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Die letzte Reitstunde im Nobelstall

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Wie gewohnt, führte ein Lehrling ein Pferd in die Bahn. Es war Freya, die große Fuchsstute, die ich schon kannte. Was war mit ihr geschehen? Ihr Fell hatte überall haarlose kreisrunde Löcher. Seltsam fand ich das schon. Heute weiß ich, dass die Stute Pilz hatte. Damals bekam ich lediglich die Anweisung, kein anderes Pferd anzufassen und nach dem Reiten meine Hände zu desinfizieren.

Die Stunde begann ganz manierlich. Aber nach etwa einer halben Stunde wurde meine Fuchsstute warm, ihr Fell schien zu jucken. Plötzlich beobachtete ich wieder dieses Augenrollen, das kannte ich schon! Gewitter? Nein, strahlender Sonnenschein. Aus heiterem Himmel begann mein Pferd plötzlich zu bocken. „Reiten Sie doch vorwärts", erscholl die Stimme des Reitlehrers. „Können vor Lachen“, fuhr mir durch den Kopf. Ohne Rücksicht auf ihre Reiterin versuchte Freya, sich an der Bande zu scheuern. Zunächst verlief die Übung im Trab, dann im Galopp. Ich schoss von einem Hallenende zum anderen.

Nach und nach verließen die anderen Reiter teils zu Fuß, teils auf dem Pferd sitzend, die Reithalle. Ich war also wieder allein -– wenn auch diesmal nicht ganz. Der Reitlehrer saß auf der sicheren Tribüne ….. Au! Schon wieder ein Stoß ins Kreuz. Plötzlich saß ich vor dem Sattel. Irritiert hielt die Stute kurz an. Ich setzte mich wieder dahin, wo ich hingehörte. Doch wieder begann Freya zu buckeln und war mittlerweile über und über mit weißem Schaum bedeckt. Nun versuchte die Stute, mich an der Bande abzustreifen. Jetzt hatte ich die Nase gestrichen voll. Ich wartete nur ab, dass sich die Stute in Richtung Hallenmitte drehte, und ließ mich runterfallen. Der Reitlehrer brüllte: „So geht das nicht!“ Das wusste ich auch.

Nachdem Freya ihre Reiterin los war, raste sie wie von Furien getrieben auf die Bande zu, Scheuern an der Bande, von der Bande weg. Panik, Panik nicht nur beim Pferd, anscheinend auch beim Reitlehrer: „Fangen Sie Ihr Pferd ein“, forderte er mich von der Tribüne aus auf. Freya ließ sich weder beruhigen noch einfangen. Auch dass ein mutiger Lehrling mit einem Hafereimer in die Reithalle stürzte, nützte nichts. Alle Einfangversuche waren umsonst. Irgendjemand öffnete das Hallentor. Dort im Hof hatte man in Windeseile eine Gasse aus Strohballen gelegt. Durch diese Gasse lief das Pferd in den Stall.

Kaum war die Stute sicher in der Box, ertönte hinter mir eine Stimme. „Wollen Sie Ihr Pferd nicht trocken reiten?“ „Muss ich das denn?“ fragte ich ganz verschüchtert. „Selbstverständlich“, kam auch prompt die Antwort des Reitlehrers. Selbstverständlich war das für mich zwar nicht, aber in meiner kurzen Reitpraxis hatte ich eins bereits gelernt: Der Reitlehrer hat immer recht.

Voller Angst mit schlotternden Knien saß ich auf einem mit weißem Schaum bedeckten Pferd, ritt Schritt, nichts passierte mehr.

Stolz, so mutig gewesen zu sein, trank ich im Reiterstübchen mein verdientes Bier und erwartete vom Reitlehrer ein dickes Lob für meine Tapferkeit. Der aber öffnete den Mund und sagte nur einen Satz: "Sie lernen das Reiten nie, Sie haben ja Angst“. Was hörte ich da?! In mir brach eine Welt zusammen.

Ich ließ meine restlichen vier oder fünf Reitstunden verfallen. verfallen.


Pferdemanie - Geschichten von Pferdemenschen für Pferdemenschen, Hrsg. Christian Behrens, Pferdoman Verlag, 2010

Erzähl mir nichts vom Pferd, Geschichten einer Pferdenärrin, Manuela Kinzel Verlag, Göppingen, 1. Aufl. 2012, 2. Aufl. 2012, 3. Aufl.

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