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2014 - Oase Wahi - Die Bestrafung

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Rayan blickte überrascht auf, als Hanif nach einer halben Stunde nochmals zu ihm ins Zelt kam. Er hatte seine gute Laune wieder gefunden, nachdem er eine so zufriedenstellende Lösung für das Problem mit ihren beiden unerwarteten Gästen gefunden hatte.

Mit ein wenig Glück würden sie in sechs Tagen in Alessia sein, wo sie beide, den Händler und die Frau, loswerden würden. Hoffentlich ohne dass je ein anderer als sie drei wussten, dass „Hassan“ in Wirklichkeit kein Mann war.

Und dann seine Idee mit der Behinderung. Eine gute Ausrede für ihre fehlenden Sprachkenntnisse, aber noch wichtiger war: Es würde ihren Stolz ankratzen, da war er sich sicher.

Er saß wieder über seinen Plänen, aber er ertappte sich dabei, dass seine Gedanken zu dieser unglaublichen Frau abschweiften.

So hatte er den Wortwechsel mit Hanif fast vergessen, er hatte angenommen, dass sein Reiterführer gemerkt habe, dass er aufgrund der guten Lösung nicht mehr wütend auf ihn war.

„Ich bin gekommen, Herr, wie ihr befohlen habt, um meine Strafe in Empfang zu nehmen“ und er kniete sich vor Rayan hin.

Der Scheich war verlegen. Er hatte sich, entgegen seiner ursprünglichen Vorsätze, doch zu einer unfairen Äußerung hinreißen lassen, die er nun bereute. Er wollte Hanif nicht bestrafen.

Manchmal war das Leben ganz schön kompliziert!

Und so forderte er Hanif auf, aufzustehen. „Hanif, bitte! Wir haben eine gute Lösung für alle gefunden. Es gibt keinen Grund mehr, noch weiter auf dieser albernen Diskussion herumzureiten. Lass es uns einfach vergessen. Ich muss mich bei DIR entschuldigen! Ich hätte wegen dieser dummen Geschichte nicht deine Loyalität anzweifeln dürfen. Es tut mir leid.“

Doch wenn Hanifs Stolz verletzt war, dann war er absolut uneinsichtig, das wäre ihnen vor 13 Jahren schon einmal fast zum Verhängnis geworden.

Und so stand er zwar auf, wie ihm geheißen war, doch er sagte steif: „Jassim hat meine Respektlosigkeit mitbekommen. Jeden der Männer würden wir dafür auspeitschen. Ich will nicht, dass für mich eine Ausnahme gemacht wird. Das würde unsere Regeln brechen und mich als Anführer unglaubwürdig machen.“

Rayan musste sich bemühen, nicht den Mund offen stehen zu lassen. Die Sturheit von Hanif war wirklich unglaublich. Er hatte sich gerade bei ihm entschuldigt! Er hatte sich in seinem Leben noch nicht oft bei irgendwem entschuldigt.

Er sah in Hanif seinen Freund und Berater. Würde er ihn nun auspeitschen, würde das einen tiefen Riss in ihre so mühsam erarbeitete Freundschaft reißen.

Andererseits würde Hanif nie nachgeben, wenn er sich nicht etwas einfallen lassen würde. Dann hatte er eine Idee.

„Du beharrst also absolut darauf, dass dieses Vergehen mit der Peitsche bestraft werden muss?“

Hanif nickte stumm.

„Und hältst du fünf Hiebe für ausreichend?“ fragte der Scheich ruhig.

Hanif schluckte, nickte aber.

„Und du wirst die Strafe, die ich dir auferlege, annehmen und danach ist das Thema erledigt?“

Wieder nickte Hanif: „Ja, Herr.“

Nun nickte Rayan. Dann ging er in eine der Ecken des Zeltes und holte seine Peitsche aus seiner Tasche.

Er nahm den kleinen Holzschemel, auf dem er vorhin gesessen hatte, und stellte diesen in die Mitte des Zeltes.

Hanif kam näher und wollte sein Gewand ausziehen. Doch Rayan hielt ihn zurück. Stattdessen zog er sein Gewand aus und drückte Hanif die Peitsche in die Hand.

„Fünf Hiebe – von dir auszuführen", sagte er bestimmt.

Hanif stand wie erstarrt mit der Peitsche in der Hand: „Was?“

Rayan lächelte kalt: „Ich habe vorhin nicht gesagt, wer die Hiebe bekommt und wer sie ausführt.“

Und er kniete sich neben dem Stuhl hin und dann mit dem Bauch auf die Sitzfläche des Stuhls.

Hanif rührte sich noch immer nicht.

„Komm, mach es nicht schwerer als es ist und fang an“, forderte Rayan ihn auf.

Aber Hanif starrte auf den grausam entstellten Rücken Rayans. Er wusste um das Jugenderlebnis seines Herrn und war einer der wenigen, die je seinen bloßen Rücken zu sehen bekommen hatten. Die Männer seines eigenen Vaters - Scheich Sedat Suekran al Medina y Nayran - hatten ihn damals fast zu Tode gepeitscht. Da war er gerade einmal 15 Jahre alt gewesen.

Das hatte Hanif nicht gewusst, als er Rayan 2001 kennen gelernt hatte. Sedat hatte ihn nach dem Tode seines eigenen Vaters seiner angenommen und war daher Hanifs großes Vorbild, auf das er stolz war.

Er hatte ihn für arrogant gehalten, weil dieser seinen Vater wie einen Fremden behandelte.

Als er sich dann Rayan zur Treue verpflichtet hatte, hatte er sich zunächst gewundert, warum dieser stets darauf bedacht war, dass ihn niemand ohne Hemd sah. Er hatte nicht den Eindruck, dass sein Herr schüchtern war. Dann war er eines Tages unverhofft sehr früh morgens an den Brunnen gekommen und hatte den Rücken gesehen. Er konnte einfach nur starren. Rayan hatte geseufzt und gemeint: „Schöne Erinnerung an meinen Vater, nicht wahr? Nun weißt du es also …“

Und Hanif hatte auf einmal so Vieles verstanden.

Er hatte sich damals geschworen, er würde nie wieder zulassen, dass jemand Rayan etwas Derartiges antat. Und nun sollte er …?

Hanif fühlte, wie ihm schlecht wurde. Sich zum zweiten Mal an diesem Tag einem Befehl zu widersetzen, kam nicht infrage.

Das hatte er nun von seinem verdammten Stolz! Sein Herr hatte ihn ausgetrickst und mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Er war ehrlich genug, zu erkennen, dass er Rayan jeden einzelnen Hieb, den er bekommen hätte, für immer nachtragen würde.

Seine Augen füllten sich mit Tränen. Er war inzwischen 37 Jahre alt und konnte sich nicht erinnern, wann er in den letzten 13 Jahren, seit denen er Rayan kannte, jemals geweint hätte.

Doch als er die fünf Hiebe ausführte, rannen ihm Tränen die Wangen hinunter.

Rayan gab bei keinem der Hiebe auch nur einen Laut von sich.

Danach saßen beide lange einfach schweigend da. Es waren keine weiteren Worte notwendig.

Jassim, der noch immer mit seinem Stammesbruder zusammen vor der Tür Wache hielt, hörte das Pfeifen der Peitsche und nahm an, dass Hanif für die Szene vorher bestraft wurde – was ja auch stimmte, nur nicht so, wie der Leibwächter sich das gerade vorstellte.

Rayan jedoch wusste, dass Hanif sich beim nächsten Mal genau überlegen würde, ob er nochmals ihm gegenüber so stur sein würde. Er hatte seine Lektion gelernt.

RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4)

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