Читать книгу Ich kann viel und das ist gut so! - Jacqueline Knopp - Страница 10
Was macht ein Multitalent aus?
ОглавлениеDu bist ein Multitalent, wenn du viele Interessen hast, denen du nachgehst. Du entflammst leidenschaftlich für eine neue Idee, ein neues Thema oder ein neues Projekt und stürzt dich in die Arbeit. Dabei erlebst du oft die typischen Flow-Momente, bei denen du die Zeit vergisst und voll und ganz in deinem Projekt aufgehst. Gleichzeitig hast du viele Ideen und Interessen und weißt nicht, wie du alles unter einen Hut bringen oder womit du anfangen sollst. Du denkst vielleicht auch, dass du nie genug Zeit haben wirst, all deine Ideen umzusetzen. Das kann dich teilweise lähmen und daran hindern, überhaupt mit einem Projekt anzufangen.
Mit der Intensität, mit der du das Projekt begonnen hast, lässt deine Motivation und Begeisterung nach einiger Zeit auch wieder nach und du kannst dich absolut nicht motivieren, das Projekt weiterzumachen. Von außen betrachtet kann es so aussehen, als ob du sprunghaft bist und viele Projekte nicht zum Ende bringst, doch für dich ist das Ende erreicht, wenn deine ursprüngliche Motivation nachlässt. Dann ist es Zeit für eine neue Idee und ein neues Projekt, für das du genauso brennst wie zuvor für das alte Projekt.
Ich finde das Beispiel einer Biene sehr passend, denn Multitalente bleiben – im übertragenen Sinne – nur so lange auf einer Blüte, bis sie zu einer anderen fliegen möchten, während viele andere Bienen so lange auf der Blüte sitzen bleiben, bis der ganze Nektar ausgesaugt ist.
Es ist sehr wichtig zu verstehen, was der eigentliche Grund dafür ist, dass du ein ganz bestimmtes Projekt angefangen hast? Was ist deine persönliche Motivation dahinter?
Nimm dir jetzt fünf Minuten Zeit und denke an die letzten Projekte, die du voller Leidenschaft begonnen hast. Denke vielleicht auch an ein Projekt, das du aufgegeben hast und überlege, was jeweils deine Motivation war, dich diesen speziellen Projekten zu widmen. Mache dir Notizen zu deinen Gründen und deiner Motivation.
Wenn du darüber nachdenkst, kannst du vielleicht bei einem Projekt erkennen, warum du damit angefangen hast. Und du verstehst dann auch, dass du dieses Ziel an dem Punkt erreicht hast, an dem du aufgehört hast. Für dich ist das Projekt an genau dieser Stelle sinnvollerweise beendet. Das ist der Grund, weshalb es von außen so aussehen könnte, als ob du nie etwas zu Ende bringst.
Für mich war diese Überlegung ein erster Schritt hin zu mehr Anerkennung meiner Persönlichkeit als Multitalent, da ich mehr Frieden damit schließen konnte, die Lust an Projekten zu verlieren und Projekte zu Zeitpunkten zu beenden, die mir vorher wahllos erschienen.
Ich hatte zum Beispiel ein Projekt, bei dem ich Stempel selbst machen wollte. Meine Motivation – die mir zuerst natürlich nicht bewusst war – war es, wissen zu wollen, wie das funktioniert, und es auszuprobieren. Ich habe mir ein Set zum Selbermachen gekauft und losgelegt. Es hat Spaß gemacht und ich habe weitere Materialien auf meine Einkaufsliste für den Bastelladen geschrieben. Als ich ein paar Wochen später alles besorgt hatte, habe ich allerdings nie wieder einen Stempel hergestellt, denn ich hatte zu Beginn des Projekts aus meinen ersten Materialien schon zwei Stempel erstellt, erfahren wie es funktioniert und alles ausprobiert. Das heißt, für mich war mein Ziel schon erreicht, sodass alle weiteren – auch neue, ungenutzte – Materialien seitdem in einem Schuhkarton mit der Aufschrift „Stempelsachen“ liegen.
Für Multitalente ist es typisch, neugierig und wissbegierig zu sein. Es kann sich dabei genauso um Wissen aus Onlinekursen, Büchern, Foren und YouTube-Videos handeln wie um Wissen aus der Universität, einer Ausbildung oder einer Fortbildung. Generell passt das Konzept „lifelong learning“, also lebenslanges Lernen, perfekt zu Multitalenten, denn neue Dinge zu lernen und zu erfahren, macht uns glücklich. Wenn wir allerdings verstanden haben, wie etwas funktioniert, sind wir schnell gelangweilt. Darum sind endlose Wiederholungen und eintönige Routinearbeiten ein Graus für jedes Multitalent.
Als Multitalent bist du, wenn du eine neue Idee, einen neuen Job oder ein neues Projekt verfolgst, so voller Leidenschaft, dass du denkst, dass du dir das für lange Zeit vorstellen kannst und vielleicht sogar bis zu deinem Lebensende dabeibleiben möchtest. Das ändert sich allerdings schnell, denn du verlierst irgendwann die Lust daran und die intensive Leidenschaft wird durch eine neue Idee ersetzt.
Du denkst vielleicht immer noch, dass es das Beste wäre, wenn du dich für nur eine Sache entscheidest und dabeibleibst, doch ich kann dir versichern, dass das nicht der richtige Weg für Multitalente ist und das in der Realität auch nicht funktioniert. Wenn du wirklich darüber nachdenkst, kommt es dir vielleicht auch wie dein Albtraum vor, wenn du dein Leben lang nur einen Job machen darfst. Das Problem daran ist vor allem, dass es dich traurig macht und einengt, wenn du NUR eine Sache machen kannst, denn es fühlt sich so an, als ob du all deinen anderen Ideen und somit der intensiven Leidenschaft, mit der du sie umsetzt, den Rücken zukehrst.
Wichtig zu verstehen ist, dass du dich nicht für eine Sache entscheiden musst, sondern in deinem Leben viele Projekte, Jobs und Ideen parallel umsetzen kannst. Gleichzeitig ist nichts verkehrt mit dir und es gibt andere Menschen, die auch Multitalente sind und oft viele Ideen haben, neue Projekte anfangen und andere wieder aufgeben.
Ich persönlich finde allerdings, dass es sich auch als hochsensibles Multitalent lohnt, vor allem bei Ausbildung und Studiengängen zweimal zu überlegen, ob du aufhören möchtest. Wenn du zum Beispiel bereits ein- oder zweimal den Studiengang gewechselt hast, überlege, ob und wie du dich so motivieren kannst, dass du das Studium beendest, auch wenn du nicht immer Lust dazu hast. In Deutschland ist es immer noch so, dass ein Zertifikat viel wert ist, daher finde ich es hilfreich, zumindest eine Ausbildung oder einen Bachelor abzuschließen, um etwas nachweisen zu können.
Ich habe auch schon Studiengänge gewechselt und ein Masterstudium abgebrochen, das mir nicht gut gefallen hat, aber ich denke, dass eine gesunde Mischung zwischen Durchziehen und Aufhören wichtig ist. Es ist natürlich klar, dass fast jeder Mensch bei einer dreijährigen Ausbildung oder einem dreijährigen Bachelor irgendwann den Punkt erreicht, wo er/sie wenig bis gar keine Motivation mehr hat oder gerade ein Thema behandelt wird, das dir so gar nicht liegt.
Einer meiner Professoren hat immer gesagt, wenn es einfach ist, dann kannst du es bereits, d. h., in dem Moment, in dem dir etwas schwerfällt, erzielst du auch den größten Lerneffekt und hast am Ende das größte Aha-Erlebnis. Wenn es einfach wäre und du es schon könntest, müsstest du weder Zeit noch Geld in eine bestimmte Ausbildung investieren. Das fand ich motivierend, weil ich diese Erfahrung seitdem besser habe annehmen und an ihr wachsen können, wenn mir ein Fach oder eine Aufgabe schwerfiel.
Nachdem wir uns im Einzelnen damit beschäftigt haben, was Hochsensibilität ist und was Multitalente ausmacht, gehe ich im nächsten Kapitel genauer auf das Phänomen des hochsensiblen Multitalents ein.