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Arraqa, August 2015

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Abu Khadeifa folgt Abu Faruk, der Sanaa mitgenommen hat, und sie steigen die Treppen hinauf. Die unteren Ebenen sind den Funktionären, hochrangigen Kämpfern und dem Gericht vorbehalten. In den oberen Stockwerken sind die Gefängnisse. Ganz oben sind die bedeutendsten Gefangenen untergebracht. Alle Gegner des IS wurden davon in Kenntnis gesetzt, damit dieses Gebäude vor Luftangriffen geschützt ist. Am Treppenabsatz zum vierten Stock müssen die Männer zurückbleiben. »Du weißt, dass der vierte Stock den Frauen vorbehalten ist«, sagt ein Wärter, der den Eingang zum Frauenbereich bewacht. Abu Khadeifa ist kurzzeitig irritiert. »Mich beschäftigt etwas, ich bin mir über die Identität dieser Frau nicht sicher«, stottert er. Dann fasst er sich und setzt fort: »Ich muss mit Um Baakr über den Vorfall reden und ihr von meinen Zweifeln berichten. Meine Beobachtungen werden ihr bei der Befragung sicher helfen.« Der Soldat schaut ihn zweifelnd an. »Bleibt hier stehen, ich hole sie«, erklärt er und verschwindet hinter der großen Tür. Der Zutritt zum Frauenbereich ist für alle Kämpfer ausnahmslos verboten. Vor dieser strikten Regelung gab es massive Probleme, weil immer wieder Kämpfer um bestimmte Frauen gestritten haben.

Nach einigen Minuten öffnet sich die Tür und eine Frau in Uniform geht auf Abu Khadeifa zu. »Was willst du mir sagen?«, fragt sie mit ihrer tiefen, fast männlich klingenden Stimme und baut sich vor ihm auf. Abu Khadeifa tritt einen Schritt zurück. So wie alle anderen Kämpfer hat er Scheu vor Um Baakr. Sie ist ungefähr vierzig, ihr Gesicht ist durch eine Brandnarbe entstellt, eine Augenbraue fehlt, der Mund ist verzogen. Alle haben Respekt vor ihr, nicht wegen ihrer etwas beängstigenden Erscheinung, sondern weil sie als erste Frau im IS eine wichtige Funktion bekam und Alleinherrscherin über das vierte Stockwerk ist.

In diesem Gerichtsgebäude werden alle straffällig gewordenen Frauen und insbesondere die Sabaya festgehalten und auf die nächstmögliche Ehe vorbereitet. Sabaya sind Frauen anderer Religionen, die im Krieg »erbeutet« wurden. Der IS bestimmt sie als Sklavinnen für die Kämpfer. Besonders gilt das für Jesidinnen und Alawitinnen. Christinnen haben die Möglichkeit, Algesia zu zahlen, Tribut, Steuer, um ihren Glauben behalten zu dürfen. Für arme Christinnen beträgt diese Algesia einhundert Euro, das ist viel Geld, reiche hingegen werden mit sechshundert Euro besteuert. Christen werden als »Träger des Heiligen Buches« gesehen, daher ist diese Religion anerkannt. Jesiden, Alawiten wie auch Schiiten gelten als Abtrünnige und haben nur die Wahl, sich zum »richtigen« Islam zu bekennen oder getötet zu werden. Die Frauen aber können versklavt werden und dürfen an Kämpfer für ungefähr 1500 Euro – das entspricht dem Preis einer Kalaschnikow – verkauft werden.

»Es ist wegen dieser Frau«, erklärt Abu Khadeifa fast unterwürfig. »Wir haben ihr Gepäck und ihre Papiere an der Sicherheitskontrolle untersucht. Und nichts deutet darauf hin, dass sie Alawitin ist. Aber die Frau, die im Bus neben ihr saß, hat uns nachdrücklich versichert, dass sie an der Grenzstelle von einem Regime-Söldner erkannt und mit dem Namen ›Sanaa‹ angesprochen wurde. Sie hat den Söldner gebeten, mit ihr kurz den Bus zu verlassen, und ist nach einigen Minuten wieder eingestiegen. Das schien der Frau neben ihr verdächtig und sie hat versucht, auf dem Handy mitzulesen. Dabei hat sie festgestellt, dass diese Sanaa Alawitin ist.«

Um Baakr nickt und stellt fest: »Das ist meine Arbeit. Ich weiß schon, wie ich das mache.« Sie dreht sich um, gibt Abu Faruk den Befehl, mit Sanaa in das letzte Zimmer am Flur zu gehen und danach sofort wieder auf seinen Posten im Erdgeschoss zurückzukehren, und verschwindet wieder hinter der Tür, durch die sie gekommen war.

Der Geruch der Seele

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