Читать книгу Verfluchtes Drachenherz - Inka Loreen Minden - Страница 13
Kapitel 8 – Das Untier in ihm
ОглавлениеFrustriert saß Fay in Loans Bett und starrte auf die offene Tür, durch die er gerade verschwunden war. Hatte sie irgendetwas an sich, das Männer abschreckte? Falls ja, hatte Loan das spät bemerkt. Was war denn plötzlich los mit ihm? Er hatte sie aufs Köstlichste befriedigt, und als sie gehofft hatte, sie würden miteinander schlafen, war er einfach davongestürmt!
Ich erkläre dir alles morgen, hatte er nur noch gerufen.
Na, auf diese Erklärung war sie mal gespannt!
Fay schnaubte wütend und krabbelte aus dem Bett. Wahrscheinlich würde er sich ohnehin nicht mehr blicken lassen. Das war es dann wohl mit ihnen beiden.
Sie hätte zu große Lust, ihre Sachen zu packen und nach Hause zu fahren. Zu ihrem Pech begann es leider zu regnen. Leise klopften die Tropfen gegen die Scheibe. Von dem einst so herrlichen Tag schien absolut gar nichts mehr übrig zu sein. Verdammt! Jetzt musste sie bis morgen bleiben, denn nachts und noch dazu bei schlechter Sicht war sie hinter dem Steuer blind wie ein Maulwurf.
Missmutig durchquerte sie den Raum und machte Licht im angrenzenden Durchgang. Hier hingen zu beiden Seiten teure Anzüge auf Stangen; Hosen und Shirts lagen in Regalen und polierte Schuhe standen auf dem Boden.
Das war ein Ankleidezimmer und gleichzeitig der Zugang zum Bad!
Neugierig tapste sie weiter und fand sich in einer Wohlfühl-Oase wieder, die einem Spa-Tempel entspringen könnte. Sandfarbene und schwarze Fliesen prägten das Bild in diesem gigantischen Raum, in dessen Mitte ein riesiger Whirlpool stand. Natürlich durfte eine Regendusche nicht fehlen und vergoldete Wasserhähne an den beiden Waschbecken gab es auch. Wow, der Herr wohnte wie ein König!
Also wenn er sie schon hier zurückließ, würde sie das Beste daraus machen. Fay probierte gleich einmal die Regendusche aus, wickelte sich danach in ein großes, kuschlig weiches Handtuch und malte Loan mit dem Finger einen Smiley, der die Zunge herausstreckte, auf den beschlagenen Spiegel. Anschließend nahm sie ihre Kleidung und die Sandalen in die Hand und verließ, nur in das Handtuch gehüllt, sein Schlafzimmer. Es war ja ohnehin niemand da – bis auf Baxter – und den hatte sie seit ihrer ersten Begegnung auch nicht mehr gesehen.
»Loan?« Barfuß tapste sie durch seine Wohnung, machte überall Licht und schaute sich um. Jeder Raum besaß einen edlen Holzboden und war großzügig geschnitten, aber spartanisch eingerichtet. In der modernen Küche, die aussah, als würde sie nie benutzt werden, stand nur ein Gerät: eine große Espressomaschine, die einem echten Barista zur Ehre gereicht hätte. Nebenan entdeckte sie einen Fitnessraum; im Wohnzimmer fand Fay bloß eine schwarze Ledercouch, einen niedrigen Tisch aus gemasertem Holz, ein Lowboard und einen riesigen Flachbildfernseher vor. Keine persönlichen Gegenstände, keine Fotos.
Loan blieb trotz des kurzen sexuellen Abenteuers völlig undurchsichtig, und dieses verlassene Haus – und überhaupt alles hier – war ihr plötzlich nicht mehr ganz geheuer.
***
Er erklärte ihr alles morgen?
Oh Mann, Fay würde denken, er hätte auf die Schnelle eine dämliche Ausrede gebraucht, so überstürzt, wie er vor ihr geflohen war. Noch dazu halb nackt! Das war es dann wohl mit ihnen. Bestimmt packte sie gerade ihre wenigen Sachen zusammen und fuhr zurück nach London.
Loan schnaubte, verärgert über sich selbst und wütend auf dieses Hexenbiest, das vor zehn Jahren sein Leben ruiniert hatte, als er die Treppen nach unten in den Weinkeller lief. Mit Fay hätte es etwas Ernstes werden können, aber sein verfluchter Drache, der unaufhörlich an die Oberfläche drängte, durchkreuzte all seine Pläne! Unter seinen Fingernägeln schoben sich bereits Krallen hervor, und es würde nicht mehr lange dauern, dann würden sich auch seine Knochen verschieben und die Schuppen durchbrechen. Er musste sich beeilen, musste die Bestie in Ketten legen, oder sie würde sich Fay holen.
Früher, als junger Mann, hatte er noch geglaubt, seine Welt wäre in Ordnung. Damals hatte er sich nicht nachts zwanghaft in einen Drachen verwandelt, sondern konnte frei entscheiden. Außerdem hatten dann auch nicht seine Killerinstinkte dominiert. Loan war immer Herr seiner Sinne und seines Körpers gewesen, bis zu dieser einen, verhängnisvollen Nacht, die alles veränderte …
Die letzten Worte von Aurora, bevor Loan sie umgebracht hatte, hallten durch seinen Kopf: »Wenn ich dich schon nicht töten kann, wird mein Fluch dafür sorgen, dass deine Rasse ausstirbt. Du selbst wirst alles vernichten, was du begehrst, und jeden töten, den du liebst oder der so ist wie du.«
Bisher hatte er sein Leben hervorragend gemeistert und seit der schicksalhaften Nacht niemanden mehr verletzt. Loan hatte immer gehofft, dass nichts von dem, was ihm Aurora an den Hals gewünscht hatte, zutreffen würde. Dennoch schien dieses teuflische Miststück recht zu behalten: Ihr verdammter schwarzmagischer Zauber durchkreuzte gerade seine Zukunft!
Loan rannte weiter so schnell er konnte, und nachdem er die versteckte Passage hinter den Regalen passiert hatte, rief er nach Baxter.
»Bin hier, Herr!« Der Junge befand sich bereits im Verlies, zuverlässig wie jeden Tag, sobald es draußen völlig dunkel geworden war. Er trug seine Dienstuniform und blickte ihn alarmiert an. »Ich dachte beinahe, Sie kommen nicht!«
»Ich hatte die Zeit völlig aus den Augen verloren!«
Nur eine alte Lampe brannte an der Gewölbedecke, und Baxter inspizierte im Schein des schwachen Lichtes akribisch die schweren Ketten, die an daumendicken Ösen mit der Wand befestigt waren. Mrs Crumbs Mann Gmilg hatte sie geschmiedet und magisch verstärkt, nachdem Loan dieses Anwesen erworben und den Zwerg, gemeinsam mit seiner Frau, von seinem alten Zuhause in Amerika mitgebracht hatte. Die beiden waren bereits bei seinem Vater angestellt gewesen, und Loan vertraute ihnen bedingungslos.
»Ich habe alles überprüft«, erklärte ihm Baxter hektisch. »Keine Risse in der Wand, keine Schwachstellen an den Ketten.«
»Gut«, knurrte Loan, dessen Stimme immer tiefer wurde. Der Drache kam.
Schnell zog er sich den dicksten und größten Eisenring, der etwa den Durchmesser eines gewöhnlichen Eimers besaß und am Ende einer Kette befestigt war, über den Kopf. Loans »Halsband« war so schwer, dass Baxter es kaum heben konnte und selbst Loan Probleme hatte, noch aufrecht zu stehen. Unangenehm drückte der schwere Ring auf Knochen und Muskeln seiner Schultern. Die fast genauso dicke Kette, die daran befestigt war, klirrte leise, als sie über den Steinboden rieb.
Anschließend zog er sich vier weitere, wesentlich kleinere Ringe über seine Hand- und Fußgelenke. Sobald sein Drache hervorbrach und zu seiner vollen Größe anwuchs, existierte für Loan keine Möglichkeit mehr, sich aus den Eisen zu befreien. Sie lagen dann dicht an seinem Körper an. Es gab keinen Schlüssel und keine andere Option, die eisernen Bänder zu öffnen – zumindest nicht innerhalb weniger Stunden. Erst die Rückverwandlung in einen Menschen würde ihn wieder befreien.
Loan unterdrückte ein animalisches Brüllen, als er vor Schmerzen auf alle viere ging und den Kopf zurückwarf. Schwarze Schuppen brachen aus seiner Haut, Muskeln sowie Sehnen zogen sich in die Länge, seine Shorts zerrissen. Loans Knochen verschoben sich und wuchsen fast auf das Doppelte an. Nach der Wandlung waren sie innen hohl, nur deshalb konnten sie sich jetzt ausdehnen. Allerdings wurde sein Drache nicht unendlich groß, denn auch mythische Geschöpfe wie er mussten sich bis zu einem gewissen Grad den Regeln der Naturwissenschaften unterwerfen. Es war jedoch immer einfacher, ein größeres Wesen zu werden als ein kleineres, so wie Baxter. Zudem konnten viele Drachen – wie auch Loan – ein wenig Magie wirken und Trugbilder erzeugen, die ihn noch größer erscheinen ließen, wenn er wollte.
»Baxter«, grollte er, solange er noch einigermaßen sprechen konnte. »Du musst ein Auge auf Fay haben. Pass auf sie auf … falls sie überhaupt noch hier ist.«
Baxter nickte eifrig. »Das mache ich, Herr. Ich werde die ganze Nacht an ihrem Fenster wachen.«
»Guter Junge«, knurrte Loan und krümmte sich auf dem kalten Boden zusammen, wobei er mit den Krallen den Stein zerkratzte.
Die größte Qual befiel ihn immer, wenn sich sein Schädel verformte und gleichzeitig seine mächtigen Schwingen hervorbrachen. Er biss die Zähne zusammen, um einen Schmerzenslaut zu unterdrücken, aber ihm entfuhr doch ein kurzes Brüllen. Hoffentlich konnte Fay ihn nicht hören. Loan hatte sie extra in einem der oberen Zimmer einquartiert, damit sie nicht mitbekam, was hier unten vonstattenging.
Baxter wich ein paar Schritte zurück, denn Loans Drachenkörper wurde doppelt so groß wie seine menschliche Gestalt. Die Schwingen beanspruchten den meisten Platz, schließlich mussten sie ausladend genug sein, damit er sich mit ihnen in die Lüfte erheben konnte. Die ganze Verwandlung dauerte nur wenige Sekunden, auch wenn sie Loan jedes Mal wie eine Unendlichkeit vorkam.
Als es endlich geschafft war, stellte er sich schwer atmend auf seine Beine und nahm einen tiefen Atemzug. Er roch seine Gefährtin!
Er schnüffelte, um die Quelle des unwiderstehlichen Duftes auszumachen, und fand nur ein zerrissenes Stück schwarzen Stoffes vor. Seine Shorts …
Baxter nahm sie an sich und stopfte sie in die Tasche seiner Uniform. »Ich werde dann mal nach Fay sehen«, sagte er.
Die Fratze von Loans Bestie spiegelte sich in Baxters großen, dunklen Augen, und in seinem Kopf formte sich nur ein einziger Gedanke: Er musste zu Fay, zu der Frau, die so unendlich gut roch und seine Gefährtin werden sollte. Irgendwie musste er es schaffen, seine Fesseln zu sprengen, und dann würde er sie sich holen. Und sollte sie bereits auf dem Weg zurück nach London sein, würde er sich mit seinen Schwingen in die Nacht erheben und auf die Suche nach ihr gehen.
Ein winziger Teil in ihm – ein kleines bisschen menschlicher Verstand – versuchte noch, Baxter zu warnen. Wenn sich Loan stark konzentrierte, könnte er mit den Krallen eine Botschaft in den Boden ritzen, dass Baxter absolut nichts unternehmen sollte, was Fay schaden könnte, egal was Loan ihm befahl. Doch er war bereits zu schwach und die Bestie zu stark. Sie wollte nur noch zu Fay.