Читать книгу Wächter der Runen (Band 3) - J. K. Bloom - Страница 12
4 – Ravanea
ОглавлениеMeine Beine zittern, meine Arme sind angeschwollen und blau, weil ich nicht aufgehört habe, mich gegen die Umklammerung der Soldaten zu wehren. Irgendwann beendet Kora alles, indem sie nicht nur Finn quält, sondern auch mir Schmerzen zufügt, die mich an den Rand der Bewusstlosigkeit führen.
Als mich die Benommenheit verstummen lässt, höre ich auch Finns Schreie nicht mehr, die mir noch immer durch Mark und Bein gehen.
Er wollte für mich kämpfen. Für mich meine Freiheit zurückgewinnen.
Tränen laufen mir ununterbrochen über die Wangen und ich kann einfach nicht glauben, was geschehen ist. Seine Schreie hallen wie ein nie endendes Echo durch meinen Kopf und reißen mein Herz Stück für Stück auseinander.
Kora wird ihm langsam den Tod bringen, seine Seele zerfetzen, um nichts mehr von ihm übrig zu lassen. Ich ertrage den Gedanken daran nicht, genauso wenig, wie meinen Bruder zurückgelassen zu haben. Warum ist dieser Dickschädel auch mitgekommen? Er wusste, wie hoch das Risiko sein würde, und trotzdem hat er sich auf den Weg zu mir gemacht.
Das werde ich ihm nie vergessen.
Ravass … die einzige Familie, die ich noch habe.
›Verzage nicht, Rave. Wir finden einen Weg. Es gibt immer einen‹, höre ich Danev sagen, deren Worte mir allerdings leer erscheinen.
Finn und Ravass sind meinetwegen hier, ich allein bin der Grund, weshalb sie überhaupt gefasst wurden. Gäbe es mich nicht, wäre Finn nun ein erfolgreicher Kopfgeldjäger, besäße ein Anwesen in Baltora und könnte wohlhabend mit seiner Familie leben.
Ravass wäre mit Mutter und Vater glücklich geworden.
Aber nur durch mich wurde ihr Glück vernichtet.
›Rave, bitte. Schüre nicht deinen Hass gegen dich selbst. Wende ihn gegen mich. Ich habe mir deinen Körper ausgesucht, deinem Leben Kummer bereitet, dir ein Schicksal voller Albträume beschert.‹
Ja, das hat sie. Trotzdem hätte ich all dem längst ein Ende setzen können, wenn ich den Mut gehabt hätte, mich dafür zu opfern. Ich habe die Hoffnung gehegt, nie wieder nach Baltora zurückkehren zu müssen, und geglaubt, die Macht von portes tenebra umgehen zu können.
Jetzt bin ich hier.
Finn und Ravass müssen dafür sterben.
Der Westflügel ist alles andere als ein Gefängnis, denn er ist das Zuhause des Imperators. Überall hängen beeindruckende Wandgemälde, ich laufe auf einem weichen goldenen Teppich, und blendende Kristallleuchten erhellen die Korridore mit warmen Farben. Dieser Anblick überragt sogar den Reichtum von Taseds damaligem Haus in Silvereast, als Finn und ich dort Zuflucht fanden.
Warum bringt mich der Imperator hierher? Wieso lande ich nicht wie letztes Mal in der Folterkammer?
›Er fürchtet sich davor, dass du erneut in den Rausch verfällst und ich dich befreie‹, beantwortet Danev meine Gedankenfrage.
Sie fühlt und hört alles, was in mir vorgeht, was einerseits unheimlich ist, andererseits aber auch hilfreich. So kann sie mich besser verstehen.
Damals bin ich dem Imperium entkommen, weil ich mich nach all der Folter und dem Schmerz aufgeben wollte. Danev hoffte dies zu verhindern, indem sie mir eine Macht verlieh, mit der ich aus den Gewölben fliehen konnte.
›Aber ihre Runen sind doch mittlerweile viel mächtiger‹, argumentiere ich, als ich um eine weitere Ecke biege, begleitet von mindestens zehn Soldaten. Der Imperator geht nur wenige Schritte vor mir.
›Das ist richtig. Aber es gibt eine Macht, gegen die selbst portes tenebra nichts ausrichten kann‹, erklärt sie.
›Welche?‹
Daraufhin schweigt Danev nur und als ich gerade wieder nachhaken will, machen wir vor einer der Türen halt.
»Das wird dein zukünftiges Gemach sein.« Der Imperator deutet auf das veredelte Holz, um dessen Rundbogen Runen eingemeißelt sind.
Ein Soldat öffnet die Tür und ich werde ungalant hineingestoßen. Beinahe wäre ich gestolpert, doch im letzten Moment kann ich mich mit meinen Beinen auffangen.
»Versuche erst gar nicht zu fliehen. Du wirst hier so lange leben, bis wir die Tafel haben. Wenn du irgendwann auf Geheiß dieses Zimmer verlässt, wird die Kommandantin an deiner Seite sein. Solltest du auch nur einen falschen Schritt tun, wendet sie die Rune so lange an, bis du wie dein Kopfgeldjägerfreund bewusstlos umfällst.« Er macht eine Pause und ich werfe ihm dabei einen finsteren Blick zu. »Du könntest hier ein angenehmes Leben führen oder es zu deinem eigenen Grauen gestalten. Es liegt bei dir.«
Ich sammle Speichel in meinem Mund und spucke ihn dem Imperator vor die Füße. »Das hier wird nicht mein Grab, sondern deines.«
Der Imperator gibt ein dunkles, beinahe unheimliches Lachen von sich. »Mutig von jemandem, der sich bereits ein zweites Mal vom Imperium hat fangen lassen.«
Damit verlässt er das Zimmer, das sofort abgeschlossen wird. Die Runensymbole, die auch von innen zu sehen sind, leuchten alle auf. Vermutlich versiegeln sie den Ausgang zusätzlich mit Magie.
Auch wenn der Fluchtweg so einfach erscheint, renne ich sofort zum Fenster, um dieses zu öffnen. Eine frische Sommerbrise weht mir ins Gesicht. Erschrocken blicke ich in die Tiefe hinab. Der Turm, in dem ich festgehalten werde, ist so hoch, dass die Kronen der Bäume nur fingerspitzengroß wirken. Es sind keine Gitter davor, die einen Todeskriecher davon abhalten könnten, einen Ortswechsel durchzuführen. Allerdings kenne ich das Imperium bereits zu gut, um zu wissen, dass sie Barrieren errichtet und andere Vorkehrungen getroffen haben, um diese Art von Fähigkeit zu blockieren.
Hinter dem Schloss entdecke ich die wundervollen, mit Schnee bedeckten Berge. Ihr Anblick erinnert mich an meine Stute Schneeweiß, die Finn gemeinsam mit Sleipnir in Kalleum zurücklassen musste.
Doch was ist aus Neagan, dem Rotfalken, geworden? Ich vermisse meine Begleiter, mit denen ich eine ganz besondere Reise verbinde, die nun wegen der Gefangennahme durch das Imperium beendet wurde.
Hoffentlich geht es ihnen gut und sie plagt kein Schmerz, so wie mich.
Ich schließe das Fenster wieder und gleite an der kalten Steinwand hinunter. Hoffnungslosigkeit gräbt sich bis zu meinem Herzen durch und lässt mich Tränen der Verzweiflung vergießen.
Wie lange werden Finn und mein Bruder durchhalten? Was kann ich tun, um sie zu retten? Sie dürfen nicht sterben.
›Noch sind sie nicht tot‹, versucht Danev mich aufzumuntern.
Als ich ihre Stimme vernehme, werde ich wieder an das Thema erinnert, bei dem sie vorhin einfach geschwiegen hat. ›Dann nutze diese Macht, die mir den letzten Ausweg bietet. Ich nehme alles in Kauf‹, flehe ich innerlich.
›Das kann ich nicht, Ravanea.‹ Ihre Stimme klingt enttäuscht. ›So gern ich dir helfen würde, aber wenn ich das täte, stünde die Welt am Rande ihres Abgrunds.‹
›Steht sie das nicht bereits?‹, entgegne ich.
›Noch habe ich Hoffnung.‹
Welche? Wieso habe ich diese nicht? Wir sind weit oben im Schloss des Imperators, gefangen und ohne Verbündete. Wie sollen wir es schaffen, hier herauszukommen?
›Sag mir, von welcher Macht du sprichst. Bitte.‹
›Es tut mir leid‹, ist alles, was sie schließlich noch antwortet.
Ganz gleich, wie oft ich auch in Gedanken nachhake, Danev bleibt stumm.
Ich sehe mich in meinem Gemach um und bemerke, dass ich sogar ein eigenes, großes, mit vielen Kissen und Decken bestücktes Bett zur Verfügung habe. Auf der linken Seite des Raumes steht ein großer, dunkler Schrank, in dem sich wohl Kleider befinden.
Warum bin ich hier? Weshalb hat der Imperator mir ein solch ansehnliches Zimmer gegeben und mich nicht in einem kalten, einsamen Kerker eingeschlossen? Was hat er mit mir vor? Selbst wenn er meine Macht unterdrücken wollte, hätte auch ein dunkler, mit Gitter versehener Raum gereicht.
Gerade als ich mich erhebe und den Blick durch das Zimmer schweifen lasse, klopft es an der Tür.
Bereit für einen weiteren Kampf oder sogar für eine Fluchtmöglichkeit stelle ich mich mit ausreichendem Abstand mitten ins Zimmer. Stimmen dringen durch das massive Holz. Das Gespräch klingt wie eine Auseinandersetzung. Nur wenige Sekunden später springt die Tür auf und ich balle die Hände zu Fäusten.
Doch all die Anspannung lässt von mir ab, als ich wunderschönes, blondes Haar erkenne, das mir nur allzu bekannt vorkommt. Ihre Strähnen sind zu einem beeindruckend hohen Pferdeschwanz gebunden, der an ihrem Rücken wie ein Wasserfall hinunterfällt. Die dunkelbraunen Augen sind genau dieselben, die mich früher immer warmherzig angesehen haben.
Doch trotzdem ist etwas anders.
Mir klappt die Kinnlade herunter. »Mutter?«
Die Frau legt ihren Zeigefinger an die Lippen und nickt einem draußen stehenden Wachmann zu. Dann schließt sie die Tür hinter sich und schlingt die Arme um mich. »Ich glaubte es kaum, als mir einer meiner Boten die Nachricht überbrachte, dass du hierher verschleppt wurdest.«
Mein Puls rast und mein Herz macht mehrere Sprünge gegen die Brust. Kann das wirklich sein? Ist sie von den Toten zurückgekehrt? Aber wie? Hätte Nura das nicht gewusst? Und wer außer ihr kann Tote zum Leben erwecken?
Ich stoße mich von ihr ab und sehe ihr entsetzt ins Gesicht. »Du warst … tot …«
Die Frau reißt die Augen auf und schüttelt dann den Kopf. »Ich bin nicht Ravatoria.«
Obwohl ein leises Gefühl mich bereits davor warnte, mir Hoffnungen zu machen, verpassen mir ihre Worte dennoch einen harten Stich in die Brust.
»Mein Name ist Torava und ich bin die Schwester deiner Mutter.«
Als langsam ihre Worte durch meinen Kopf sickern, fügen sich die Puzzleteile allmählich zusammen.
Deshalb sieht sie ihr so ähnlich. Warum hat Mutter uns nie etwas von diesem Teil der Familie erzählt? Sagte sie nicht, sie käme aus einem Dorf? Was macht dann Torava hier im Schloss des Imperators? Wusste Vater es?
»Aber …«, beginne ich und trete noch einen weiteren Schritt zurück. »Sie hat dich nie erwähnt.«
Auch wenn ich es nicht glauben will, sind die Ähnlichkeiten mit meiner Mutter zu eindeutig. Sie besitzt dieselben Gesichtsmerkmale, dieselben Augen, und sogar ihr Lächeln ist genau das gleiche.
Sehnsucht erfüllt mich und lässt mich schmerzlich an das zurückdenken, was ich bereits verloren habe. Mutter hat sich damals für mich geopfert, um mich vor den Klauen des Imperators zu retten.
Selbst Vater, der in den Gewölben Baltoras für mich gestorben ist, da er versucht hat, mich aus den Fängen des Imperiums zu befreien. Es war alles umsonst!
Torava senkt den Blick und spielt nervös mit ihren zarten Händen. Einen Unterschied bemerke ich doch zwischen ihr und meiner Mutter. Die blasse Haut ist vollkommen makellos und auch ihre Figur wirkt so, als hätte sie noch nie ein Schwert gehoben oder sich in einen Kampf gestürzt.
Diese Frau lebt seit Anbeginn ihrer Zeit in diesem Anwesen und ich denke nicht, dass sie je etwas anderes gesehen hat.
»Deine Mutter ist hier geboren und aufgewachsen, Ravanea«, erklärt sie mir und ich will einfach nicht glauben, was sie da sagt.
Meine Mutter soll zum Adel des Imperators gehört haben? Wie kann das sein? Und wieso hat sie uns all die Jahre angelogen?
Allerdings würde das so vieles erklären. Mir war es immer ein Rätsel, weshalb das Imperium trotz der Geheimhaltung meiner Rune mein Geheimnis herausfinden konnte. Möglicherweise kannte Mutter auch die Wege ins Gewölbe hinein und hätte es geschafft, mich zu befreien, wenn der Imperator ihr nicht in die Quere gekommen wäre.
Und da wäre noch das auffälligste Merkmal, das mir oft zu Ohren gekommen ist. Mein Aussehen. Sogar Myra und Raymond bemerkten die Besonderheiten, die darauf hindeuten, dass ich nicht aus einer Armutsfamilie kam.
Und nun habe ich eine Antwort darauf. Meine Mutter Ravatoria stammt aus einer Adelsfamilie.
Aber wieso hat sie es uns nie erzählt? Aus Angst, dass wir unsere Verwandten aufsuchen würden? Wusste Vater davon? Oder hat sie es selbst ihm nie erzählt?
Ich bin so entsetzt über die Wahrheit, dass ich zu Boden sinke und meine Gedanken sich innerlich überschlagen. »Wieso?«, hauche ich.
Torava setzt sich auf das riesige Himmelbett und legt ihre Hände in den Schoß. »Deine Mutter ist schon immer anders gewesen. Wir waren Zwillinge, weswegen du auch anfangs dachtest, dass ich Ravatoria wäre. Doch wir wuchsen vollkommen unterschiedlich auf. Während ich mich für Bücher, Lehren und Geschichten interessierte, wollte deine Mutter hinaus die Welt bereisen und das Kämpfen lernen. Wir waren von Grund auf verschieden.« Ihr Blick wandert zum Fenster und in ihren Augen erkenne ich, dass meine Anwesenheit ihre gesamten Erinnerungen an Mutter aufleben lässt. »Unsere Eltern sahen für deine Mutter nur den Ausweg, sie jung zu verheiraten, um ihr die Träumereien aus dem Kopf zu jagen. Als Toria sechzehn Jahre alt wurde, stellten sie ihr den Sohn einer Kaufmannsfamilie vor, der gewillt war, sie zur Frau zu nehmen.«
»Mutter sollte heiraten? Wie konnten meine Großeltern das nur tun?«, möchte ich erbost wissen. Mir ist klar, dass so etwas in den Reihen des Adels üblich ist, aber sie haben meine Mutter eindeutig loswerden wollen.
Torava zuckt nur mit den Schultern und seufzt schwer. »Als meine Schwester schließlich mit ihm nach Sudwell in sein Anwesen reisen sollte, floh sie und ich sah sie seitdem nie wieder.«
Vermutlich lernte sie auf ihrer Flucht Vater kennen und gründete mit ihm eine Familie. Aber wie kam das Imperium ihr auf die Schliche? Und aus welchem Grund? Wussten sie etwa von meiner Rune? Oder begegnete Mutter ihnen wieder?
Möglicherweise hat sie auch jemand erkannt, obwohl das niedere Volk kaum die Gesichter des Adels sieht. Sie kommen ja noch nicht einmal in die Nähe von ihnen. Ob es also jemand aus dem gehobenen Stand war?
»Erst als sie dich aus den Gewölben befreien wollte – ich wusste nicht einmal selbst, dass du hier bist und der Imperator dich gefangen hält –, habe ich sie wiedergesehen. Aber auch nur kurz, denn danach wurde sie …« Sie hält inne und senkt betrübt den Kopf.
Ich rümpfe die Nase. »Aber wie kannst du nur hier leben? Für mich ist der Imperator das grauenvollste Monster im gesamten Imperium! Keine hundert Runen würden mich an diesem Ort festhalten, wenn ich die Chance hätte, zu fliehen.«
Torava erhebt sich vom Bett und geht ans Fenster, durch das sie in die Ferne blickt. »Ich bin nicht so mutig wie meine Schwester. Ihr war es gleich, ob sie verhungern oder jemand sie auf ihrer Flucht töten würde. Sie hätte sich sogar lieber dem Gesindel in Massott angeschlossen, als zurück in den Palast zu kommen. Doch ich war zu feige für solch einen Versuch. Ich blieb bei meinen Eltern, heiratete mit achtzehn Jahren einen dreißig Jahre älteren Adelsmann, der mein Vater hätte sein können, und ließ mich von ihm schwängern.«
Mir klappt die Kinnlade herunter. »Was?«
Sie beißt sich auf die Unterlippe und schließt nachdenklich die Lider. »Er starb jedoch kurz darauf. Er ließ mich und meinen Sohn zurück und vermachte uns ein großes Vermögen, doch das hielt nicht lange an. Der einzige Ausweg, um meinen Sohn und mich in diesem goldenen Palast weiterhin beschützen zu können, war, eine neue Ehe einzugehen.«
Und sie heiratete erneut jemanden. Das muss ich nicht einmal erfragen. »Hast du jemals Baltora verlassen?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Meine Pflichten binden mich an dieses Adelsviertel. Mein Sohn – also dein Cousin – ist der Einzige, der das Recht hat, durch die Welt zu reisen. Aber diese Erlaubnis besitzt er auch nur, weil es seine Handelsbeziehungen zulassen. Der Imperator sieht es nicht gerne, wenn die Adelsleute in Baltora die Hauptstadt verlassen.«
Aus Angst wovor? Tratsch? Gerüchten? Oder davor, dass sie beschließen, woanders zu wohnen?
Mir wird mehr und mehr klar, dass der Herrscher Amateas egoistischer ist, als ich anfangs dachte. Er will alles für sich haben und kontrollieren können. Genau deswegen gibt er auch nicht den Krieg gegen Oceana auf, das einzige Land, das sich noch behaupten kann.
Ich erhebe mich seufzend und stopfe meine Hände nervös in die Seitentaschen meiner Lederrüstung. »Weißt du, was der Imperator hier will? Ich meine, wieso steckt er mich in ein solches Zimmer?«
Torava sieht mich genauso ahnungslos an. »Nachdem du vor zweieinhalb Jahren geflüchtet bist, machte ich mich bei den Soldaten des Imperators kundig. Ich wollte unbedingt wissen, was sie mit dir angestellt haben, und fand heraus, dass sie dich offensichtlich an seine Grenzen trieben und du beinahe gestorben wärst. Genau das – so denke ich – möchte der Imperator nun verhindern, weshalb er dich offensichtlich in einem Turm eingesperrt hat.«
»Was will er damit erreichen? Darauf warten, bis er die Tafel gefunden hat, um meine Rune zu entsiegeln?«, platzt es wütend aus mir heraus. Finn muss im Gegensatz zu mir dort unten um sein Überleben kämpfen.
Verzweifelt gleite ich, mit dem Rücken an den Bettpfosten gelehnt, hinab und lege das Gesicht in meine Hände. »Ich muss hier raus, Torava. Mein Bruder und Finn sind in den Gewölben eingesperrt und ich muss sie befreien.« Erwartungsvoll sehe ich sie an, in der Hoffnung, dass sie mir helfen wird.
Sie seufzt frustriert. »Baltora ist eine Festung, eine unüberwindbare Mauer, aus der es bisher nur ganz wenige herausgeschafft haben. Der Imperator wird nun ein besonderes Auge auf dich werfen.«
›Damit hat sie gar nicht mal so unrecht‹, höre ich Danev plötzlich sagen.
›Offensichtlich scheinst du deine Stimme wiedergefunden zu haben‹, denke ich mir knurrend.
›Ich möchte damit nicht behaupten, dass eine Flucht unmöglich sei, aber es ist nah dran. Auch wenn du das nicht hören willst, Rave …‹ Mein Herz zieht sich zusammen, da mir klar ist, welche Worte nun folgen werden. ›Entweder du oder sie. Aber gemeinsam werdet ihr Baltora nicht verlassen können.‹
Ihre Worte reißen mir den Boden unter den Füßen weg. Soll das bedeuten, nur ich oder mein Bruder und Finn werden fliehen können?
Torava atmet deutlich ein. »Ich würde dir so gerne helfen, Rave. Wirklich. Aber selbst ich, die seit ihrer Geburt in Baltora lebt, weiß, dass ihr allein keinen Weg hinaus finden werdet. Außerdem habe ich einen Sohn und ich kann nicht einschätzen, was der Imperator mit ihm tun würde, wenn er herausfindet, dass ich dir zur Flucht verhelfe.«
Meine Augen beginnen zu brennen und ich versuche trotz der Wut und Enttäuschung, die Tränen zurückzuhalten.
Ich kann nicht zulassen, dass Finn und Ravass sterben, nur weil ich einen Fehler gemacht habe.