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Ein problemloses Einzelkind

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Tante Anita, die jüngste Tochter der Oma und meine Schwester, hat ein kleines Mädchen, Dagmar, dreijährig wie Viola, jedoch Einzelkind.

Arme Dagmar, sagen meine drei. Auf der anderen Seite beneiden sie aber auch ihre Kusine, denn die braucht nicht zu teilen; nicht die Mutter, nicht die Oma, und auch die Geschenke und Spielsachen nicht. Glückliche Dagmar, sagen meine drei dann.

Hin und wieder borgt sich Tante Anita die Vio zwecks Kommunikation für ihre Tochter aus. Auch heute. Heute muss Tante Anita eine schwierige schriftliche Arbeit erledigen und kann sich nicht so recht um ihre kleine Tochter kümmern. Mit Vio zusammen wird Dagmar sich nicht langweilen, und die Mutter kann sich dann ungestörter ihrer wichtigen beruflichen Aufgabe widmen. Denkt sie!

Die Sache lässt sich zuerst auch gut an, und Tante Anita kommt zügig voran. Von den Kindern ist nichts zu hören, die spielen sicher schön, und sie geht lieber nicht nachschauen. Schlafende Hunde soll man ja nicht wecken, sagt ein altes Sprichwort!

Das Sprichwort lügt! Nach zwei Stunden absoluter Funkstille im Kinderzimmer will die Tante den artigen kleinen Lieblingen eine kühle Erfrischung in Form von Orangensaft kredenzen. Doch was sie nach Öffnen der Tür sieht, übersteigt ihre Vorstellungskraft und kühnsten Erwartungen, erklärt allerdings gleichzeitig die absolute Ruhe. Die weißen Clowngesichter, die weißen Kleidchen, Spielsachen und Kinderzimmermöbel entpuppen sich nämlich bei näherem Hinsehen als penatencremegeschützt.

»O Gott«, stöhnt Tante Anita, »wie konntet ihr nur so was tun?«

»Och«, sagt Vio, »das ging ganz leicht«, und reicht ihr eine leere Riesendose, eine so genannte Klinikpackung. Hier hat sich der wirtschaftliche Einkauf im Großhandel offensichtlich nicht gelohnt!

Per Draht geht ein dringender Hilferuf an die Oma. Die setzt sich sofort in Marsch. In der Zwischenzeit entkleidet die geschlagene Tante die Missetäterinnen und steckt sie in die Wanne. Die Oma bearbeitet nach ihrer Ankunft die Kleidchen, die Spielsachen und die Möbel. Eines muss man der Creme ja lassen, sie deckt vorzüglich, nicht nur Kinderpopos. Nach zwei Stunden Schrubben ist sie endlich runter von den Sachen; die Farbe allerdings auch.

»Das macht ihr aber nicht noch einmal«, sagt Tante Anita eindringlich und nibbelt die Kinder trocken.

»Nee«, beruhigen die beiden sie wie aus einem Munde, »geht ja gar nicht, die Dose ist doch leer.«

Völlig erschossen setzt sich die zweite Tochter meiner Mutter wieder an die Schreibmaschine. Die Kinder bekommen Buntstifte und Malblöcke und werden ins wieder blinkende Kinderzimmer geschickt. Die Oma begibt sich in die Küche, um einen stärkenden Kaffee zu brauen. Immer wieder horchen die beiden Erwachsenen zur Kinderzimmertür hin. Dem Himmel sei Dank! Es ist nicht ruhig. Dagmar und Viola erzählen und lachen fröhlich.

Erst als sie gemeinsam im Wohnzimmer erscheinen und Dagmar nach ihren Schäufelchen und Eimerchen aus dem Sommerurlaub fragt, wird ihre Mutter nervös. Die Oma erreicht als Erste den Ort der mysteriösen Tätigkeiten und stößt einen verzweifelten Schrei aus. Mitten im Zimmer liegt ein großer Haufen, aber nicht aus Sand, sondern aus Waschpulver. Daneben steht eine leere Riesentonne … auch aus dem Großhandel.

Mit Tränen in den Augen eilt Tante Anita ans Telefon und ruft mich an.

»Bitte«, schluchzt sie, »hol deine Tochter ab, aber schnell, schnell.«

Wer bewahrt schon eine Riesentonne Waschpulver im Kinderzimmer auf? Das bringt doch wohl nur eine ahnungslose Einzelkind-Mutter fertig!

Ach, du grüne Neune!

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