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»Hörst du das?«, fragte Maylin. Sie legte das Com auf den Boden, setzte die AR-Brille ab und lauschte mit schiefgelegtem Kopf.

»Ich höre nur den verdammten Bambus rauschen«, sagte Kenshou.

»Doch, da ist was. So ein Meckern.«

»Vielleicht ein Vogel.«

»Nein, ein großes Tier. Ich glaube ein Panda.«

»Pandas kommen nicht hierher. Die leben weiter drinnen.«

Sie befanden sich am Rande des größten Naturschutzgebietes von Shaanxi. Übernachtet hatten sie im Zelt. Der Anmarsch war mühsam gewesen, und ohne den Transportbot, der jetzt mit eingeknickten Beinen neben dem Zelt lag wie ein schlafendes Tier, hätten sie es nicht geschafft.

»Ich hör’s auch«, sagte Hong unvermittelt. Er war aufgestanden und blickte Richtung Westen, wo der Bambus sich lichtete. »Es kommt vom Felsen.«

»Dann sieh nach!«, zischte Kenshou. »Na los, geh schon! Und nimm das Pfefferspray mit.«

»Ich gehe auch«, sagte Maylin.

»Hast du die Daten schon überspielt?«, fragte Kenshou.

»Noch nicht.«

»Dann bleibst du hier.«

»Das ist ein Panda«, sagte Maylin, als wäre dies ein Argument, das alle Einwände ausstach. In ihren Augen war es das auch. Sie studierte Informatik an der Universität Peking, doch ihr Interesse galt vor allem der Ökologie und ihre Liebe den Pflanzen und Tieren. Deshalb war sie auch der Umweltschutzgruppierung Freunde des Planeten beigetreten. Von der geheimen Untergruppierung der Planetenkämpfer hatte sie erst vor drei Tagen gehört, als ein Mann sie gefragt hatte, ob sie bereit sei, an einer geheimen Aktion teilzunehmen, die dem Schutz des Planeten diene. Für ihre Teilnahme hatte er ihr eine beträchtliche Aufstockung ihres Sozialpunktekontos versprochen, im Falle einer Ablehnung indirekt mit einem Studienverbot gedroht. Sie hatte widerstrebend eingewilligt, und schließlich hatte sich Kenshou bei ihr gemeldet. Er erklärte, ein Mann sei ausgefallen, und aufgrund ihrer Programmierfähigkeiten sei sie der perfekte Ersatz. So war sie in dem Naturschutzgebiet gelandet.

»Einen Panda in freier Wildbahn sehen, das passiert mir vielleicht einmal im Leben«, sagte sie. »Nur fünf Minuten!« Die Angst, die sie während des Anmarsches verspürt hatte, war verflogen. Sie richtete sich auf und schlich hinter Hong her durch den Bambus. Es wurde immer heller, dann auf einmal hatte sie freie Sicht auf den Felsvorsprung. Sie kauerte sich neben Hong hinter einen Farn. Die Abschussvorrichtung mit der NH13 leuchtete in der Morgensonne wie ein Alienartefakt. Sie war ein Fremdkörper inmitten des grünen Bambuswalds. NH13 sei der kleinste Marschflugkörper der chinesischen Marine, hatte Kenshou erklärt, kaum zweieinhalb Meter lang. Die Reichweite betrage lediglich hundertzwanzig Kilometer, doch für ihre Zwecke sei das mehr als genug.

Das Fusionskraftwerk Goldener Drache, das heute in Betrieb gehen sollte, lag am Rand des Naturschutzgebiets und war etwa fünf Kilometer Luftlinie entfernt. NH13 würde es nicht vollständig zerstören, die Inbetriebnahme aber um mehrere Jahre verzögern. Die gewaltigen Elektromagnete, die das Plasma bändigen sollten, waren hochempfindliche Apparate. Die hohe Störanfälligkeit war neben dem anfallenden radioaktiven Abfall der Grund, weshalb die Planetenkämpfer die Zerstörung des Kraftwerks für notwendig hielten. Kenshou hatte angedeutet, der Entscheidung seien harte Diskussionen im innersten Führungskreis vorausgegangen. Eine Minderheit habe die Ansicht vertreten, Fusionskraftwerke seien CO2-neutral und ungefährlich, weshalb sie keine Gefahr für die Umwelt darstellten. Maylin war gegen Atomkraft, egal in welcher Form, weshalb sie durchaus Sympathien für die Planetenkämpfer hatte. Trotzdem war sie bereit, ihre Pflicht zu tun. Es musste sein.

»Es sind zwei!«, flüsterte Maylin aufgeregt. »Ein Männchen und ein Weibchen!«

Das Weibchen hatte sich halb auf die NH13 gelegt und präsentierte dem Männchen ihr Hinterteil. Als er sich an ihr aufrichten wollte, fuhr sie herum und stieß ihn gegen die Brust, sodass er nach hinten purzelte. Sie fauchte ihn an und entfernte sich ein paar Meter.

»Sie ist interessiert«, sagte Maylin. »Aber das kann sich hinziehen. Die Paarung kann bis zu zwei Stunden dauern.«

»So viel Zeit haben wir nicht«, sagte Hong.

»Warum nicht?«

»Weil es bei einer politischen Aktion auf die Wirkung ankommt«, erwiderte Hong im Flüsterton. »Die Anlage soll zerstört werden, bevor die Regierung die Eröffnung bekannt geben kann.«

»Außerdem wurde es so beschlossen«, sagte Kenshou. Er war plötzlich hinter ihnen aufgetaucht und ging neben ihnen in die Hocke. Das Gewehr hatte er geschultert. »Und wir halten uns an die Beschlüsse.« Er blickte Maylin an. »Geh zurück, lade die Koordinaten und mach das Ding scharf.« Er nahm das Gewehr von der Schulter.

Maylin blickte zur Abschussvorrichtung. Sie bestand aus zwei zusammenklappbaren Dreibeinen, auf denen die Rakete ruhte. Das Pandaweibchen hatte anscheinend Gefallen daran gefunden. Sie rieb sich mit dem Hinterteil daran, während das Männchen begehrlich zuschaute. Die Tatzenhiebe des widerspenstigen Weibchens hatten ihn anscheinend eingeschüchtert. Die Ständer mit ihrer schweren Last schwankten bedrohlich.

»Wenn das Ding startet, wird sie womöglich verletzt oder sogar getötet«, sagte Maylin.

»Wir haben einen Auftrag«, beharrte Kenshou. »Das Atomkraftwerk muss zerstört werden. Und wenn die Rakete umkippt, halten wir den Zeitplan nicht ein. Also verschwinde. Sofort.«

»Ich mache das«, sagte Hong, bevor Maylin etwas sagen konnte. Beide Hände um die Pfefferspraydose gelegt, lief er auf den Felsvorsprung. Das Weibchen bemerkte ihn als Erste. Mit einem verdutzten Schnaufer richtete sie sich auf die Hinterbeine auf und bewegte die rechte Vordertatze auf und ab, als winke sie ihn zu sich heran. Der männliche Bär drehte sich um und ging, frustriert vom langwierigen Liebesvorspiel, sogleich in den Angriffsmodus über. Mit gebleckten Zähnen stieß er eine Art Bellen aus und stürmte Hong entgegen. Als er ihn beinahe erreicht hatte, knallte es. Maylin fauchte wie eine Raubkatze. Im letzten Moment hatte sie den Lauf der Waffe zur Seite gedrückt, sodass der Schuss danebengegangen war.

»Warum tust du das?«, brüllte Kenshou.

»Weil wir Tierschützer sind. Wir sind Planetenschützer!«

»Du nicht. Du bist ein Dummkopf, weiter nichts.« Er zielte erneut, doch der Bär hatte Hong zu Boden geworfen, und es bestand die Gefahr, ihn zu verletzen. Fluchend lief er hinüber und zielte auf den Kopf des Pandas, der beide Vordertatzen auf Hongs Brust gesetzt hatte. Mit der Schnauze machte er sich an seinem Gesicht zu schaffen. Seine Schreie hatten nichts Menschliches mehr. Kenshou richtete den Gewehrlauf auf den Kopf des Pandas.

»Neiiiin!«, kreischte Maylin und warf sich aus vollem Lauf gegen Kenshou. Sie prallten beide gegen den Bären, der von Hong abließ. Seine schwarz umrandeten Augen hatten nichts Niedliches mehr, seine Schnauze war blutig. Maylin und Kenshou rappelten sich hoch. Inzwischen war das Weibchen nähergekommen und blockierte den Weg zum Wald. Es winkte nicht mehr, sondern knurrte. Maylin und Kenshou wichen zum Rand der Klippe zurück. Das Gewehr hatte Khenshou fallen gelassen, die Spraydose lag neben dem gurgelnden, zuckenden Hong.

»Was hast du getan?«, zischte Kenshou.

»Panda darf nicht sterben«, murmelte sie mit piepsiger Kinderstimme. »Panda darf nicht sterben …«

Der Bärenmann kam näher.

NOVA Science-Fiction 30

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