Читать книгу Ach, du grüne Neune! - Inge Helm - Страница 10
Mich laust der Affe
ОглавлениеMann, ist das langweilig«, mault Christoph, »jeden Sonntag im Park spazieren gehen.«
Ich kann das verstehen, aber Vio ist noch ein Baby. Sie liegt im großen Kinderwagen und braucht dringend frische Luft.
Dann habe ich eine glänzende Idee. »Wir fahren heute mal in den Zoo!«
»Hurra«, brüllen Christoph und Corinna.
»Auch das noch«, mault jetzt ihr Vater. Er muss nämlich immer den ganzen Kinderwagen auseinander nehmen und im Auto verstauen.
Im Zoo baut er dann alles wieder zusammen, und nachdem er Eintritt bezahlt hat – »im Park wäre die frische Luft umsonst gewesen« –, schieben wir los. Gleich hinter dem Eingang befinden sich die Meerschweinchen. Christoph und Corinna stürzen begeistert hin. Lauter Verwandte von ihrem Fritzchen zu Hause.
»Gott, sind die süß, und so viele! Warum haben wir nur eins, Mami?«
Aber sie warten die Antwort gar nicht erst ab, denn sie entdecken die weißen Mäuse. So eine wollen sie auch haben. Ich protestiere, sie quengeln, sie heulen.
»Entweder eine weiße Maus oder ich«, drohe ich schließlich.
Aber bevor sie sich für die weiße Maus entscheiden, erklärt ihr Vater energisch, er wolle die Mami behalten.
»Und ihr wollt doch sicher nicht ins Waisenhaus, oder?«
Nee, das wollen sie nicht, sie gehen dann zur Oma. Aber die mag auch keine Mäuse. Also müssen sie leider doch mich behalten.
»Seht mal die Löwen!« Sie winken ab, die kennen sie schon, und der »schielichte« Löwe aus »Daktari« hat ihnen viel besser gefallen. Der ließ sich anfassen, und auf dem sind die Fernsehleute geritten. Die Schimpansen, Kamele, Zebras und Elefanten sind ihnen ebenfalls nicht fremd, dank dem Fernsehen. Aber das Nilpferd …! Das schiebt jedoch leider nur sein Riesenmaul aus dem Wasser, sonst ist überhaupt nichts von ihm zu sehen. Da, endlich! Der Tiger ist ihnen neu. Corinna fragt: »Warum ist der Löwe denn gestreift?«
»Das ist ein Königstiger«, kann ihr Vater sie belehren.
»Majestät«, verbeugt sich da seine Tochter tief vor dem Käfig, und die Leute lachen.
Und dann hat Christoph einen Süßigkeitenautomaten entdeckt und möchte sich gerne etwas ziehen. Geld rein, Knopf drücken, Schokolade fällt in Spalt, sagenhaft interessant!
An der Affeninsel fallen ihnen nur die roten Popos der Paviane ins Auge: »Muss der Wärter mal mit Creme und Puder ran, wie du bei Vio«, konstatiert Christoph kurz und zieht bereits zur Eisbude. Vaters Geldbeutel hat schon ein Loch, und meine Hacken haben Blasen. Leider kommen wir auf dem Weg zu den Seehunden an einem Spielplatz vorbei.
»Seht mal, ’ne richtige Lok, und die Riesenrutschbahn!«
Die Freude wird auch kein bisschen dadurch getrübt, dass man vor Kindern kaum treten kann und sich nach einer rasanten Rutschpartie wieder ganz hinten am Ende der Riesenschlange geduldig anstellen muss.
Auf einmal hören wir vom nahen Seehundbecken Klatschen und Lachen. Mit dem Ruf »Die Fütterung geht los« können wir die beiden dann endlich mitziehen.
Das Seehundbecken ist von einer dichten Menschenmauer umgeben, und außer heftigen Wassergeräuschen und Ahs und Ohs der Besucher ist nichts zu erkennen. Als der Vater für seinen Nachwuchs endlich eine Lücke durch die Mauer geboxt hat, ist der gar nicht interessiert, sondern füttert mit Hingabe auf dem Weg herumhüpfende Spatzen mit dem Rest der Eiswaffeln. Enttäuscht wendet sich der Erzeuger mir zu: »Das hätten wir im Stadtpark alles umsonst gehabt.«
Wir gehen weiter, und plötzlich fliegt ein großer Vogel ganz dicht über unsere Köpfe hinweg und kommt im Tiefflug noch einmal zurück. Er hat rote Beine und einen langen roten Schnabel.
»Ein Klapperstorch«, ruft Corinna entzückt, und ich komme vor Schreck vom rechten Weg ab und lande mit dem Kinderwagen im Gebüsch.
»Na, Mütterchen«, grinst der Vater und hilft mir wieder heraus, »haste Angst, dass dich der Storch schon wieder ins Bein beißt?«
»So ’n Quatsch«, sagt Christoph, »ein Vogel hat doch keine Zähne.«
Im Zoo-Café wollen wir uns vor der Heimfahrt ein wenig erholen. Christoph muss mal dringend wohin, der Vater begleitet ihn, und ich bestelle inzwischen Kaffee, Kakao und Kuchen. Als sie zurückkommen, erschallt die Stimme unseres Sohns durch den ganzen Raum: »Hallo, Mami, ich kann schon wie der Papi im Stehen, toll nicht?«
»Ja, ganz toll«, gebe ich zu und versuche, den Vater nicht anzugrinsen. Dem ist das Ganze furchtbar peinlich. Alle Augen sind amüsiert auf ihn gerichtet, und er schiebt seinen tüchtigen Nachwuchs hastig an unseren Tisch. Ach, tut mir das gut, mal nicht die peinlich berührte Zielscheibe zu sein!
Zu Hause sind wir uns alle einig. Es war ein wunderschöner Sonntagnachmittag. Die Kinder schwärmen noch den ganzen nächsten Tag von den weißen Mäusen, den Meerschweinchen, der Eisbude und vor allen Dingen davon, dass Christoph jetzt fast ein richtiger Mann ist … im Stehen! Er ist noch immer überwältigt.
Ich hingegen fasse unsere Erfahrungen folgendermaßen zusammen: Man nehme einen Spielplatz, am besten mit Lokomotive, einer Rutsche und einem Sandkasten, setze ein paar Meerschweinchen, weiße Mäuse, Spatzen und eventuell einen Storch dazu, mische noch eine Eisbude und zwei Schokoladenautomaten darunter, und – voilà! hat man den schönsten Kinderzoo, den man sich denken kann. Elefanten, Löwen, Tiger und Affen sind völlig überflüssig, die kennen sie ja aus dem Fernsehen.