Читать книгу Fünf Bücher gegen die Häresien - Irenäus von Lyon - Страница 13

Оглавление

8. Kapitel: Weiterer Mißbrauch der Hl. Schrift

1.

Das sind nun ihre Lehrmeinungen, die weder die Propheten verkündeten, noch der Herr lehrte, noch die Apostel überlieferten, die sie besser zu verstehen sich rühmen als alle anderen, die niemals gelehrt, nirgends in der Schrift enthalten sind, und die sie doch vorlesen. Indem sie, wie man so sagt, aus Sand Seile flechten, suchen sie ihren Lehren die Parabeln des Herrn, die Aussprüche der Propheten oder die Worte der Apostel anzupassen, damit ihr Hirngespinst nicht ohne Zeugnisse bleibe. Aber die Ordnung und den Zusammenhang der Schriften übertreten sie und lösen nach Kräften die Glieder der Wahrheit auf. Sie versetzen und stellen um, verändern völlig den Sinn und täuschen viele durch ihre trügerische Zusammenstellung der Reden des Herrn. Gleichwie wenn jemand an dem von einem weisen Künstler aus bunten Steinen schön zusammengestellten Bilde eines Königs die zugrunde liegende menschliche Gestalt auflösen, die Steine versetzen und umändern, die Gestalt eines Hundes oder Fuchses machen und dazu noch schlecht ausführen wollte und behaupten, das sei jenes schöne Bild des Königs, das der weise Künstler fertigte, um so durch sein Steingebilde die Unerfahrenen in Irrtum zu führen, die keine Ahnung von der wirklichen Gestalt eines Königs haben, und ihnen einzureden, die stinkende Figur des Fuchses sei das schöne Bild des Königs — auf genau dieselbe Weise flicken auch diese Alteweibermärchen zusammen, reißen dann Reden, Worte und Parabeln aus ihrem Zusammenhang und wollen diese Worte des Herrn ihren Fabeln anpassen. So erhielten sie die oben erzählte Geschichte von den innern Vorgängen im Pleroma.

2.

Was sie aber für die äußern Vorgänge des Pleroma aus den Schriften sich anzueignen versuchen, ist folgendes: Der Herr ist in den letzten Zeiten der Welt in sein Leiden geraten, um das über den letzten der Äonen gekommene Leiden anzuzeigen, und durch sein Ende zu offenbaren das Ende des Schicksals der Äonen. Das zwölfjährige Mädchen aber, die Tochter des Synagogenvorstehers, die der Herr durch seine Gegenwart von den Toten auferweckte, ist ein Sinnbild der Achamoth, welche ihr Christus gestaltete, indem er sich nach ihr ausstreckte und zum Bewußtsein zurückführte, daß sie das Licht verlassen hatte. Daß aber der Heiland ihr, als sie außerhalb des Pleroma im embryonalen Zustande verweilte, erschienen sei, das hat Paulus im Korintherbriefe mit den Worten gesagt: „Zuletzt ist er auch mir erschienen als einer frühzeitigen Geburt“41 . Auch das Herniedersteigen zu der Achamoth in Begleitung seiner Altersgenossen hat er gleichfalls in demselben Briefe kundgetan, indem er sagt: „Das Weib soll wegen der Engel einen Schleier auf dem Kopfe tragen“42 . Und als der Heiland zu ihr kam, da warf aus Scham Achamoth einen Schleier um; das zeigt Moses an, indem er einen Schleier über sein Angesicht legte. Ebenso tat ihre schmerzlichen Leiden der Heiland am Kreuze kund. Und indem er rief: „O mein Gott, warum hast du mich verlassen?“43 erinnerte er daran, daß die Sophia von dem Lichte verlassen und vom Horos am Weiterdringen verhindert wurde. Auf ihre Trauer nimmt Bezug sein Ausspruch: „Meine Seele ist betrübt bis zum Tode“44 , auf ihre Angst ebenso sein Wort: „Vater, wenn es möglich ist, gehe an mir dieser Kelch vorüber“45 , und auf ihre Verwirrung auch sein Wort: „Und was ich sagen soll, weiß ich nicht“46 .

3.

Die drei Gattungen der Menschen hat er so angezeigt: Die materielle, indem er zu dem, der ihn fragte: „Soll ich Dir folgen?“ sprach: „Des Menschen Sohn hat nicht, wohin er sein Haupt lege“47 , die seelische, da er dem, der da sagte: „Ich will Dir folgen, doch laß mich zuerst von meinen Hausgenossen Abschied nehmen“, antwortete: „Keiner, der seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, ist für das Himmelreich tauglich“48 . Das war einer von den Mittleren und ebenso auch jener, der da behauptete, die meisten Stücke der Gerechtigkeit erfüllt zu haben, dann aber nicht folgen wollte, indem der Reichtum ihn hinderte vollkommen zu werden. Das also war auch einer von den seelischen Menschen. Das Geistige aber hat der Heiland bezeichnet, indem er sprach: „Laß die Toten ihre Toten begraben, du aber geh und verkündige das Reich Gottes“49 . Und der Zöllner, zu dem er sprach: „Steig eilends herab, denn heute muß ich in deinem Hause verbleiben“50 , der gehörte auch zu dem geistigen Geschlecht. Auch die Parabel von dem Sauerteig, den das Weib unter die drei Scheffel Mehl verbarg, zeigt nach ihnen deutlich die drei Gattungen an. Das Weib nämlich soll die Sophia bedeuten, die drei Scheffel Mehl aber die drei Gattungen von Menschen, die geistige, seelische und materielle. Der Sauerteig soll der Heiland selbst sein. Auch Paulus hat deutlich die geistigen, seelischen und materiellen Menschen bezeichnet. „Wie der Irdische, so auch die Irdischen“, sagt er an einer Stelle51 , an einer andern aber: „Der seelische Mensch faßt nicht, was des Geistes ist“52 , and wiederum: „Der Geistige beurteilt alles“53 . Die eben genannte zweite Stelle zielt auf den Demiurgen, der als seelisches Wesen weder die Mutter kennt, die geistig ist, noch ihren Samen, noch die im Pleroma befindlichen Äonen. Daß aber der Heiland von denen, die er retten wollte, die Erstlinge aufnahm, bezeichnet Paulus mit den Worten: „Wenn die Erstlinge heilig sind, ist es auch die Masse“54 . Der Erstling bedeutet das Geistige, die Masse sind wir, d, h. die seelische Kirche, von der er die Teigmasse angenommen und in sich erhoben hat, da er selbst der Sauerteig war.

4.

Auch daß die Achamoth außerhalb des Pleroma herumirrte, von dem Christus gestaltet und von dem Heiland aufgesucht wurde, sehen sie offenbart in den Worten: „Ich bin gekommen zu den Verirrten“55 . Das verirrte Schaf nämlich erklären sie für ihre Mutter, von der die irdische Kirche ausgesät sein soll; die Verirrung aber für ihren schmerzvollen Aufenthalt außerhalb des Pleroma, aus dem die Materie entstanden sein soll. Das Weib, das ihr Haus auskehrt und die Drachme findet, deuten sie als die obere Sophia, die ihre Enthymesis verloren hatte und sie später fand, als alles durch die Ankunft des Heilandes gereinigt wurde. Darum wird diese auch nach ihnen wieder in das Pleroma eingesetzt. Simeon, der Christum auf seine Arme nahm, Gott dankte und sprach: „Nun entlassest Du Deinen Diener, o Herr, nach Deinem Worte in Frieden“56 ist ein Abbild des Demiurgen, der durch die Ankunft des Heilandes seine Veränderung spürte und dem Bythos Dank sagte, Die Prophetin Anna, von der es im Evangelium heißt, daß sie sieben Jahre mit ihrem Manne verkehrte, die ganze übrige Zeit aber Witwe blieb, bis sie den Heiland sah und erkannte und von ihm zu allen redete, bedeutet auf das klarste die Achamoth, die auf kurze Zeit mit ihren Gefährten den Heiland erblickte, die ganze übrige Zeit aber in der Mitte blieb und ihn erwartete, bis er wieder kommen und sie in ihre Verbindung einsetzen werde. Sogar ihr Name ist von dem Heiland offenbart, indem er sagte: „Gerechtfertigt ist die Weisheit vor ihren Kindern“57 ; auch von Paulus mit den Worten: „Weisheit aber reden wir unter den Vollkommenen“58 . — Auch die Eheverbindungen innerhalb des Pleroma hat Paulus mit dem einen Worte gekennzeichnet, indem er von den Ehen dieses Lebens schreibt: „Dies Geheimnis ist groß, ich sage aber in Christas und der Kirche“59 .

5.

Ferner hat Johannes, der Schüler des Herrn, die erste Achtheit auf folgende Weise gelehrt: Da derselbe Johannes den Anfang aller Dinge darstellen wollte, wonach der Vater alles hervorgebracht hat, da stellte er gewissermaßen als Anfang das zuerst vom Vater Erzeugte hin, das er auch den Eingebornen Sohn und Gott nannte, in welchem der Vater das All wie in einem Samenkeime hervorbrachte. Von diesem ist der Logos ausgegangen und in ihm die ganze Wesenheit der Äonen, die später der Logos selber gestaltete. Da er nun vom ersten Anfang sprechen will, so beginnt er geziemenderweise seinen Unterricht von dem Anfang, d. h. vom Vater und dem Logos, indem er also spricht: „Im Anfange war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort, dieses war im Anfang bei Gott“60 . Zuerst unterscheidet er sie dreifach: Gott, den Anfang und das Wort, dann zieht er sie in eins zusammen, um den Ausgang des Sohnes und des Logos anzuzeigen und auch die zwischen ihnen gegenseitig und dem Vater bestehende Einheit. In dem Vater nämlich und aus dem Vater ist der Anfang, und in dem Anfang wie aus dem Anfang ist der Logos. Darum sagte Johannes ganz richtig: „Im Anfange war das Wort“, denn das Wort war in dem Sohne, „und das Wort war bei Gott“ d. h. bei dem Anfang, „und Gott war das Wort“ natürlich, denn was aus Gott geworden, ist selber Gott. „Dieser war im Anfang bei Gott“, damit zeigte er die Reihenfolge des Ausganges an; „alles ist durch ihn geworden und ohne ihn wurde nichts“, denn allen Äonen nach ihm hat der Logos Wesenheit und Gestalt gegeben. „Aber was in ihm geworden ist, ist das Leben.“ Damit weist er auf die eheliche Zeugung hin; von dem All nämlich sagt er, daß es durch ihn geworden sei, das Leben aber ist in ihm geworden. Dieses in ihm gewordene Leben steht ihm also näher als das durch ihn Gewordene, denn es ist mit ihm zusammen und bringt durch ihn Früchte. Indem Johannes dann fortfährt: „Und das Leben war das Licht der Menschen“, hat er die Kirche und den Menschen mit demselben Namen bezeichnet, damit er durch denselben Namen ihre eheliche Gemeinschaft bezeichne. Denn aus dem Logos und der Zoe61 wurde der Mensch und die Kirche. Licht der Menschen aber nannte er das Leben, weil sie von der Zoe erleuchtet wurden, d. h. gestaltet und geoffenbart. Dasselbe sagt auch Paulus mit den Worten: „Alles, was sich offenbart, ist Licht“62 .

6.

Da nun die Zoe den Menschen und die Kirche offenbarte und gebar, so wird sie mit Recht ihr Licht genannt. Dies alles hat der Apostel deutlich angezeigt und auch die zweite Vierheit, die da aus dem Logos und der Zoe, dem Menschen und der Kirche besteht. Aber auch die erste Vierheit tat er kund. Indem er nämlich von dem Heiland spricht und sagt, daß alles außerhalb des Pleroma von ihm gestaltet wurde, lehrt er, der Heiland sei eine Frucht des gesamten Pleroma. Er nannte ihn auch das Licht, das in der Finsternis leuchtete und von ihr nicht begriffen wurde, weil er ja von ihr nicht als der Ordner aller aus dem Leid entstandenen Dinge erkannt wurde. Sohn und Wahrheit und Leben und Fleisch gewordenes Wort nennt er ihn. „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, und es war seine Herrlichkeit, wie die des Eingebornen, die ihm vom Vater verliehen wurde, voll der Gnade und Wahrheit.“ In Wirklichkeit aber heißt es: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir sahen seine Herrlichkeit als die des Eingebornen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit“63 . Genau also offenbarte er die erste Vierheit: den Vater und die Gnade64 , den Eingebornen und die Wahrheit65 . Ebenso hat Johannes von der ersten Achtheit und Mutter aller Äonen gesprochen, denn er nannte den Vater und die Charis, den Eingebornen und die Wahrheit, den Logos und das Leben, den Menschen und die Kirche.

Fünf Bücher gegen die Häresien

Подняться наверх