Читать книгу Wächter der Runen (Band 3) - J. K. Bloom - Страница 16
8 - Ravanea
ОглавлениеObwohl bereits mehrere Stunden vergangen sind, traue ich mich noch immer nicht, meine Finger zu bewegen. Natava hat für mich heimlich Verbände mitgehen lassen, um die Blutung wenigstens zu stoppen. Ihre Hilfe ist der einzige Lichtblick in diesen grauenvollen vier Wänden. Sie scheint meinen Schmerz nachvollziehen zu können und war vollkommen erschrocken, als sie mich mit meinem blutbesudelten Kleid vorfand.
Sie schaut zweimal am Tag vorbei und bringt mir etwas zu trinken und zu essen, das sie in ihre Schürze gestopft hat. Es ist nicht viel, dennoch rettet sie mir damit das Leben.
Als sie gerade wieder nach mir sieht, liege ich erschöpft im Bett, und meine Hand schmerzt. Vorsichtig öffnet sie den Verband und tastet anschließend meine Stirn ab.
»Ihr fiebert, Mylady. Die Wunde entzündet sich, weil wir sie nicht gereinigt haben.«
Mit schweren Lidern sehe ich zu ihr, während sie das Blut wegwischt. Ich unterdrücke einen Klagelaut, indem ich mir auf die Unterlippe beiße.
Sie hält ihren Zeigefinger an den Mund, um mir zu bedeuten, still zu sein. Anschließend zieht sie etwas aus ihrer Schürze, das wie ein kleines Fläschchen aussieht. »Es ist ein starker Met, den ich habe mitgehen lassen. Er sollte zumindest Eure Wunden reinigen.«
Ich schnappe scharf nach Luft, weil ich weiß, wie grauenvoll das Zeug brennen wird. Doch sosehr ich mich auch davor fürchte, dieses Gesöff über meine Verletzung gießen zu lassen, ich werde keine andere Wahl haben. Wenn die Wunde sich erst einmal richtig entzündet, werden die Tage noch qualvoller. Selbst Danev schafft es nicht, mit ihren Heilkräften zu mir durchzudringen.
Natava knotet für mich einen kleinen Teil der Decke zusammen und drückt mir diesen zwischen die Zähne. Schweißperlen rinnen an meiner Schläfe hinunter.
Nervös sehe ich dabei zu, wie sie die schmutzigen Verbände unter meine Hand legt, um nichts auf dem Bett zu verschütten, während sie das kleine Fläschchen ansetzt und den Met über meine Hand tröpfeln lässt. Als der erste Tropfen auf die offene Wunde trifft, kann ich nicht anders, als zu schreien. Zum Glück dämpft die Decke zwischen meinen Zähnen den Laut ein wenig, sodass die Wachen mich draußen hoffentlich nicht hören.
Ich schließe die Lider, während mein ganzer Körper verkrampft. Der Met fühlt sich an, als würde er meine Hand wegätzen und sich noch tiefer in das Loch hineinfressen.
Nach etwa einer Minute ist Natava bereits dabei, neue Verbände um meine Hand zu wickeln, sodass das Brennen langsam abnimmt. Tränen sind mir währenddessen aus den Augen getreten und an meinem Kinn zusammengelaufen.
»Ich werde Euch eine Salbe besorgen, Mylady. Eine Bedienstete von uns ist eine Kräuterkundige und kennt sich mit solchen Verletzungen aus.« Natava seufzt frustriert. »Ich würde Euch gerne eine Heilrune mitbringen, doch die müsste ich erst einmal erwerben und in den Palast hineinschmuggeln.«
Ich schüttle den Kopf und wische mir die Schweißperlen von der Stirn. »Nein, Natava. Ist schon gut. Du hast mehr als genug für mich gemacht.« Auf meine Lippen legt sich ein sanftes Lächeln. »Vielen Dank.«
Sie streicht behutsam mit den Fingern über meinen Handrücken und ich bin wirklich froh, wenigstens einen Menschen in diesem Palast zu kennen, der mich nicht quälen wird. Natava tut mir richtig gut und ich werde ihr niemals vergessen, wie sie mir hilft.
»Ich habe Euch ein bisschen Brot und Wasser mitgebracht, Mylady. Teilt es Euch gut ein, denn ich kann erst wieder morgen früh nach Euch sehen.«
Ich drücke dankbar ihre Hand. »Einfach nur Rave, Natava. Denn ich bin keine Mylady und ganz sicher gehöre ich nicht in diesen grauenvollen Palast.«
Sie lächelt nur zart. »Wie Ihr wünscht, Rave.«
Als sie sich erhebt, verschwindet sie mit einem letzten Blick über die Schulter aus dem Zimmer und ich atme tief durch. Tatsächlich scheint der Alkohol bereits seine Wirkung zu zeigen, denn das Pochen nimmt mit der Zeit ab.
Während ich also einfach im Bett liegen bleibe, schweifen meine Gedanken zu Finn und meinem Bruder. Welche Qualen müssen sie in diesem Moment erleiden und was macht Roan wirklich mit ihnen?
›An ihm klebten Spuren von portes tenebra. Vermutlich bedient er sich genau wie sein Vater an dieser Macht‹, erklärt Danev, die sich seit dem Essen nicht mehr gemeldet hat.
›Dann gibt es also wirklich eine Quelle hier im Palast.‹
›Vermutlich, sonst wären die Kräfte des Imperators nicht so furchteinflößend. Selbst ich, die sich in den letzten Jahrhunderten noch nie vor irgendwem gefürchtet hat, würde es bevorzugen, diesem Mann aus dem Weg zu gehen.‹
Mir verpasst es eine weitere Gänsehaut, daran zu denken, was geschehen könnte, wenn er herausfindet, dass ich gelogen habe. Die Schmerzen an meiner Hand wären wohl nur der Anfang. Aber fürchtet er sich nicht davor, dass ich erneut mein Leben aufgebe und dann fliehe?
›Ich glaube, er will dich auf eine andere Art quälen. Seelisch. So lange, bis du den Verstand verlierst.‹
Ich zische empört. ›Dafür muss er aber sehr viel tun, damit dies geschieht.‹
Danev zögert für den Moment, bevor sie vorsichtig antwortet. ›Rave, ich kann bereits spüren, wie es dich zerfrisst. Es zermürbt dich schon allein der Gedanke, dass Finn und dein Bruder leiden, während du in diesem Turm gefangen bist und ihnen nicht helfen kannst.‹
So gern ich ihr widersprechen möchte … sie hat recht. Es zerstört mich von innen. Langsam. Schleichend, wie eine alles zerfressende Krankheit.
Der Imperator wollte mich vermutlich dabeihaben, damit mir Roan von seinen Experimenten erzählt und wie er Finn und Ravass foltert. Wahrscheinlich ist es nicht das letzte Mal gewesen, dass ich mit ihm an einem Tisch sitze. Vielleicht massakriert er beim nächsten gemeinsamen Essen meine andere Hand.
Ich beschließe, ein wenig zu schlafen, um dem Schmerz zu entfliehen, doch da klopft es bereits an der Tür. Im ersten Moment habe ich Natava erwartet, die zurückgekehrt ist oder einen Weg gefunden hat, mir die Salbe zu bringen.
Aber es tritt eine ganz andere Gestalt herein. Überrascht schaue ich in die mir bekannten dunkelbraunen Augen. »Torava!«
Sie bittet mich mit einer deutlichen Handbewegung, still zu sein, und kommt an mein Bett geschlichen. »Die Wachen wechseln gerade ihre Schicht. Ich kann nicht lange bleiben«, flüstert sie. Ihr Blick fällt mitleidig auf meine verletzte Hand. »Zeig mal her.«
Ich reiche ihr den Arm, damit sie zart die Verbände abnehmen kann. Sie verzieht das Gesicht. »Das sieht schlimm aus. Es entzündet sich.«
Ich nicke nur.
Aus ihrem Korsett zieht sie zwischen ihren Brüsten eine Runenplakette heraus, und Hoffnung wallt in mir auf, als ich die Zeichen darauf lese. Sie hat eine ›Heilungs‹-Rune mitgebracht.
Vorsichtig drückt sie diese auf den Handrücken und ich spüre ein warmes Kribbeln an der Stelle, an der vorhin noch ein Brennen wahrzunehmen war. Langsam wächst das Gewebe wieder zusammen und auch die Haut bildet allmählich eine Kruste. Der Schmerz verklingt beinahe ganz, doch bevor meine Hand wieder vollständig genesen ist, entzieht mir Torava die Rune. »Wir dürfen nicht alles heilen, sonst bemerkt man, dass dir jemand geholfen hat. Trage einfach noch mehrere Tage den Verband und lass niemanden deine Wunde sehen. Sollte dich der Imperator wieder zum Essen bitten, tue so, als würde sie noch schmerzen. In Ordnung?«
Ich seufze erleichtert und schaue sie dankbar an. »Wie kann ich dir jemals …«
Sie schüttelt heftig den Kopf. »Das musst du wirklich nicht. Als ich gehört habe, was während des Essens vorgefallen ist, bin ich sofort aufgebrochen, um eine Möglichkeit zu finden, zu dir zu gelangen.« Ihr Blick gleitet zur Tür. »Die Wachen werden jeden Augenblick zurückkehren.«
Auch wenn ich durch das Fieber viel zu geschwächt bin, um an eine Flucht zu denken, lasse ich die Möglichkeit nicht aus, Torava erneut danach zu fragen. Ich weiß, dass sie schon unglaublich viel für mich riskiert, aber ich darf keine einzige Chance verstreichen lassen, um hier herauszukommen. »Denkst du, ich könnte es schaffen, den Palast zu verlassen?«
Sie bleibt kurz vor der Tür stehen und dreht sich zu mir um. »Ohne eine Armee …« Ihr entfährt ein schwerer Seufzer. »Es ist nicht das Problem, den Weg aus dem Palast zu finden, sondern die etlichen Barrieren, die ihn dir versperren werden. Dazu kommen noch die vielen Wachen und Gänge, die es dir unmöglich machen, ungesehen hinauszukommen. Du bräuchtest einige gute Runen, um das zu schaffen.«
Ich erhebe mich aufgeregt. »Ist es nicht möglich, dass du mir welche besorgst?«
Torava verzieht mitleidig das Gesicht. »Doch, aber Kora wird es spüren, wenn jemand ihre Rune auf deiner Haut entsiegelt. Sie würde sofort Alarm schlagen und dann wären wir beide …«
Meine anfängliche Hoffnung verschwindet, da mir nicht bewusst gewesen ist, wie egoistisch mein Gedanke war. Sie würden Torava verdächtigen und der Imperator fände die Wahrheit heraus, wenn er sie in seine Hände bekäme. Dabei will ich niemanden dieses unvorstellbare Leid ertragen lassen.
Enttäuscht senke ich den Kopf. »Entschuldige bitte, daran habe ich nicht gedacht.«
Sie lächelt aufmunternd. »Uns fällt bestimmt etwas ein, Ravanea. Ich …« Sie hält kurz inne, als würde sie nochmals darüber nachdenken, was sie nun sagt. »Wenn dieser Palast nur keine Festung wäre, dann würden wir eher einen Weg finden. Aber du bist dem Imperator viel zu wichtig, als dass er darauf nicht achten würde, eine Flucht zu verhindern.« Sie breitet die Arme neben sich aus. »Warum, denkst du, hat er dich sonst in einen Turm gesperrt?«
Damit hat sie nicht ganz unrecht.
Sie betätigt den Griff der Tür und raunt mir noch leise zu: »Ich werde sehen, was sich tun lässt. Aber versprechen kann ich nichts.« Aus ihrem Ausschnitt nimmt sie ein kleines Fläschchen und wirft es mir zu. »Sollte er dir wieder Schmerzen zufügen, trink das. Es hemmt die Qualen und beschleunigt den Heilungsprozess.«
Anschließend verschwindet sie so schnell, wie sie gekommen ist.
Ich greife nach dem kleinen Glasfläschchen und fahre über den Korken, der verhindert, dass die Flüssigkeit ausläuft. Der Inhalt ist milchig und sieht auf den ersten Blick nur wie trübes Wasser aus. Aber ich vertraue Torava und bin ihr dankbar dafür, dass sie mir trotz des hohen Risikos hilft.
Ich fahre über die Kruste an meiner Hand und spüre noch immer einen leichten Schmerz, der allerdings lange nicht mit dem zu vergleichen ist, den ich zuvor ertragen musste.
Müde senke ich die Lider und vergönne es mir, ein wenig Ruhe zu finden, da ich seit dem Vorfall kein Auge zugetan habe.
Als ich erwache, herrscht draußen tiefste Nacht. Der Palast leuchtet in einem eisigen Blau auf, als bestünden seine Fassaden aus Kristallleuchten. Um mir das Spektakel näher anzusehen, schäle ich mich aus der Decke und blicke fasziniert aus dem Fenster.
Auf den Turmspitzen befinden sich riesige weiße Lotusblüten, die mir anfangs gar nicht aufgefallen sind. Womöglich erkennt man sie nur nachts gut, wenn die Sonne untergegangen und alles um einen herum dunkel ist. Sie sind das Wappensymbol des Imperiums.
Auch wenn ich es ungern zugebe, der Palast ist so majestätisch, wie es nur einem Herrscher gebührt. Doch viele der Menschen in Baltora wissen nicht, welches Monster wirklich auf dem Thron sitzt. Sie glauben sogar an die Gutmütigkeit des Imperators und dass er alle Länder vereinen wird, damit es nie wieder Krieg gibt.
Worüber die Bürger Amateas aber nie nachgedacht haben, ist die Tatsache, dass nie Krieg ausgebrochen wäre, wenn das Imperium nicht gewesen wäre. Bevor dieses entstanden ist, herrschte in allen Ländern Frieden und niemand riss sich darum, ein Reich nach dem anderen zu erobern.
Ich lasse meine Stirn gegen das kühle Fenster sinken und schaue zu meiner Hand hinunter, deren Entzündung dank der ›Heilungs‹-Rune von Torava verschwunden ist. Sie pocht nun auch nicht mehr, dennoch schmerzt sie, sobald ich sie nur bewege oder die Finger krümme.
Als mein Blick erneut nach draußen gleitet, richte ich meine Augen auf den Himmel, der mit Abertausenden von Sternen besetzt ist. Er erinnert mich an Urnach, das Dorf, in dem ich aufgewacht bin, weil Mutter mich vor dem Imperator beschützte. Ich wünschte mir so sehr, ich könnte dorthin zurück, um die Dinge ungeschehen zu machen und meinen dummen Fehler zu beheben.
Vielleicht hat Torava recht und es ist unmöglich, diesem Palast zu entkommen. Aber der Imperator kann mich nicht ewig hier festhalten, da auch mein Körper irgendwann vergehen wird oder mich dieser Wahnsinn hier letztendlich zum Tod führt.
Als ich die leuchtende Lotusblüte ins Visier nehme, bemerke ich den Schatten eines Vogels, der daran vorbeifliegt. Dabei fällt mir ein, dass ich selbst auch nur Flügel bräuchte, um dem Turm zu entkommen. Ich könnte aus dem Fenster springen und müsste nie wieder zurückkehren.
Um ein wenig frische Luft einzuatmen, betätige ich den Griff und reiße das Fenster auf. Kalte Nachtluft weht mir ins Gesicht, doch ich genieße diesen Duft, der mich an den Wald und das Leben außerhalb dieses Palastes erinnert.
Gerade als ich wieder zu den Sternen schaue, fällt mir erneut der Schatten des Vogels auf. Ich frage mich, welche Art zu so später Stunde noch auf der Jagd ist und weshalb ausgerechnet über den Palastdächern, wo es weit und breit keinen erdigen Boden gibt.
Als der Vogel zu kreischen beginnt, erkenne ich anhand des Klanges, dass es sich dabei um einen Falken handelt. Aber es ist nicht irgendein Falke.
Überrascht reiße ich die Augen auf und beginne heftig mit den Armen zu fuchteln. »Neagan!«
Der Vogel mit dem roten Gefieder kommt im Sturzflug in meine Richtung geschossen, sodass ich zur Seite springe und der Falke wild durch das Zimmer saust.
Mit klopfendem Herzen begrüße ich meinen alten Freund, der Finn und mich seit unserem Wiedersehen an den Grenzen zu Oceana begleitet hat. Voller Vorfreude warte ich, bis sich der Falke gesetzt hat und auf dem Pfosten des Bettes Platz findet.
Es tut so gut, ihn zu sehen und zu wissen, dass ihm nichts passiert ist. An seinem Fuß fällt mir ein kleiner weißer Zettel auf, den ihm wohl jemand angebunden haben muss.
Vorsichtig nähere ich mich ihm und nehme den Zettel entgegen. Er lässt es zu, dass ich die Schnur löse und die Nachricht öffne.
Rave, wir sind in die Wasserstadt geflohen, wo wir Schutz bei der Königin fanden. Baltora ist von mächtigen Barrieren umgeben, gegen die unsere Kräfte machtlos sind. Wir arbeiten daran, gemeinsam mit dem Erbauer Runen zu schmieden, um zu dir durchzudringen. Ich hoffe, dir geht es gut. Halte durch.
I.
I wie Iain? Dann geht es ihnen also gut? Bedeutet das außerdem, dass sie tatsächlich einen Weg finden wollen, um mich zu befreien? Aber was ist, wenn etwas schiefläuft? Keine weitere Teilschöpfung darf Baltora betreten, darauf hofft der Imperator doch nur.
Aufgeregt laufe ich zu den Schubladen neben der Tür und suche hektisch nach einer Schreibfeder. Ich finde zwar eine, doch leider gibt es nirgends Tinte, mit der ich schreiben könnte.
Auch wenn es keine gute Idee ist, meine gerade verheilte Wunde wieder aufzureißen, habe ich keine andere Wahl, als mein Blut zu benutzen. Ich stoße die Spitze durch die Kruste in meiner rechten Hand und unterdrücke einen weiteren Schrei, als sich erneut der Schmerz durch meinen ganzen Arm zieht. Blut quillt aus der wieder geöffneten Wunde und ich antworte mit einer grauenvollen Handschrift auf die Nachricht.
Mir geht es gut. Aber bleibt, wo ihr seid. Ihr dürft Baltora auf keinen Fall betreten. Der Imperator wartet nur auf eine solche Gelegenheit.
R.
Mit links zu schreiben, fällt mir unheimlich schwer, und ich brauche auch fast dreimal so lange, als ich es normalerweise tue. Aber als ich fertig bin, rolle ich den Zettel wieder zusammen und binde ihn an Neagans Fuß, der brav gewartet hat. Ich streichle über seinen kleinen Kopf und hätte ihn am liebsten an mich gedrückt, da es unheimlich guttut, einen alten Freund wiederzusehen. Niemals hätte ich gedacht, den Falken ein weiteres Mal zu treffen, zumal wir bei dem Vorfall an der Grenze getrennt wurden.
Wie es wohl Sleipnir und Schneeweiß ergeht? Auf eine seltsame Art vermisse ich die beiden. Tiere haben immer schon eine beruhigende Wirkung auf mich gehabt. Ihre Anwesenheit ließ mich immer klar denken und selbst die verzwickteste Situation optimistisch betrachten.
»Mach’s gut, Neagan«, flüstere ich, als der Vogel ein leises Kreischen von sich gibt und aus dem Fenster hinausschießt.
Ich sehe ihm noch so lange nach, bis er mit der Dunkelheit der Nacht verschmilzt und ich ihn nicht mehr erkennen kann.
Es war damals Finns Idee gewesen, unsere letzten drei Buchstaben zu nehmen, um daraus einen neuen Namen zu kreieren. Für gewöhnlich ist diese Tradition nur bei den eigenen Kindern üblich, aber da wir beide wohl niemals ein normales Leben führen werden, haben wir sie auf unseren gemeinsamen Begleiter angewendet.
Ich schließe wieder das Fenster und lege mich erneut ins Bett. Mit den noch übrig gebliebenen Verbänden drücke ich die neue Stelle zu, die ich vorhin mit der Feder aufgerissen habe, und versuche trotz des Pochens wieder einzuschlafen.
Hoffentlich werden Iain und die anderen meine Nachricht erhalten. Wie lange wird Neagan fliegen, um die Wasserstadt zu erreichen? Muss er dafür nicht durch die trockene Genjil-Wüste? Was ist, wenn er kein Wasser findet? Oder sich verirrt?
Aber er hat den Weg hierher gefunden, sodass ich fest daran glaube, dass er ihn auch zurückfinden wird.