Читать книгу Sommer war es - Iselin C. Hermann - Страница 4

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»Mein Gott, was ist das nur für ein Hof?«

Die Frage muß immer gestellt werden, wenn wir in die Allee einbiegen, und immer im gleichen fragenden Tonfall, als ob wir nicht ganz genau wüßten, was das für Gebäude sind, die vor unseren Augen erscheinen. Wir müssen beide so tun, als ob wir noch nie im Leben den Gutshof gesehen hätten, der einem Gesicht ähnelt. Ich habe Großmutter noch nie gesagt, daß ich finde, daß das Haupthaus einem Gesicht ähnelt, denn ich weiß, sie würde mich fragen, warum, und dann müßte ich zugeben, daß ich nicht wisse warum, es sei einfach so, bei den meisten Häusern sei das so. Ein ganz kleines Haus mit zwei Fenstern und einer Tür, wenn es das in der Wirklichkeit überhaupt gibt und nicht nur von den langweiligsten Kindern im Kindergarten gemalt wird: Fenster, Tür, Fenster, Schornstein mit Rauch, so ein blödes Haus ähnelt einem Hundekopf. Warum der Hof mich an ein Gesicht erinnert, ist schwer zu sagen, denn er hat zu viele Augen und nur einen Mund. Eins, zwei, drei, vier Fenster auf der einen Seite der Eingangstür und vier auf der anderen Seite, im ersten Stock sind drei Fenster, der Rest ist schwarzes Ziegeldach. Auf der einen Seite des Haupthauses ist die Scheune, auf der anderen der Kuhstall, davor auf dem Hofplatz ist ein rundes Rasenstück mit einer Hecke drum herum. Die Nebengebäude und der Hofplatz gehören zum Körper. Vielleicht finde ich, daß das Haupthaus einem Gesicht ähnelt, weil ich es so gut kenne wie mich selbst. Ich weiß, wie ich aussehe, wenn ich die Haare gewaschen bekommen habe und in ein Handtuch gewickelt auf einem Schemel stehe. Um mich zu sehen, wische ich den Dampf vom Spiegel, obwohl ich das nicht darf, weil es Streifen gibt, und ich muß mich auch nicht im Spiegel anschauen, um zu wissen, wie mein Kopf aussieht. Es ist einfach lustig, wenn Großmutter mit Erstaunen in der Stimme fragt: »Mein Gott, was ist das nur für ein Hof?«, sobald wir in die Allee einbiegen und dem Hof in die Augen schauen.

Dieses Spiel gehört nur uns beiden, Großmutter und mir. Sie spielt es nicht mit den anderen Enkelkindern und auch nicht mit meinem kleinen Bruder. Wenn jemand von den anderen mit im Auto sitzt, dann sagt sie es nur zu mir. Die anderen können es hören, aber sie verstehen es nicht so, wie ich es verstehe. Auch weil ich die Älteste bin und den Hof am längsten kenne. Wie ich auch diejenige bin, die ihr Spiegelbild am längsten kennt.

»Nicht Kopf ... es heißt Gesicht!«

Das geht nie daneben, ich werde jedesmal korrigiert, wenn ich »Kopf« anstelle von »Gesicht« sage, aber nur Erwachsene und Häuser haben Gesichter, Kinder haben Köpfe. Das Gesicht ist die Vorderseite, mit dem tut man so, als ob. Ich habe ein weißes Gesicht, immer, wie der Hof. Wir haben beide dunkle Haare, aber weiter läßt sich nicht beschreiben, wie ein Gesicht aussieht, denn diejenigen, die man gern hat, kann man nicht beschreiben, und die beiden Gesichter, die ich am allerliebsten mag, sind in einem Nebel verschwunden.

»Mein Gott, was ist das nur für ein Hof?«

Es darf nur einmal gesagt werden, wenn wir in die Allee einbiegen. Es ist jedesmal lustig, nur gestern nicht.

Sommer war es

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