Читать книгу Insel der nackten Frauen - Psychothriller - Ингер Фриманссон - Страница 14

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Die Luft hier oben unter dem Dach war abgestanden und stickig. Schon lange bevor sie das Essen auf den Tellern verteilt hatte, war ihm der Appetit vergangen. Sein Vater saß halb aufgerichtet im Bett, sie hatte ihm Kissen und Decken in den Rücken geschoben und gemeinsam hatten sie ihn unter den Armen gepackt und hochgezogen. Körperausdünstungen stiegen aus dem Bettzeug auf, der Geruch eines kranken und alten Männerkörpers. Sein Vater hatte die Augenbrauen zusammengezogen, die buschig geworden waren. Tobias hatte Ähnliches bei sich festgestellt. Es waren die ersten Anzeichen des Alters. Bei den Haaren war es das Gleiche, er entdeckte einzelne weiße Haare in seinem schwarzen Schopf.

Es gab braune Bohnen und gebratene Fleischwurst. Ob das angesichts der Verdauungsprobleme des Alten die richtige Kost war? Tja. Aber vielleicht brachte es die Maschinerie auch wieder in Gang. Er war draußen gewesen und hatte das Plumpsklo inspiziert, um zu sehen, ob es eine Möglichkeit gab, seinem Vater dorthin zu helfen. Es war sauber und gepflegt, der Boden war mit einem Teppich belegt und an der Wand hing ein vergilbtes Bild der königlichen Familie, das jemand vor langer Zeit aus einer Abendzeitung ausgeschnitten hatte. Die Kinder des Königs waren auf dem Foto noch klein, das jüngste saß auf Silvias Schoß. In einer Ecke standen mehrere Säcke ungelöschten Kalks, der sowohl die Geruchsbildung als auch das Auftauchen von Fliegenlarven verhinderte.

Hier war er also immer hingegangen, um Ruhe zu finden und neue Kraft zu schöpfen, während er in alten Jahrgängen der Zeitschrift Land blätterte. Das hier war seine Oase. Aber mit einem Rollstuhl würde man nie und nimmer dorthin gelangen.

Sabina hatte auf der Brust seines Vaters ein Handtuch ausgebreitet.

»Geht es so?«, fragte sie.

Sie saß mit gebeugtem Rücken am Bett und aus ihrem Zopf hingen zerzaust einzelne Haarsträhnen heraus. Die kleine goldene Berlocke baumelte herab.

»Nimm dir, Tobias!« Sie reichte ihm die Schüssel mit den Bohnen, aber er lehnte dankend ab.

»Hausmannskost!«, sagte sein Vater.

»Ich weiß, aber ich habe keinen großen Hunger.«

»Nicht?« Sein Vater kaute geräuschvoll. »Jedenfalls hat man genug zu essen. Das sollte man nicht gering schätzen.«

Es rumpelte in Adams Zimmer. Sabina stand halb auf, setzte sich dann jedoch wieder, als es gleich wieder still wurde.

»Bekommt er nichts zu essen?«, fragte Carl Sigvard.

»Er hat eben ein paar Brote gegessen. Er hat gesagt, dass er müde ist. Er scheint nicht richtig in Form zu sein.«

»Dieser Hardy«, setzte Tobias an.

Der Alte hielt inne und ließ die Gabel wieder sinken.

»Was ist mit Hardy?«

»Ach, ich weiß nicht.«

»Tobias ist nicht besonders begeistert von Hardy«, sagte Sabina und ein angespannter Zug legte sich um ihren Mund.

Sein Vater warf ihr verstohlen einen Blick zu.

»Es gibt bestimmt niemanden, der von Hardy begeistert ist. Ich habe noch einmal darüber nachgedacht, er hätte wirklich verdammt noch mal mit dem Erschießen warten können, bis wir den Tierarzt geholt hatten.«

»Ich denke schon, dass er die Sache richtig eingeschätzt hat. Er hat uns auch früher schon geholfen.«

»Was ist dieser Hardy eigentlich für ein Typ?«, fragte Tobias.

»Er ist der Sohn von Ann-Mari, falls du dich noch an sie erinnerst. Die mit Gustav zusammen war. Ein großes und üppiges Frauenzimmer, na ja, damals jedenfalls. Erinnerst du dich? Sie ist manchmal hergekommen und uns zur Hand gegangen, wenn deine Mutter Hilfe brauchte. Sie war gut zu gebrauchen, beschlug Pferde wie ein ganzer Mann. Aber als dieser Gustav auf der Bildfläche auftauchte, nun ja, da brachte er ihr auch noch andere Dinge bei, die im Allgemeinen Männer am besten beherrschen.«

»Was denn? Kopulieren?«

Sein Vater sah ihn missbilligend an.

»Alkohol zu trinken! Dem Jungen ist es ziemlich schlecht ergangen. Ich glaube, dass er oft eine Tracht Prügel bekommen hat. Und dann wurde er allmählich erwachsen und fing an, kleinere und später dann auch größere krumme Dinger zu drehen, denn er ist im Gefängnis gewesen und hat vor gar nicht langer Zeit eine Strafe wegen Betrugs abgesessen.«

»Möchtest du etwas Milch?«, unterbrach ihn Sabina und hielt die Karaffe an das Glas seines Vaters.

»Um ehrlich zu sein, ein Bier wäre mir lieber!«

»Das ist bestimmt keine gute Idee, solange du Medikamente nimmst. Die dürfen wir übrigens nicht vergessen. Ich gehe die Schachtel holen.«

Unten in der Küche griff er sie dann an.

»Warum verteidigst du diesen Hardy? Er ist krank. Merkst du das nicht?«

»Tobias«, sagte sie ausweichend.

»Das, was er da mit Adam gemacht hat! Oder besser gesagt Adam machen ließ. Damit wollte er mich provozieren. Er mag mich nicht, auch wenn ich verdammt noch mal nicht weiß, warum das so ist. Ich habe ihm doch nichts getan. Er ist krank.«

»Wir reden jetzt nicht weiter über Hardy.«

»Und warum nicht?«

Sie drehte sich zu ihm um, in der einen Hand ein Glas, in der anderen eine Spülbürste. Wasser tropfte von ihren Händen herab.

»Muss ich das wirklich erklären? Er ist der einzige Mensch, zu dem Adam aufblickt. Ich habe das schon einmal gesagt und gedacht, du würdest es verstehen. Er ist jemand, der Adam respektiert, so seltsam das auch in deinen Ohren klingen mag. Adam wird ein anderer Mensch, wenn er mit Hardy zusammen ist. Dann ist mein Sohn ausnahmsweise mal etwas wert.«

»Ist er etwas wert, wenn er mit Kuhaugen in der Hand herumläuft? Hast du denn nicht gesehen, wie abscheulich er das in Wirklichkeit fand? Sabina! Begreifst du das nicht?«

»Ich will jetzt nicht weiter darüber sprechen«, brach sie das Gespräch ab und spülte weiter.

Er musste aus dem Haus. Er hatte Stiche in der Kopfhaut und unter den Armen, er musste raus, an die Luft, sich bewegen! Er durfte nicht in diesen zähen Diskussionen verharren, bei Sabina und seinem Vater, er musste so rasch wie möglich nach Hause, zu seinem eigenen Leben zurückkehren.

»Ich gehe mal an die frische Luft.« Er bemühte sich, ruhig zu klingen. »Mache einen kleinen Spaziergang.«

»Tu das«, sagte sie ausdruckslos.

Er stand auf dem Hof und war auf einmal sexuell erregt. Hastig sah er sich um, ging dann auf den Kuhstall zu, bog um die Ecke und erreichte das stille Örtchen seines Vaters.

Was war nur los mit ihm, was zum Teufel war los mit ihm?

Vorsichtig zog er die Tür hinter sich zu und legte den Riegel vor. Das Königspaar lächelte ihn an, während er die Jeans herunterließ.

Sabina, ertönte es in ihm, und der Name klang fremd und falsch, Sabina, so ist das nicht, so ist das nicht, verdammt! Nicht du!

Aber sie war es, die er vor Augen hatte, als der herrliche Krampf heranbrandete.

Insel der nackten Frauen - Psychothriller

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