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Zweyter Abschnitt.

Das Aeußere des Doms.

Ein Fremder verläßt nicht leicht Magdeburg ohne, wenn auch nur von außen, den Dom gesehen; — und er sieht ihn nicht, ohne ihn bewundert zu haben. Dies verdient er aber auch wirklich, nicht blos als ein ehrwürdiges Denkmal der grauen Vorzeit, sondern auch und vornehmlich als ein Meisterstück der alten Baukunst. Dafür halten ihn alle Kenner der Architectur; und, je mehr sie in die einzelnen Theile dieses Prachtgebäudes eingehen, desto mehr finden sie, daß dasselbe von den Eigentümlichkeiten des, — wie man sagt — „gothischen“ Geschmacks in der Baukunst eine ziemlich vollständige Anschauung gebe.

Man sollte aber sagen: des „altdeutschen“ Geschmacks. Denn es ist wohl außer Zweifel, daß das ganz rohe Nomadenvolk der Gothen bey seinem Eindringen in Italien von dieser Kunst eben so wenig etwas gewußt habe, als von allen übrigen Künsten; auch paßt der Ausdruck „gothisch“, wodurch gewöhnlich das Geschmacklose, also das Ungeordnete Unbestimmte, Zusammengestoppelte und Ueberladene bezeichnet wird, gewiß nicht auf ein Kunstwerk dieser Art, woran schon ein flüchtiger Ueberblick das Gegentheil davon: das Große, Kühne, Feste, Zweckmässige und Gleichförmige bewundern läßt.

Der Geschmack, in welchem der Dom erbauet ist, ist deutsch, und entstand in den mittlern Jahrhunderten; hielt sich rein von fremder Beymischung, und unterscheidet sich durch einen eigentümlichen Charakter, dessen ausführlichere Darstellung hier wohl nicht erwartet wird und wovon ich nur seine Kreuzgewölbe nenne, seine Verwandlung der Kreislinien in Polygone, seine in Spitzen auslaufende Formen, seine Spitzbögen, Spitzgiebel, Spitzpfeiler und seine starken Strebepfeiler, welche zusammen den Anblick eines gewissen mächtigen Emporstrebens und Gegeneinanderstrebens der Theile gewähren.

Über die Entstehung, den Charakter und den Werth dieses Geschmacks in der Architectur findet man in der meisterhaft künstlerischen Darstellung des Herrn Bauconducteurs J. C. Costenoble „über altdeutsche Architectur und deren Ursprung. (Mit 18 Kupfertafeln. Halle. Hemmerde und Schwetschke. 1812.“ 13 Bogen in groß Fol.,) eine völlig befriedigende Belehrung; so wie in den Kupfertafeln eine getreue Abbildung und Beurtheilung vieler Eigenheiten und Verzierungen dieses Doms.

Wer für das Große und Erhabene Sinn hat, kann des Anblicks desselben nie satt werden, und wird leicht einem Herder nachempfinden, der vom Strasburger Münster, dessen Thürme doch, nur, nicht aber das Schiff der Kirche, in diesem edlen Geschmack erbaut sind, sagt: „Mit welchen unerwarteten Empfindungen überraschte mich der Anblick, als ich davor trat! Ein ganzer, großer Eindruck füllte meine Seele, den, weil er aus tausend Einzelheiten bestand, ich wohl schmecken und genießen; keineswegs aber erkennen und erklären konnte. Sie sagen, daß es also mit den Freuden des Himmels sey; und wie oft bin ich zurückgekehrt von allen Seiten und allen Entfernungen, in jedem Licht des Tages zu schauen seine Würde und Herrlichkeit. Schwer ists dem menschlichen Geiste, wenn seines Bruders Werk so erhaben ist, daß er nur sich beugen und anbeten muß!“

Das ganze Riesengebäude ist vollkommen maßiv, und nur mit Ausschluß des, dem Auge unsichtbaren, Dachstuhls, von sorgfältig bearbeiteten Werkstücken, meist Pirnaischen Sandsteins, aufgeführt, oder doch wenigstens damit verblendet. Die Fugen zwischen den Steinblöcken sind kaum zu erkennen; der Mörtel ist durch das hohe Alter selbst so gleichsam versteinert, daß die ganze ungeheure Masse wie aus einem Felsen gehauen zu seyn scheint.

Dom zu Magdeburg

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