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Mods, Rocker, Quadrophenia – Südenglands Küste

Bei schwachen Winden segelten wir weiter um die Kaps von Dungeness und Beachy Head. Letzteres wird markiert durch einen alten Leuchtturm, fast unscheinbar klein steht er vor einer beeindruckend hohen Felskulisse, den sogenannten Seven Sisters, sieben mächtigen Kreidefelsformationen östlich von Brighton.

Ich stand schon einmal dort oben an der Kante und schaute ehrfurchtsvoll hinunter auf eine aufgewühlte See. 1983 fuhr ein Professor der Uni Brighton meinen alten Freund Ecki und mich an einem kühlen Frühlingstag durch diese Gegend. Wir waren auf Spurensuche für eine Rockoper, eine Piratenoper, in der es auch damals schon um die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer, die Weite der Meere und den Zauber der Karibik ging.

Seven Sisters, Piraten, Brighton, Mods own country. Erinnerungen flogen durch meinen Kopf und eine Zeile aus dem Song “Love reign o´er me” kam mir in den Sinn: „Only love can make it rain the way the beach is kissed by the sea“. Der Song stammt aus der Rockoper Quadrophenia der Band The Who. Der gleichnamige Film wurde vor genau dieser atemberaubenden Kulisse gedreht.

Die englische Kanalküste schien Balu Glück zu bringen. Der Solent zwischen der Isle of Wight und Hampshire begrüßte uns mit einer Armada weißer Segel. Endlich verbrachten wir im Schutze der großen Insel auch unsere erste Nacht vor Anker. Ein Besuch in Cowes machte uns aber noch einmal klar, wie exklusiv diese Gegend ist. Für ein kurzes Anlegen mussten wir fünf englische Pfund an den Hafenmeister berappen.

Der Needles Chanel am Westende der Isle of Wight war ruppig und die Strömung äußerst stark, doch nur einen Tagestörn weiter, in der Swanage Bay, ankerte Balu wieder wie in Abrahams Schoß auf acht Metern Wassertiefe und war von Nord bis Südwest geschützt. Sogar die Heilsarmee spielte an der Uferpromenade der Kleinstadt Swanage, als wir beim Landfall unser Dinghi den Strand hochzogen. Natürlich taten sie das nur für uns!

Die Götter blieben Balu und ihrer Mannschaft auch in den nächsten Tagen gnädig. Blauer Himmel, mäßige, nördliche, also ablandige Winde, kaum Welle. Das Segeln vor dieser Küste machte Spaß und brachte uns mit großen Schritten unserem Etappenziel Cornwall näher.


Beachy Head

Bordtagebuch Montag 26.Juli – „Devon ist für mich einer der schönsten Flecken Englands. Die kleinen Flussmündungen westlich von Torquay, der River Dart, der Salcombe River und der River Yealm, sind allesamt so schön, dass man an ihnen nicht vorbeisegeln sollte. Die Ortschaften in den Estuaries sehen aus wie aus einem Märchenbuch. Vor vielen Jahren durfte ich diese Gegend mit dem Fahrrad erkunden und hatte mir schon damals fest vorgenommen, irgendwann einmal mit dem Boot hierher zu kommen.

Seit sechs Uhr in der Frühe unterwegs, trägt der leichte Wind uns immer weiter nach Westen. Als das Frühstück gerade im Cockpit aufgebaut ist, meldet sich ein Segler auf Kanal 16 und fragt den Mann der Küstenwache: „Would you please give us a radio-check“? Eine seriöse Herrenstimme antwortet: “I can hear you loud and clear“. Na gut, funktioniert doch! Das wollen wir natürlich auch und fragen ebenfalls nach unserer Funkverbindung. Klappt auch prima! Nach uns gibt es dann kein Halten mehr. Skipper auf Skipper erfragt den Empfang auf UKW. Das geht so lange gut, bis eine harsche Frauenstimme mahnt, die Funkdisziplin auf dem Anruf- und Notkanal möge doch bitte eingehalten werden.

Es wird ein schöner und langer Sommertag auf See. Vielleicht der schönste unserer bisherigen Reise. Zur Bill of Portland, der großen Halbinsel bei Weymouth, halten wir respektvollen Abstand. Bis zu sieben Knoten Strom können hier direkt unter Land entstehen. In der Seekarte sind Races eingetragen, brandende Wellen. Die Küstenlinie von Dorset verschwindet bald hinter dem Horizont, als sich die Lyme Bay an Steuerbord öffnet.“

Nach einem 70 Meilen Tagestörn erreichten wir im letzten Abendlicht die Einfahrt des River Dart. Hoch ragten die Felsen an beiden Seiten der engen Einfahrt in den Estuary, an den Hängen standen wunderschöne Häuser. Ein paar Meilen stromaufwärts fanden wir direkt vor der Stadtmitte von Dartmouth einen guten Ankerplatz.

Wir mussten bald lernen, dass man dort besser genügend Abstand zu den anderen Sportbooten hält. Wenn die Tide kippt, kann es auf dem schmalen Ankerfeld schon mal sehr eng werden. Gleich am nächsten Tag fochten wir ein kleines, wenn auch harmloses Techtelmechtel mit der Besatzung eines einheimischen Motorbootes aus, das vor gefühlten 100m Ankerkette lag und einen riesigen Schwoikreis für sich beanspruchte. Nachdem sich unsere beiden Boote fast touchierten, wurden wir aufgefordert, den Platz zu wechseln. Nach unserem Insistieren beriefen sie sich auf Ihre älteren Rechte. „We’re locals“, tönte es da etwas bollernd aus einer plötzlich gar nicht mehr so emotionslosen stiff upper lip.

Auch hier konnten wir nicht kostenlos liegen. Für das Ankern im Fluss wurde eine Gebühr von immerhin 4,20 Pfund erhoben. Für einen Normalverdiener vielleicht ein Taschengeld, war eine Gebühr fürs Ankern eine in unserer Planung nicht einkalkulierte Aufwendung. Ein Angestellter der Hafenverwaltung fuhr am frühen Abend mit einem Boot herum, kassierte den Obolus und entschuldigte sich prompt in aller Höflichkeit dafür. Er sei ja früher auch... und so weiter! Segeln in Südengland ist und bleibt eine teure Angelegenheit, das wussten wir nicht erst, seit wir in Lymington 25 Pfund für eine Nacht an einem rostigen Steg bezahlen sollten. 25 Pfund oder 37,50€, das waren immerhin einmal 74 DM!

Duschen und Toiletten fanden wir im kleinen Stadtpark, den King–Soundso–Memorial-Gardens, einem kleinen Botanischen Garten mit vielen wunderschönen, subtropischen Pflanzen und von älteren Herrschaften in Andenken an ihre verstorbenen Angehörigen gestifteten Holzbänken. Gleich am Flussufer lockten Biergärten und alte Pubs, auf ein Pint einzukehren.

Im River Dart warteten wir auf Lothar, unseren Freund und Mitsegler nach Spanien. Es war mehr ein aktives Warten, denn Langeweile oder gar Müßiggang kam zu keiner Zeit auf. Unser Motor zog trotz der neuen Dieselleitungen immer noch Luft, das Loggen-Rädchen aus Emden passte nicht und die GPS-Tochteranzeige machte, was sie wollte. Es war zum Verzweifeln. Als Lothar an Bord kam, zog er einen riesigen Serrano-Schinken aus seinem Seesack, ebenso ein weiteres Loggen-Rädchen und eine Ersatz-Tochter. Die Stimmung stieg augenblicklich und alles wurde erst einmal auf seine Güte getestet, ganz besonders natürlich der riesige Schinken. Die Logge war in Ordnung. Das Tochtergerät jedoch brachte keine Verbesserung, so dass Maret mit ihren feinen Goldschmiedefingern so lange im Gewirr dünnster und bunter Drähtchen herumprüfte und bastelte, bis sie endlich den Fehler gefunden und behoben hatte. Während dessen schraubte ich mit Lothars Unterstützung weiter an der Kraftstoffanlage unseres Motors, leider jedoch ohne bahnbrechenden Erfolg. Gegen den Schraubfrust hobelten wir bei Zeiten immer wieder am spanischen Schinken und zogen am Abend durch die nette Altstadt von Dartmouth.


Lothar flickt das Dieselleck

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