Читать книгу RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4) - Indira Jackson - Страница 40

2014 - Rub’al Khali - Heldentum

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Der Ritt durch die Wüste zu Pferd mit den Kriegern des Scheichs war kein Vergleich zum langsamen Fortkommen der Karawane vorher. Sie genoss die Bewegungen des Pferdes unter sich, die so ganz anders waren als vorher der wiegende Gang des Kamels.

Der Tag in der Oase und die Übernachtung in dem großen Zelt, das Hanif ihnen zugewiesen hatte, stärkten ihre Kräfte. Nie hätte sie geglaubt, dass man sich über Kleinigkeiten wie ein großes Zelt mit vielen Kissen und Teppichen und Decken derart freuen konnte.

Hatem verriet ihr, dass es offenbar Hanifs eigenes Zelt gewesen war, das er ihnen überlassen hatte, doch als sie ihn bat, sich in ihrem Namen zu bedanken riet er davon ab. Das war das, was die Männer der Wüste als selbstverständlich unter Gastfreundschaft verstanden. Leider bot sich dieser Luxus nur für eine Nacht, für die Weiterreise hatten sie ein kleines Zelt bekommen, welches sie sich zu zweit teilten.

Wenn sie selbst Hanif sah, konnte sie aufgrund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse nicht mit ihm sprechen, schließlich konnte sie ja schlecht öffentlich in Englisch mit ihm reden, doch sie grüßte freundlich.

Doch nach dem zweiten Mal kam Hatem später zu ihr und informierte sie, dass Hanif darum gebeten hatte, dies zu unterlassen. Es passte nicht zu ihrer Rolle.

Als sie daraufhin erstaunt die Augenbrauen hob, fügte Hatem etwas verlegen hinzu, dass er glaube, dass Hanif ihretwegen mit seinem Herrn Ärger bekommen hatte, denn die Männer munkelten, dass seine Laune in den letzten beiden Tagen nicht sehr gut war.

Den Scheich hatte sie schon mehrfach zu Gesicht bekommen. Er war immer präsent und schien überall und nirgends zu sein.

Am zweiten Tag war sie morgens früh aufgewacht, weil sie jemanden leise mit dem Wachposten sprechen hörte, der nicht weit von ihrem Zelt stand.

Als sie verschlafen aus dem Zelt linste, sah sie den Scheich, wie er dem Posten noch einmal zunickte und dann auf sein Pferd stieg und los ritt. Hinaus aus der Senke, in der sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Es war noch dunkel und auch noch lange vor der Zeit zum Fertigmachen für den Aufbruch.

Etwa eine Stunde später kam er erst zurück, aß noch eine Kleinigkeit mit den anderen Männern am Feuer und schon ging es los.

Dieser Prozess wiederholte sich jeden Morgen und auch abends machte er oft diese Kontrollritte.

Manchmal ritt er im Laufe des Tages auch weg von der Gruppe, um dann in einem Bogen aus einer anderen Richtung wieder zu ihnen zu stoßen.

Während Carina dies faszinierte, schienen die Männer daran gewöhnt zu sein.

In ihre Nähe kam der Scheich nie und auch umgekehrt hatte sie keine Chance, näher an ihn heranzukommen.

Vor seinem Zelt standen immer zwei Wachen, die keinerlei Humor zu verstehen schienen und auch sonst sorgten die Männer dafür, dass sie ihn nicht etwa belästigte.

Abends liebten es die Männer, sich zusammenzusetzen und Geschichten zu erzählen. Dabei waren es immer verschiedene Personen, die etwas zum Besten gaben. Hatem übersetzte, wenn dies möglich war, weil niemand neben ihnen saß, oder erzählte ihr im Nachhinein die Handlung. Es war Hanif gewesen, der seine Krieger gebeten hatte, Arabisch zu sprechen, damit die Gäste an den Zusammenkünften teilnehmen konnten.

Carina gewann anhand der Reaktion mancher Zuhörer den Eindruck, dass einige der Geschichten nicht ganz neu waren und Hatem lachte, als er zugab: „Ja das stimmt.“ Es schienen wohl immer wieder die gleichen Männer zu sein, die sich ihrer Heldentaten rühmten. Ein Schwachpunkt, wie er zugeben musste, aber die anderen hörten doch jedes Mal wieder fasziniert zu. Wie sollten sie sich auch sonst die Zeit vertreiben?

So ging es drei Tage lang. Der Scheich saß selbst immer dabei, war aber meist schweigsam und nachdenklich.

Am vierten Tag erreichten sie am frühen Nachmittag eine kleine Oase.

Jeder schien froh, wieder in der Nähe von Wasser zu sein und die Schläuche auffüllen zu können.

Die längere Pause bis zum nächsten Morgen würde Mensch und Tier guttun.

Und so war die Stimmung am Abend etwas ausgelassener als sonst. Nachdem drei der üblichen Männer Geschichten erzählt hatten, forderte die Runde ihren Herrn auf, nun eine seiner Geschichten zu erzählen. Hatem erklärte ihr, dass er gehört hatte, der Scheich sei ein sehr guter Geschichtenerzähler und er würde auch selten die gleichen Erlebnisse beschreiben. Er wäre wohl viel herumgekommen und dachte sich daher meist neue Ereignisse aus.

Carinas Frage, ob diese Geschichten wahr wären oder erfunden, beantwortete Hatem mit einem Lächeln: Das weiß nur Allah. Manche der Männer neigten sicher zum Übertreiben, aber das sei von den anderen auch durchaus gewollt und akzeptiert.

Nun fing der Scheich mit ruhiger Stimme an, aus seiner Vergangenheit zu berichten:

„Manche von Euch mögen meinen, ich sei mit einem goldenen Löffel im Mund geboren. Und ehrlich gesagt stimmt dies auch.“ Er lächelte kurz und die Männer lachten.

„Aber dann ging ich von zuhause fort. Es war Allahs Wunsch, dass ich nicht einfach in die Fußstapfen meines Vaters trete, sondern meinen eigenen Weg fand.“ Er hielt kunstvoll inne.

„Auf diesem Weg habe ich, wie ihr wisst, einiges gesehen und erlebt und vor allem viel gelernt. Am Anfang hatte ich kaum etwas zu essen. Meine Passagen bis in die Stadt musste ich mir mit Arbeiten verdienen, wie Kamele versorgen, sodass ich froh war, mit den Karawanen mitkommen zu dürfen, aber für Nahrung nur selten etwas übrig blieb. Eine Zeitlang habe ich als Wüstenführer für die Amerikaner gearbeitet, von denen ich mir eine große Anzahl Tricks abgeschaut habe.“ Er hielt wieder inne, was einem der Männer Gelegenheit gab, dazwischen zu fragen: „Was habt ihr von ihnen gelernt, Herr?“

Rayan dachte nach: „Waffenkunde, wie man Bomben baut, und eine Kampfkunst, die aus Japan kommt.“ Er griff hinter sich und holte sein Schwert hervor.

„Wie ihr wisst, ist dies kein Schwert, wie man es hier üblicherweise trägt.“ Er zog es ein Stück aus der Scheide heraus. Carina sah, dass es einen schwarzen Griff hatte, etwa eineinhalb Zentimeter breit und gerade war.

Sie war gespannt, welche Geschichte sie nun zu hören kriegen würde - das waren doch alles genau die Informationen, auf die sie gehofft hatte! Besser konnte es kaum werden …

Rayan bat um ein Stück Stoff, welches einer der Männer kurzerhand von seinem Ärmel abriss.

Dann ließ der Scheich den Stoff über die Klinge fallen. Sie schnitt es in zwei Hälften! Offenbar war die Klinge derart scharf, dass sie sogar das lose darauf fallende Gewebe teilte.

Durch die Männer ging ein Raunen. Rayan lächelte.

Gleich mehrere fragten, ob sie das Schwert einmal berühren dürften.

Hier wurde Rayan jedoch ernst. „Dieses Schwert hat eine Seele. Es darf nur von Männern berührt werden, die ihm vorher vorgestellt wurden und die es akzeptiert hat. Sonst wird es entweiht und verliert einen Teil seiner Kräfte. Außer mir fasst dieses Schwert hier nur eine weitere Person an.“ Er legte seine Hand auf Hanifs Schulter, der neben ihm saß: „Euer Reiterführer Hanif.“

Er steckte das Schwert wieder vollständig in die Scheide und reichte es Hanif, der es hinter sie wegpackte.

Die Männer jubelten Hanif zu, der sich stolz aufgerichtet hatte und dem Scheich dankbar zunickte.

„Wie geschickt er sie manipuliert", dachte Carina bei sich.

Die sonst eher schläfrige Stimmung war jetzt fast ehrfürchtig und voller Enthusiasmus.

„Zeig uns noch mehr, Herr", rief einer der Männer.

Rayan überlegte. Dann führte er zwei kurze Bewegungen so schnell hintereinander durch, dass keiner der Anwesenden sicher war, ob er sich überhaupt bewegt hatte.

Doch ein leises „plopp, plopp“ brachte die Männer dazu aufzusehen. Es dauerte einen Moment, bis sie erkannten, was das Geräusch verursacht hatte: In zwei der vier hölzernen Stäbe des Zeltes, in dem sie saßen, steckten zwei silberne Wurfmesser.

„Ich fass‘ es nicht, Messerwerfen kann der Kerl auch noch.“

Und mit welcher Präzession beide Würfe ausgeführt worden waren! Während die Männer ihren Herrn wie einen Helden feierten, rieselte es ihr kalt den Rücken hinunter. Mit dem war wirklich nicht zu scherzen. Wieder hatte sie das Bild des armen Mannes nahe Dubai vor Augen, der für seinen Mordversuch so grausam bezahlt hatte.

Sie beschloss, sich unauffällig zu verziehen und ins Bett zu gehen. Sollten sie ihren „Helden“ doch weiter feiern, sie würde die Zeit besser zum Schlafen nutzen. Irgendwie hatte sie sich heute den ganzen Tag auch nicht wirklich gut gefühlt. Sie hatte Bauchschmerzen gehabt, was sie auf das Wasser zurückgeführt hatte.

RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4)

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