebenfalls das imposante Hauptgebäude der Lomonossow-Universität, das als Stalinbau im Zuckerbäcker-Stil zu den sogenannten „Sieben Schwestern“ Moskaus gehört. Es wurde einen Monat vor dem neuen Studentenwohnheim feierlich eingeweiht. Mit seinen 182 Metern – die Stahlspitze nicht eingerechnet – ist es 25 Meter höher als der Kölner Dom und war lange das höchste Gebäude Europas. Michail und Raissa Gorbatschow(a) gehörten zu den ersten Studenten, die dort ein- und ausgingen, wenn sich ihre jeweiligen Fakultäten auch weiterhin im alten Universitätsgebäude gegenüber dem Kreml befanden.

„Adelsnest“ hieß das neue Wohnheim deshalb, weil es sehr viel komfortabler war als das frühere Wohnheim an der Stromynka. Hier waren auch die Besuchszeiten nicht mehr so streng geregelt. Entsprechend erklärt Michail Gorbatschow: „Erst als wir dorthin umgezogen waren, wurden wir zu Mann und Frau.18

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