Читать книгу Gestohlene Identität - Roland Benito-Krimi 5 - Inger Gammelgaard Madsen - Страница 3

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Der Hochzeitstag

Sie musste alle Lagen des langen, elfenbeinfarbenen Kleides aus dicker Seide und Tüll hochraffen, als sie die Stufen zum ersten Stock hinaufging. Die hochhackigen Schuhe hatte sie am Fuße der Treppe stehen lassen. Sie lauschte ihrem eigenen hyperventilierenden Atem, fühlte sich schwindelig und dachte darüber nach, ob es an zu viel Champagner, Sauerstoffmangel oder beginnendem Wahnsinn lag. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie das Kinderzimmer erreichte. So kam es ihr jedenfalls vor. Die Sommerbrise ließ den Vorhang leicht flattern und trug die Musik und das Gelächter der Gäste aus dem Garten zu ihr nach oben. Die Giraffe, der Elefant und der Affe in dem Mobile über dem Gitterbett hüpften auf und ab und sahen ganz lebendig aus. Es war ein Taufgeschenk. Als Kind hatte sie ein ähnliches gehabt. Die Figuren lächelten ihr entgegen und wirkten viel zu fröhlich im Verhältnis zu den Gedanken, die in ihrem Kopf dröhnten. Der Rausch und die Freude waren jäh verschwunden, als wäre ihr Tag nie davon erfüllt gewesen. Der größte Tag im Leben einer Frau. Es war wie ein Kurzschluss im Gehirn, eine Überhitzung, zu viel unverdientes Glück, das zusammenbrach, wie wenn man zu viel Strom auf einmal verbraucht und die Sicherung rausfliegt. Der vertraute, süßliche Duft von Babylotion wurde ihr sanft von der Brise vom Fenster entgegengetragen. Sie inhalierte ihn begierig, als sie in der Tür innehielt, und fühlte sich einen Augenblick lang beruhigt. Es war niemand in dem Zimmer. Endlich erreichte sie das Gitterbett. Jede Bewegung fühlte sich wie in Zeitlupe an. Die Aufhängung des Mobiles verhedderte sich in ihrer eleganten Frisur, als sie sich über den Jungen beugte. Eine der vielen duftenden Apfelblüten, die ihr ihre Freundinnen ins Haar gesteckt hatten, segelte langsam nach unten wie ein kleiner weißer Schmetterling und landete auf seinem Rücken. Er lag auf dem Bauch. Ganz still. Ihr Herz raste und ließ den Schmuck in ihrem tiefen Dekolletee im Takt wippen. Sie stand lange da, schaute auf ihn hinunter und konnte nicht erkennen, ob er atmete. Die Decke mit den kleinen, hellblauen Autos hatte er weggestrampelt, und der Windelpo ragte über den molligen Oberschenkeln in der Luft. Die eine gehäkelte Babysocke war heruntergerutscht und ihr Blick blieb an dem perfekten Füßchen mit fünf wohlgeformten kleinen Zehen hängen. Apathisch näherten sich ihre Hände dem Bett und ihre Finger griffen nach ihm, als ob sie ihn hochheben wollte, aber Angst hätte, was sie zu sehen bekommen würde; dann ließ das Geräusch des angespannten Atems eines anderen, der sich mit ihrem eigenen vermischte, sie mitten in der Bewegung innehalten. Langsam drehte sie sich um und erstarrte; sie konnte nicht einmal schreien.

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Gestohlene Identität - Roland Benito-Krimi 5

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