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Die Anklagen
ОглавлениеDer erste Kläger wird nun aufgerufen, seine Klage vorzutragen.
Als Erstes tritt der Natminder, der wie ein Reh mit einem Wolkenkörper aussieht, nach vorn und stellt sich als Caprio vor. Er berichtet von den Sorgen und Nöten der Geschöpfe, die in den Wäldern und auf den Wiesen leben. „Was sollen sie in Zukunft fressen?“, fragt er und seine Stimme vibriert. „Denn immer mehr Pflanzen erkranken oder sterben sogar. Die Wälder werden abgeholzt und die Tiere finden keinen Schutz mehr. Die Regentropfen müssen über den kahlen Boden fortfließen, weil keine Wurzeln und Moose mehr da sind, an denen sie sich festhalten und wieder zurück ins Erdreich gelangen können, um so den lebensspenden, unterirdischen Wasserstrom zu bilden. Die Bäume haben nun nicht genug zu trinken, und wenn dann die großen Stürme dieser Zeit kommen, können sie sich nicht mehr halten, weil sie schwach sind, sie stürzen um und sterben. Die Wiesen und Felder werden mit stinkenden, braunen Flüssigkeiten besprüht, die außerdem noch fürchterlich brennen, sodass viele Blumen ihre zarten Blättchen und Blüten nicht mehr dem Sonnenlicht entgegenstrecken mögen und in der Erde vermodern. Nun haben die Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten keine Nahrung mehr, fliegen mit leeren Beutelchen in ihre Bauten und können ihre Kinder nicht mehr füttern. Wächst dann doch etwas Zartes, Grünes, so kommen die Menschenmenschen mit noch fürchterlicheren Flüssigkeiten, die sie mehrmals im Jahr auf alles, was sie angepflanzt haben, regnen lassen, und die kleinen, geflügelten Geschöpfe bekommen davon fürchterlichen Husten und ersticken. Nun haben auch die Vögel kein Futter mehr für ihre Kleinen. Traurig fliegen sie umher und die wenigen Fliegen, die sie noch finden, sind auch schon halbtot und vergiftet. Wenn sie die dann ihren Kindern zu Hause im Nest füttern, werden viele von ihnen krank und erreichen nicht einmal das Alter für das Federkleid. Es dauert nicht mehr lange und der Gesang der gefiederten Boten des Frühlings wird auf dieser Erde endgültig verstummen.“ Dicke Tränenbäche rollen jetzt aus den Rehaugen des hübschen Natminders, und Benni muss auch weinen.
Die beiden Feen umschweben den weinenden Natminder und klagen: „Verschwinden die Blumen, verschwinden die Elfen – verschwinden die Elfen, verschwindet das Wunder!“
Die beiden Kobolde klopfen zwei kleine Steine aufeinander und singen: „Verschwindet der Wald, verschwinden die Kobolde – verschwinden die Kobolde, verschwindet der Schutz für Haus und für Hof!“
Muttererde Terra nickt und wischt sich mit einer ihrer vielen Hände über die Wangen. Die Ährenkrone auf ihrem Kopf wird ganz dürr und grau. Die Blumen ihrer Ketten sind plötzlich alle verwelkt und hängen schlaff und braun um ihren Hals, und das Obst in ihrer Schale hat braune verfaulte und weiße schimmelige Flecken bekommen. Es ist wirkliche ein sehr trübes Bild, das sie da auf einmal abgibt.
Die Ankläger verneigen sich und gehen zurück zu ihrer Gruppe.
Jetzt ist die Gruppe der Undergrounder dran und der eckige Bergtyp tritt stampfend und brummend in die Mitte, gefolgt von zwei Undinen und Oilanten. Auch er habe einen Namen, er heiße Earl of Mohorowitschitsch, aber man könne ihn einfach Earl Mohoro nennen, beginnt er etwas wichtig.
Sie drängten in seine Tiefen vor, sagt er, und das schon sehr lange, aber bisher habe er die Wunden, die sie ihm geschlagen hätten, immer gut verkraften können, es seien ja immer nur Kratzer gewesen. Was aber seit geraumer Zeit geschehe, könne er nicht mehr hinnehmen. Sie würden sein Atemorgan, das Meer, verstopfen, sie würden da hineinschmeißen, was sie zuvor aus seinem Inneren, aus seinen Eingeweiden herausgeholt hätten. Die Undinen, und dabei schaut er wieder ein wenig missbilligend zu den wunderschönen, blauschimmernden jungen Mädchengestalten, hätten ihn als Erste angesprochen, und da habe er es nicht gleich geglaubt, denn die sängen und jammerten ja schnell einmal, so war seine Meinung. Aber als sie ihm immer wieder die toten Wale, die Könige seines Atemorgans, gezeigt hätten, sei er dann doch aufmerksam geworden und habe sehr besorgt den Zustand seiner Meere zu Kenntnis nehmen müssen. Es werde immer wärmer und das Atmen seiner Meereslunge falle ihm schon spürbar schwerer, sagt er und schnauft – nicht zu überhören – schwer und lang. Und das sei noch lange nicht der Kern der Sache, fährt er fort. Sie würden sich immer tiefer in seine Haut und in seine Eingeweide fressen und alles herauspumpen, ohne Rücksicht auf die Stabilität seines Reiches. „Vor Kurzem“, spricht er aufgeregt weiter, „haben mich die Oilanten angesprochen, diese Wesen, die tief in meiner Haut leben, und haben mir Schreckliches offenbart: Ihr Lebenselement, das Erdöl, werde immer mehr abgepumpt, es werde knapper, viele von den Oilanten seien sehr krank und einige sogar schon gestorben. Sie befürchten nun, wenn das immer so weitergeht, dass sie die Decke nicht mehr stützen können. Es gibt schon beängstigende Risse, und dann wird das Meerwasser in meine Eingeweide herabstürzen, meine Lunge wird kollabieren – und ich ... ich werde sterben. Und ihr könnt euch ja wohl ausmalen, was dann geschieht, oh große Muttererde Terra!“ Earl of Mohorowitschitsch schweigt jetzt und über sein Berggesicht laufen Ströme von Tränen.
Die Oilanten brummen: „Verschwindet das Erdöl, verschwindet die Wärme – verschwindet die Wärme, verschwindet die Kraft!“
Die Undinen umklammern die Füße des Earl of Mohorovičić und sagen weinerlich: „Versickert das Wasser, versickert das Leben – versickert das Leben, gewinnt der Tod, gewinnt der Tod, gewinnt der Tod!“
Muttererde Terra wird von einem Weinkrampf geschüttelt, blutige Tränen rinnen aus ihren schönen großen Augen, die Harfe gleitet aus ihrer Hand und fällt scheppernd zu Boden. Nach einer Weile der Stille streicht sie sich die Strähnen ihrer blonden Locken aus dem Gesicht, richtet sich, so gut es geht, majestätisch wieder auf und winkt die letzten der Ankläger herbei.
Der Universianer rollt mittels seiner sechs Zacken nach vorn, lupft sein blaues Käppchen, das etwas lässig an der linken Zacke baumelt, wischt kurz über seine beiden oberen Sternenspitzen, sodass sie strahlen und leuchten, und sagt:
„Gestatten, ich bin Star Stella Stellarus, kurz Stellarus, und werde von den Gasanos, Sylphen und Lichtalben begleitet. Vorab soll ich allen herzliche Grüße von der Sonne übermitteln. Sie hat mich beauftragt, euch die Notwendigkeit einer baldigen Änderung ans Herz zu legen, ansonsten wird sie in Kürze ihre kostbare Energie nicht mehr zur Verfügung stellen. Aber nun zu unseren ureigenen Anliegen und Klagen.“ Wieder poliert er seine Zacken, wischt sich über das goldstrahlende Gesicht, dass es nur so blitzt und funkelt, verstreut etwas Sternenstaub und beginnt endlich mit seiner Klagerede: „Früher haben die Menschen in all den vielen Sternen Gottheiten gesehen, haben sie verehrt und besungen … Das waren noch Zeiten“, schwärmt er, dreht sich im Kreis und weist mit einer der Zacken hinauf zum Himmel.
Muttererde Terra räuspert sich und der große Deva ermahnt ihn, den eigentlichen Grund seines Erscheinens doch bitte umgehend zu nennen.
Stellarus seufzt leicht dramatisch, doch dann besinnt er sich. „Nicht genug, dass sie Theia, die Halbschwester unserer Muttererde Terra, als Mond bezeichnen und ihr laufend auf die Pelle rücken, nein, sie schießen dauernd künstliche Gebilde in unseren schönen dunklen Weltenraum, schicken sonderbare Strahlenstraßen durch die Weiten unseres Reiches, stören unsere Magnetfelder, verwirren die Vögel, die auf unseren Strahlenstraßen fliegen, und haben keine Bedenken, uns ihren Müll aufzuhalsen! Das nenne ich eine bodenlose Unverschämtheit! Schließlich ist es unser Reich und nur wir haben das Recht, Licht und Strahlen weiterzuleiten!“
Er sieht trotzig in die Runde und putzt sich ausgiebig seine Zackenhände, als wolle er sich die Fingernägel lackieren. Dann sieht er die Gasanos an und fährt etwas langsamer fort: „Folgendes ist aus dem Reich der Gasanos zu beklagen: Die Luftschichten der Erde verändern sich zunehmend und dramatisch, weil die Gasanos die Orientierung durch den ganzen Schmutz, den die Menschenmenschen in die Luftschichten schicken, verlieren. Die Sylphen bemühen sich zwar, mit Stürmen und Orkanen die Atmung der Erde zu reinigen, aber sie schaffen es bald nicht mehr. Wenn nun also die Sylphen die Atmung der Erde nicht heilen können, wird sie immer mehr verschmutzen. Dadurch können die Lichtalben ihre Lichtteilchen nicht mehr durch den Äther tragen, die Erde wird zunehmend finster und dunkel – und alles wird absterben, denn Licht bedeutet Leben! Soweit nun mein Bericht.“
Stellarus putzt wieder über seine Zacken, dann meint er lakonisch: „Es müsste mich ja nicht wirklich interessieren, denn meine Heimat ist die Weite des Universums, aber wer weiß“, und nun ist er mit einem Mal sehr ernst, „wenn die Erde so schwer erkrankt, ob das dann nicht auch Folgen für uns alle hat, weil einfach alles aus dem Gleichgewicht geraten ist – und die Schöpfung ist doch der vollkommene Gleichklang aller Dinge!“
Die Gasanos summen: „Verschmutzen die Schichten, verkehren die Kräfte – verkehren die Kräfte, verlieren die Bahnen!“
Die Sylphen wehen hin und her und singen heulend: „Verstummen die Winde, ersticken die Wasser – ersticken die Wasser, verderben die Wesen!“
Die Lichtalben schmiegen sich aneinander und schluchzen: „Verlieren wir Licht, verdunkelt die Erde – verdunkelt die Erde, erlischt alles Leuchten – ohne Leuchten keine Hoffnung, ohne Hoffnung kein Leben!“
Nach diesen Worten erfasst Muttererde Terra ein heftiger Hustenanfall, sie beugt sich weit vor, ringt um Luft und die Devas streichen ihr beruhigend über den Rücken. Sie röchelt immer noch, ringt nach Atem, windet sich, hustet wieder, und erst die kleine Elfe kann sie mit einem Strauß frischer Eukalyptusblätter beruhigen. Es dauert eine ganze Weile, bis Muttererde Terra wieder einigermaßen bei Kräften ist und sprechen kann. Ihre ganze Gestalt sieht jetzt wirklich krank und geschwächt aus, ihre Gesichtsfarbe ist blass und ihre Augen sind glasig und fahl, Schweißperlen rinnen in Bächen von ihrer Stirn und ihre Arme liegen schwach und leblos auf ihrem Schoß.