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Roboter waren praktisch und vielseitig, doch es gab Dinge, die sie überforderten. Manchmal waren es gerade die einfachen Herausforderungen, an denen sie scheiterten, und dazu gehörten auch die geschwungenen, ansteigenden Sitzreihen des Kongresssaals. Und deshalb sammelte jetzt Pedro den Dreck auf, den die Delegierten zurückgelassen hatten. Leere Wasserflaschen, In-Ears, ein einzelner Schuh, sogar ein Gebiss: Alles kam in den blauen Sack, dessen Inhalt irgendjemand sortieren würde, bevor er in die Müllverbrennungsanlage kam, oder auch nicht.

Es war fünf nach halb elf, außer ihm hielt sich niemand mehr im Saal auf. Doch als Nachhall der Stimmen verweilte noch ein irritierendes, insektenhaftes Gesumm, und auch die Gerüche, süßlich, schweflig, modrig, alienhaft, waren noch wahrnehmbar. Er trug wieder die Brille, was zur Folge hatte, dass ein Teil der Hinterlassenschaften ein widerliches Eigenleben entwickelte. Da gab es dicke blaue Würmer, die sich auf dem Teppichbelag ringelten, und graue Fladen, die sich mehr fließend als kriechend fortbewegten. Der Zettel aber, den er vom Boden aufhob, war aus Papier, und die Handschrift war deutlich zu lesen: RITA flies at 5 p.m. Er konnte ein bisschen Englisch, die Übersetzung war kein Problem: Rita fliegt um siebzehn Uhr. Dennoch schob er die Brille hoch und besah sich den Zettel genauer. Irgendetwas stimmte nicht damit. Er hatte zwei, drei Muntermacher geschluckt, denn er arbeitete eine Doppelschicht ab. Die Buchstaben waberten vor seinen Augen, die Umrisse sah er doppelt, dreifach … vierfach? Schwer zu sagen. Doch das war es nicht. Plötzlich machte es bei ihm Klick. Rita war großgeschrieben: RITA. Das war nicht der Name irgendeiner Delegierten, die morgen Nachmittag vorzeitig abreisen wollte. Das war eine Abkürzung.

Augenblicklich begannen Glücksräder in seinem Kopf, zu kreisen. Es waren die gleichen wie in den Automatenbuden, wo viele Arbeiter, benommen von der unmenschlichen Schwüle der unklimatisierten Außensiedlung, ihr Geld verspielten. Anstelle der bunten Früchte und megabusigen Weiber standen Worte drauf. Als sie zum Stillstand kamen, war klar, was die Abkürzung bedeutete: Rocket Integrated Target Annihilation – RITA.

Rocket bedeutete Rakete, und Annihilation Vernichtung. Also ein Attentat. Jemand plante einen Vernichtungsschlag, der logischerweise am letzten Sitzungstag stattfinden würde, also in vier Tagen, und Pedro war möglicherweise der einzige Außenstehende, der davon wusste – vielleicht der einzige Mensch auf der Welt, der die drohende Katastrophe verhindern konnte.

In dieser Nacht fand er keinen Schlaf, was nicht nur an der Hitze lag. Vor Aufregung verwechselte er die Pillen und schluckte statt des Schlafmittels zwei weitere Estrellas. So kam es, dass er mit großen, brennenden Augen in die Dunkelheit seiner überhitzten Behausung starrte, während sich die Möglichkeiten durch seinen Kopf wälzten wie grüne, rote und blaue Dschungelschlangen. Schließlich stand er auf und bestieg den Schwebetransporter, ohne gefrühstückt zu haben. Als er pünktlich fünf vor acht seine erste Schicht antrat, herrschte schon vor dem Kongressaal helle Aufregung. Überall wurde aufgeregt diskutiert. Sein Körper hatte sich in eine sensible Antenne verwandelt. Er fing die Erregung auf und verstärkte sie. Das Blut summte ihm in den Ohren, Blitze durchzuckten sein Gesichtsfeld. Auf dem Weg zum Serviceeingang schnappte er auf, dass die Chinesen für den letzten Sitzungstag, an dem die Abschlusserklärung verabschiedet werden sollte, eine bedeutende Erklärung angekündigt hatten.

Natürlich, die Chinesen. Er wusste nicht, in welcher Beziehung das Raketenattentat mit der Ankündigung stand, aber der Zusammenhang lag auf der Hand. Es konnte kein Zufall sein. Die Schicksalslinien hatten sich verknotet, und er steckte mittendrin. Doch wem sollte er sein Geheimnis anvertrauen? Der Polizei? Es gab kaum Polizei auf dem Gelände. Stattdessen patrouillierten sogenannte Friedenswächter, aus China importierte AnBots. Ob sie ihn überhaupt verstehen würden? Zunächst aber musste er sich umziehen.

»He, Pedro, du Arschloch!«, rief Luiz, als er die Ankleide betrat. Die Arme vor der Tonnenbrust verschränkt, grinste der Vorarbeiter ihm entgegen. »Schon gepinkelt heute?«

»Si, Señor!«, sagte Pedro und nickte eifrig.

»Dann eben nach der Arbeit, haben wir uns verstanden?«

»Aber, Señor, ich dachte …«

»Falsch gedacht, Pedro. Heute schlägt die Stunde der Wahrheit. Der Detektor findet auch Estrellas, hast du das gewusst?«

Von plötzlicher Wut übermannt, warf Pedro sich auf seinen Peiniger. Es flammte rot vor seinen Augen, das Fieber, das seinen Körper zum Glühen brachte, verlieh ihm ungeahnte Kräfte. Er schleuderte Luiz in einen offenen Spind, doch der Mann passte nicht hinein. Immer wieder schlug er zu, bis Luiz’ Gegenwehr erlahmte. Dann drückte er mit aller Kraft, doch der Mann wollte sich den Dimensionen des Spinds einfach nicht anpassen. Er trat ihn in den Unterleib, hämmerte ihm die Fäuste gegen den Kopf. Schließlich ließ er von dem Bewusstlosen ab und wischte sich die blutigen Hände an der Hose ab. Keuchend zog er den Zettel aus der Tasche, spuckte auf die Rückseite und drückte sich das Papier auf die Stirn, mit der Botschaft nach vorn. Er hatte eine Mission, und dafür brauchte er beide Hände.

Er ließ den Rucksack zu Boden gleiten, holte die Mitarbeiterkarte hervor und heftete sie sich an die Brust. In Straßenkleidung mischte er sich unter die Kongressdelegierten. Jetzt war er einer von ihnen. Er ging gemessenen Schritts, nickte nach rechts und nach links, als grüßte er alte und neue Bekannte. Der AnBot am Saaleingang ließ ihn passieren. Unwillkürlich steuerte er die Bühne an. Das Podium war unbesetzt. Wie er es im Fernsehen gesehen hatte, klopfte er aufs Mikro. Mittelschwerer Donner tönte aus unsichtbaren Lautsprechern. Auf einmal fühlte er sich stark und wichtig.

»Meine Damen und Herren«, sagte er mit einer Stimme, die ihm fremd in den Ohren klang. »Gäste aus nah und fern, Besucher von den Sternen …« Auf einmal sah er sie wieder. Die Aliens saßen Seite an Seite mit den Menschen, und alle schauten ihn mit ernster Erwartung an.

»Ich habe nichts Gutes zu verkünden«, fuhr Pedro fort. »Aber es kann etwas Gutes entstehen, wenn das Böse verhindert wird. In drei Tagen, nein in vier … jedenfalls am letzten Sitzungstrag wird ein Anschlag stattfinden. Ich weiß nicht wo, aber ich kenne die Uhrzeit. RITA flies at five p.m.«

Zwei handgroße Kameradrohnen näherten sich mit leisem Sirren und richteten ihre starren Augen auf ihn. Auf dem riesigen Wandbildschirm wurde sein braunes, schweißüberströmtes Gesicht angezeigt. Perdo tastete nach dem Zettel, zog ihn von der Stirn ab und hielt ihn den Drohnen entgegen.

»Diese Nachricht wurde mir zugespielt. Der Inhalt ist unmissverständlich. Ich fordere alle Verantwortlichen auf, zu verhindern, dass die Rakete …«

Sie kamen von links, keine AnBots, sondern Menschen. Einer warf ihn zu Boden, ein anderer legte ihm den Arm um den Hals und drückte ihn die Luft ab, ein dritter löste einen kurzen Stab vom Gürtel und hielt ihn Pedro an die Schläfe.

NOVA Science-Fiction 30

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