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Der rasche Niedergang der britischen Arbeiterklasse

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In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts musste die Arbeiterklasse auf beiden Seiten des Atlantiks schwere Schläge einstecken (das beste Bild davon bekommt man, wenn man sich die zweite Staffel von The Wire ansieht, falls ihr das nicht längst getan habt. Und wieso habt ihr euch The Wire noch nicht angesehen?). Die Globalisierung veränderte weiter die Art und Weise, wie wir Geschäfte machten, und Margaret Thatcher, Ronald Reagan und ihresgleichen führten eine besonders aggressive Form des Kapitalismus ein. Profit um jeden Preis wurde zum höchsten Ziel – und wenn das hieß, dass es billiger war, Waren aus dem Ausland zu importieren, statt sie im eigenen Land herzustellen, dann war das eben so. Die britische Industrie, einst eine der stärksten der Welt, erlebte den Niedergang zugunsten einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft. Das augenfälligste Opfer dieser Entwicklung war die Bergbauindustrie, die durch Schließungen geschwächt wurde. Tausende von Männern verloren ihre Jobs. Manche Städte waren so eng mit dem Bergbau verwoben, dass die Mehrzahl ihrer Bewohner arbeitslos wurde, und da es vor Ort kaum andere Beschäftigungsmöglichkeiten gab, breitete sich schnell Armut aus. Viele Familien lebten seit Generationen quasi nur vom Bergbau, und geringe Schulbildung und fehlende Ausbildungsmöglichkeiten bedeuteten, dass viele Männer unvermeidlich in die Langzeitarbeitslosigkeit rutschten. Die Narben durch diese gesellschaftlichen Veränderungen sind noch heute zu sehen, und in den am härtesten betroffenen Regionen ist inzwischen eine ganze Generation herangewachsen, die noch nie einer Arbeit nachgegangen ist. Armut und Massenarbeitslosigkeit bringen eine ganze Reihe weiterer sozialer Probleme mit sich: wachsende Kriminalität, steigender Alkohol- und Drogenmissbrauch, mehr Gewalt. Wenn sich Hoffnungslosigkeit mit Langeweile paart, hat das destruktive Folgen, doch da spielt auch angeschlagene Männlichkeit hinein. Straftaten, Drogenmissbrauch und Gewalt betreffen alle, doch bei all diesen Delikten sind die Täter in der Mehrzahl Männer.

Körperliche Arbeit war besonders männerdominiert, aber an keinem anderen Arbeitsplatz war so viel rohe Männlichkeit im Spiel wie im Bergbau. Im Endeffekt entmannte (in Ermangelung eines besseren Wortes) der Untergang dieser Industrie Millionen von britischen Männern der Arbeiterklasse, und ich wage zu behaupten, dass ein großer Teil der nachfolgenden sozialen Probleme dem verzweifelten Versuch von Männern zuzuschreiben ist, ein Gefühl für ihre Männlichkeit zurückzugewinnen. Gewalt ist von Natur aus männlich: Gegen andere Männer zu kämpfen ist eine öffentliche Demonstration von Männlichkeit, während häusliche Gewalt eher eine Zurschaustellung von Dominanz gegen eine Partnerin ist; unter Alkoholeinwirkung steigt das Risiko gewalttätigen Verhaltens, und da das Trinken ein besonders männlicher Bewältigungsmechanismus ist, geht beides schnell Hand in Hand. Der Reiz bei Kleinkriminalität wie zum Beispiel Vandalismus liegt hauptsächlich in dem damit verbundenen Risiko, und wie ich in einem anderen Kapitel weiter untersuchen werde, ist übertriebene Risikobereitschaft ebenfalls ein Merkmal toxischer Männlichkeit.

Im 20. Jahrhundert haben wir toxische Männlichkeit in diesen benachteiligten Gemeinden in einem bis dato (zumindest in diesem Extrem) nicht gekannten Ausmaß miterlebt, und das liegt daran, dass es keine gesunden Möglichkeiten der Selbstbestätigung mehr gab, mit denen Männer bis dahin zufrieden gewesen waren. Männer müssen sich in ihrer Männlichkeit sicher fühlen können, sie müssen das Gefühl haben, dass ihr Gender irgendwie wertgeschätzt wird. Wenn es dafür keinen gesellschaftlichen Rahmen mehr gibt, suchen sie die Wertschätzung in unsozialen Aktivitäten wie Gewalt und Kleinkriminalität.

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