Читать книгу Verfluchtes Drachenherz - Inka Loreen Minden - Страница 10
Kapitel 5 – Loans Geheimnis
ОглавлениеNatürlich hatte Loan keinen dringenden Termin. Er war sein eigener Boss, er konnte seine Termine legen und verschieben, wie er wollte. Jedoch hatte er einen Grund gebraucht, um Fays betörender Nähe und ihrem berauschenden Duft für eine Weile zu entfliehen, und sich in seinem Büro verkrochen. Beinahe wäre er über sie hergefallen wie ein wildes Tier … oder wie die Bestie in ihm! Es hatte ihn unglaublich scharf gemacht, Fays Hintern zu sehen, als sie sich aus dem Fenster gelehnt hatte. Dabei war er vorher schon völlig von ihr eingenommen gewesen. Viel hätte nicht mehr gefehlt, und er hätte sie aufs Bett geworfen.
Loan stöhnte frustriert auf, fuhr sich durchs Haar und legte den Kopf in den Nacken. Er hatte sich niemals zuvor so schlecht unter Kontrolle gehabt. Diese unglaubliche Anziehungskraft zwischen ihnen konnte er sich nur erklären, weil er schon seit Monaten bei keiner Frau mehr gelegen hatte. Der Drache in ihm gierte danach, Fay zu besitzen, sie als sein Eigentum zu markieren. Doch Loan wollte mit ihr nichts überstürzen, zumal er immer noch an diesen verdammten Fluch gebunden war!
Zum Glück hatte er es von seinem Büro und der Wohnung aus – beide lagen im Erdgeschoss – nicht weit bis in den Keller. Versteckt hinter den Weinregalen gab es einen Zugang zum ehemaligen Verlies, in dem er nachts seine vermaledeite Bestie anketten konnte. Wegen diesem verfluchten, gierenden Untier, das sehr viel mehr mit Fay vorhatte, als sie zu besteigen, war er immer noch halb hart. Er hätte große Lust, in die Bibliothek zu laufen, um Fay noch an Ort und Stelle zu ficken! Er müsste nur die Eingangshalle durchqueren und wäre bei ihr.
Als es leise von außen an die Scheibe klopfte, wandte er den Kopf und fand Baxter nackt auf dem breiten Fensterbrett sitzend. Er hatte die Beine angezogen und seine dünnen Arme darum geschlungen.
Loan stand auf, um ihm zu öffnen.
Baxter blieb, wo er war, und grinste ihn schief an. »Ich habe beinahe geglaubt, Sie wollten Miss Ravenwood verraten, wer ich wirklich bin.«
Loan hatte tatsächlich das Bedürfnis verspürt, sich ihr anzuvertrauen. Bei ihr hatte er das Gefühl, derjenige sein zu dürfen, der er wirklich war. »Ich habe mir nur einen kleinen Spaß mit ihr erlaubt.«
Er ging zurück zu seinem wuchtigen Schreibtisch, um sich wieder in seinem bequemen Sessel niederzulassen. Der Junge musste nicht sehen, wie es um ihn bestellt war.
»Könnte Sie die Eine sein, Herr?«, fragte Baxter vorsichtig.
»Das weiß ich nicht.« Er hatte natürlich längst selbst darüber nachgedacht. »Sie hat mir erzählt, sie würde gerne eine Pension leiten.«
»Aber … das passt doch perfekt! Miss Ravenwood würde hier sicher gut reinpassen.« Baxters Grinsen reichte fast bis zu seinen Ohren, was ihn noch viel jünger aussehen ließ. »Sie haben das Schloss doch extra renovieren lassen, um diversen Wesen einen Rückzugsort zu bieten.«
Ja, das war ihm einmal durch den Kopf gegangen und er hatte auch viel dafür investiert. Sein Grundstück war riesig, ihm gehörten nicht nur die Wiesen, sondern auch noch jede Menge Wald. Wolfswandler könnten hier in ihrer Tiergestalt laufen, sich frei in den Wäldern bewegen, und auch andere Wesen könnten sich in ihrer wahren Gestalt zeigen. Es galt nur darauf zu achten, dass keine verfeindeten Klans aufeinandertrafen oder Arten, die von Grund auf Todfeinde waren wie Vampire und Wolfswandler. Wobei Loan jedoch mitbekommen hatte, dass sich die Lage langsam beruhigte, seit es in seiner alten Heimat Amerika Wolfswandlern und Vampiren gemeinsam gelungen war, einen gefährlichen Magier namens Wolkow zu besiegen. Seitdem hatten sich die Beziehungen zwischen den beiden Arten drastisch verbessert. Vor allem in New York tat sich gerade einiges.
Obwohl Loan nichts mehr mit der Hexenwelt zu tun haben wollte, las er regelmäßig das »Magic International«, ein Online-Magazin für Magier, in der auch jede Menge anderer Neuigkeiten standen, die sich nicht rein auf Zauberei bezogen.
Die verfeindeten Arten waren also eher weniger das Problem, sondern Loan selbst: Dieser verdammte Fluch, der seinen Drachen nachts zu einer unkontrollierbaren Bestie machte, hielt ihn aktuell zwischen zehn Uhr abends und vier Uhr morgens in seiner Wesengestalt gefangen. Das war nicht gerade förderlich, wenn man ein Hotel leiten wollte. Zumal er in diesem Zustand gefährlich und unberechenbar war. Er bräuchte vielleicht tatsächlich noch jemanden, dem er vertraute und der sich um alles kümmerte, sobald die Sonne völlig unter den Horizont getaucht war. Baxter eignete sich zwar dafür – aber würde ihm nicht langsam alles über den Kopf wachsen? Der Junge managte schon so vieles.
Vielleicht hatte Fay recht; Loan könnte immer nur ein paar Zimmer vermieten. Dann wäre es auf dem Gelände weiterhin relativ ruhig und Baxter könnte nachts alles im Blick behalten. Die Räume wären nicht völlig ungenutzt und Loan könnte dennoch seinen Reichtum vermehren. Seine Ahnen hatten schon immer Schätze gehortet, nur dass sein »Schatz« größtenteils aus Aktienfonds und Immobilien bestand. Die Zeiten hatten sich eben geändert. Natürlich besaß er in seinen riesigen Safes im Keller auch noch Gold, Edelsteine und Artefakte seiner Vorfahren. Es wurde immer schwerer, diese Wertsachen zu Geld zu machen. Zwar gab es in der magischen Welt einige Zwischenhändler, aber mit denen wollte er nichts mehr zu tun haben …
»Sie haben schon lange keine Frau mehr hergebracht«, unterbrach Baxter seine Gedanken. »Miss Ravenwood scheint sehr nett zu sein.« Ein seliges Lächeln breitete sich auf seinem jungen Gesicht aus. Bestimmt dachte er daran, wie Fay ihn gestreichelt hatte.
»Was macht sie gerade?«
»Sie sitzt immer noch in der Bibliothek und durchforstet den Computer. Sie sucht überwiegend nach Büchern über Drachen und Gargoyles. Finden Sie das nicht seltsam?«
Baxter besaß in seiner Eichhörnchengestalt außergewöhnlich scharfe Augen und konnte selbst durch die Scheibe hindurch noch entfernte Details erkennen.
»Sie ist Reporterin und aus London hergekommen, weil sie einen Artikel über die Drachenlegende schreiben soll. Sie hat mich schon darüber ausgefragt, aber natürlich habe ich ihr bloß die halbe Wahrheit erzählt.« Jetzt war er ganz froh, dass sie nur Zugriff auf alle Bücher »ihrer Welt« hatte. Die gesamte magische Literatur war in einem versteckten Verzeichnis aufgelistet, für das man zusätzlich ein Passwort benötigte und das selbst ein Suchzauber nicht offenbarte. Die dazugehörigen Bücher fanden sich in den oberen Regalen. Ohne Leiter würde sie nicht an diese herankommen. Wenn Fay diese Sammlung entdeckte, würde sie sicher weitere, neugierige Fragen stellen.
»Behalte sie im Auge, Baxter«, befahl Loan seinem Butler und Mann für alles.
»Mit Vergnügen, Herr!« Schon stieß er sich vom Sims ab, landete draußen auf dem Boden und lief nackt und in seiner Menschengestalt davon.
Loan grinste. Hoffentlich vergaß er nicht, sich zu wandeln, bevor Fay ihn sah. Außerdem wollte Loan ihm noch hinterherrufen: Sei nicht so zutraulich! Aber er brachte es nicht übers Herz. Baxter war wahrscheinlich einer der letzten Eichhörnchen-Wandler der Welt, genau wie er der Letzte seiner Art war. Zumindest hatten sie bisher keine weiteren Eichhörnchen-Wandler oder Donnertrommler getroffen. Loan hatte Baxter verletzt auf dem ehemaligen Grundstück seines Vaters gefunden, als Dämonen die ganze Familie des Jungen ausgelöscht hatten – wegen einer Hexe! Das war noch in seiner früheren Heimat Amerika gewesen, und er hatte heute noch riesige Schuldgefühle deswegen, obwohl er nicht direkt selbst für all das Leid verantwortlich gewesen war.
Auch als er Baxter gesund gepflegt und mit nach England genommen hatte, war die Last auf seinen Schultern nicht geringer geworden. Loan hatte Baxter ein sorgenfreies, sicheres Leben versprochen, in dem es ihm an nichts mangeln sollte. Doch der Junge wollte keine Almosen und war dankbar für den Job.
Verdammte Dämonen, verdammte Hexen, verdammter Fluch! Diesen schwarzmagischen Zauber, der auf ihm lastete, durfte er besonders heute nicht vergessen! Loan sorgte sonst penibel dafür, die Frauen niemals über Nacht dazubehalten. Denn dann mutierte er zu einer Bestie, ob er wollte, oder nicht. Um in seinem verwandelten Zustand niemanden zu verletzen, traf er stets Vorsorge und fesselte sich in einem alten Verlies an die Wand. Von allein konnte er sich dort nicht befreien, egal was passierte.
Loan würde alles tun, um Fay vor seinem Untier zu schützen und sie in absoluter Sicherheit zu wissen. Baxter musste unbedingt ein Auge auf sie haben, solange er selbst als fauchende Bestie tief unterhalb seines Anwesens in Ketten lag.
Loan hatte allen Angestellten außer seinem Butler – der natürlich Bescheid wusste – für den Rest des Tages und morgen freigegeben. Sie waren erfreut nach Hause gefahren, und seine Köchin Mrs Crumb, die mit ihrem Mann in einer kleinen Dienstwohnung unter der Garage lebte, nutzte die unerwartete Freizeit, um mit ihrem Gatten Freunde zu besuchen. Ansonsten hätte er ihnen befehlen müssen, sich nicht blicken zu lassen. Ihr Aussehen würde bei Fay vielleicht Fragen aufwerfen. Aber Loan musste langsam vorgehen, sie Stück für Stück in seine Welt holen, damit sie nicht den Schock ihres Lebens bekam und schreiend davonlief, sobald sie erfuhr, wer oder was er wirklich war und … dass es auf dieser Welt tatsächlich noch Drachen, Zwerge und andere Wesen gab.