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der kaffee-handel

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Oft heißt es, Kaffee stehe weltweit auf Platz zwei der meistgehandelten Güter. Das stimmt nicht, er gehört nicht einmal zu den fünf wichtigsten, ganz gleich, ob man sich am Volumen oder Umsatz orientiert. Dennoch ist er ins Visier ethisch orientierter Handelsorganisationen geraten. Die Beziehung zwischen Käufer und Erzeuger gilt oft als beispielhaft für die Ausbeutung der Dritten Welt. Zweifellos gibt es Kräfte, die das System missbrauchen. Doch sie sind in der Minderheit.

Der Preis für Rohkaffee wird in der Regel in US-Dollar pro angloamerikanischem Pfund (453 g) beziffert. Es gibt eine Art Weltmarktpreis für Kaffee, allerdings nur für die Massenware (>), die an der New Yorker Börse gehandelt wird. Die Produktion wird dabei oft in Säcken angegeben, wobei ein Sack aus Afrika, Indonesien oder Brasilien 60 kg und ein Sack aus Mittelamerika 69 kg wiegt. Trotz dieser Maßeinheit handelt man Kaffee im Großeinkauf für gewöhnlich in Form von Containern mit rund 300 Säcken Inhalt.

Nur ein kleiner Prozentsatz wechselt tatsächlich an der New Yorker Börse den Besitzer, doch ist der Weltmarktpreis eine Art Mindestpreis, unter den ein Erzeuger nicht geht. Preise für besondere Posten liegen oft darüber. Manche Länder erzielen seit je höhere Preise für ihren Kaffee, etwa Costa Rica oder Kolumbien. Dabei geht es jedoch immer größtenteils um Durchschnittsqualität und nicht um Spezialitätenkaffee.

Den Weltmarktpreis als Basis zu nehmen hat seine Tücken, denn er ist nicht fest. In der Regel werden die Preise von Angebot und Nachfrage diktiert, was bis zu einem gewissen Grad auch für Kaffee gilt. Als Ende der Nullerjahre die weltweite Nachfrage stieg, ging der Preis entsprechend nach oben; zudem sah es fast so aus, als käme es zu Engpässen. Der Kaffeepreis erreichte daraufhin mit mehr als 3,00 US-Dollar pro Pfund einen der höchsten Werte seit Bestehen des Weltmarktpreises. Allerdings lag das nicht allein an der Dynamik von Angebot und Nachfrage. Eine Rolle spielten auch Faktoren wie der Zustrom von Kapital durch Händler und Hedgefonds, die eine Gelegenheit witterten, zu Geld zu kommen. Das führte zu einem so unbeständigen Markt, wie man ihn noch nicht erlebt hatte. Seit diesem Hochstand sind die Preise kontinuierlich auf ein Niveau zurückgegangen, das als ruinös gilt.

Weil der Kaffeepreis von den Produktionskosten unabhängig ist, können Erzeuger in die Verlustzone geraten und durch den Anbau von Kaffee sogar Geld verlieren. Um das zu verhindern, hat man verschiedene Strategien entwickelt. Eine ist die Fair-Trade-Bewegung, die auf einen gerechten Preis für Kaffeebauern Wert legt. Daneben gibt es aber noch etliche weitere nachhaltige Kaffeezertifizierungsmodelle wie die der Organic Trade Association oder der Rainforest Alliance (siehe Kasten unten).

FAIRer handel

Obwohl Fair Traide ein erfolgreiches Modell für Käufer ist, die mit reinem Gewissen Kaffee kaufen wollen, herrscht etwas Verwirrung über die Arbeitsweise der Organisation. Viele sind der Ansicht, dass die Versprechen von Fair Trade nicht erfüllt werden und im Grund jeder Kaffee theoretisch als fair gehandelt klassifiziert werden kann. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wegen der komplexen Geldströme in der Kaffeeindustrie fällt es Kritikern leicht zu behaupten, dass die Kaffeebauern gar nicht von dem Mehrpreis profitieren.

Fair Trade garantiert einen Grundpreis, den die Organisation als nachhaltig erachtet und der mindestens 0,05 US-Dollar/Pfund über dem Weltmarktpreis liegen muss, falls dieser über den Fair-Trade-Grundpreis steigt. Allerdings arbeitet Fair Trade nur mit Produzentenorganisationen zusammen und kann daher keine Einzelerzeuger zertifizieren. Kritiker monieren außerdem die mangelnde Transparenz und das Fehlen einer echten Garantie, dass das Geld tatsächlich bis zu den Kaffeebauern gelangt und nicht durch Korruption in undurchsichtigen Kanälen versickert. Andere wenden ein, es fehlten Anreize für die Farmer, die Kaffeequalität zu erhöhen. Aus diesem Grund sahen sich viele Akteure im Spezialitätensektor veranlasst, neue Wege zu gehen. Sie wollten Kaffee nicht mehr wie auf dem Massenkaffeemarkt üblich zu einem Preis kaufen, der von der weltweiten Angebots- und Nachfragedynamik diktiert wird und Herkunft bzw. Qualität kaum berücksichtigt.

der spezialitätensektor

Spezialitätenröstereien haben verschiedene Modelle entwickelt, wie sie ihren Kaffee einkaufen und welche Beziehungen sie zu ihren Kaffeebauern unterhalten.

ZERTIFIZIERUNG/VERIFIZIERUNGBIOLOGISCHFAIR-TRADE-SIEGELSIEGEL DER RAINFOREST ALLIANCE
ZIELEtablierung eines verifizierten, nachhaltigen Landwirtschaftssystems, welches Nahrungsmittel im Einklang mit der Natur erzeugt sowie die Biodiversität und Bodengesundheit fördert.Verbesserung der Lebensumstände der Bauernfamilien in den Entwicklungsländern durch faire Preise, direkten Handel, Entwicklung der Gemeinschaften und Umweltverantwortung.Schutz der Biodiversität, Entwicklung der Gemeinschaften, Sicherung der Arbeiterrechte und Bewahrung nachhaltiger landwirtschaftlicher Methoden durch ein integriertes System.
GESCHICHTE UND ENTWICKLUNGDie Ursprünge reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Frühe Zielsetzungen wurden in England, Indien und den Vereinigten Staaten formuliert. Die erste Zertifizierung wurde 1967 eingeführt. Inzwischen gibt es international anerkannte Systeme und eine biologische Produktion in allen Teilen der Welt.Das Siegel geht auf eine Organisation mit dem Namen Max Havelaar zurück, die in den 1970er-Jahren in den Niederlanden gegründet wurde. Heute wird es von der deutschen Fairtrade Labelling Organizations International (FLO) verwaltet, die mit mehr als 20 nationalen Zweigorganisationen in aller Welt zusammenarbeitet.Den Anfang machten im Jahr 1992 die Rainforest Alliance und ein Zusammenschluss lateinamerikanischer NGOs, das Sustainable Agriculture Network (SAN). Die erste Zertifizierung für Kaffeefarmen wurde 1996 ausgestellt. Das Programm Rainforest Alliance Certified™ verlangt von den Farmen, in der Produktion, beim Umweltschutz und bei der Beachtung der Rechte und Lebensbedingungen der Arbeiter sowie ihrer Dorfgemeinschaften weitreichende Normen einzuhalten.

Relationship-Kaffee ist Kaffee, bei dem Erzeuger und Röster in einer ständigen Handelsbeziehung stehen. In der Regel bemühen sich beide Seiten, die Qualität des Produkts zu verbessern und den Preis nachhaltig zu gestalten. Den gewünschten positiven Effekt hat ein solches Zusammenspiel aber nur, wenn der Röster ausreichende Mengen abnimmt.

Direct Trade bezeichnet den direkten Handel und ist ein relativ neues Phänomen. Die Röster bringen damit zum Ausdruck, dass sie den Kaffee nicht von einem Importeur, Exporteur oder anderen Dritten beziehen, sondern direkt vom Erzeuger kaufen. Problematisch ist, dass die wichtige Rolle der Importeure und Exporteure in der Kaffeeindustrie dabei außer Acht gelassen wird. Sie werden ungerechtfertigt als Mittelsleute dargestellt, die sich lediglich eine Scheibe vom Kuchen sichern. Damit der direkte Handel tragfähig ist, muss außerdem genug Kaffee abgenommen werden.

Fair Trade deutet darauf hin, dass die Handelsbeziehungen transparent und rückverfolgbar sind und gute Preise bezahlt werden. Eine Garantie für ethischen Einkauf ist die Bezeichnung nicht, doch haben die Beteiligten meist beste Absichten. Sind Dritte beteiligt, kann man davon ausgehen, dass sie einen Mehrwert bieten.

All diesen Einkaufsmodellen liegt das Bemühen der Röster zugrunde, für den Einkauf ihres Kaffees zurückverfolgbare Wege zu nutzen, unnötige Mittelsleute in der Versorgungskette zu überspringen und Preise zu zahlen, die einen Anreiz für die Erzeugung besserer Qualität bieten. Gleichwohl wird immer wieder Kritik an den Modellen laut. Ohne eine Zertifizierung durch Dritte lässt sich nur schwer nachvollziehen, ob ein Röster tatsächlich die Einkaufskanäle nutzt, die er angibt. Manche haben vielleicht Posten von Importeuren oder Brokern gekauft, die diese als rückverfolgbar führen, und geben sie als Direct-Trade- oder Relationship-Kaffee aus.

Die Erzeuger wiederum brauchen nicht mit einer langfristigen Partnerschaft zu rechnen, denn manche Einkäufer spüren jedes Jahr aufs Neue die besten Posten auf, die sie bekommen können. Zumindest bezahlen sie gut dafür. Diese Gegebenheiten erschweren langfristige Investitionen in Qualitätssteigerungen. Hingewiesen werden sollte ferner darauf, dass manche Mittelsleute wertvolle Serviceleistungen bieten, insbesondere wenn sie eher in kleinem Rahmen arbeiten. Die weltweite Kaffeelogistik erfordert ein Maß an Spezialisierung und ein Know-how, das viele kleine Röstereien nicht haben.

RAT FÜR VERBRAUCHER

Beim Kauf lässt sich nur schwer feststellen, inwieweit ein Kaffee aus ethisch vertretbaren Quellen stammt. Manche Spezialitätenröstereien haben Einkaufsprogramme entwickelt, die von Dritten zertifiziert werden, doch sind sie in der Minderheit. Wenn die Herkunft rückverfolgbar ist und der Name des Erzeugers oder zumindest der Farm, Genossenschaft bzw. Fabrik auf der Verpackung steht, kann man guten Gewissens annehmen, dass ein fairer Preis bezahlt wurde. Die Transparenz ist allerdings von Land zu Land unterschiedlich – auf sie wird in den Abschnitten über die jeweiligen Erzeugerländer genauer eingegangen. Wer einen Röster entdeckt hat, dessen Kaffee ihm zusagt, kann sicherlich genauere Infos erfragen. Die meisten geben nur zu gern Auskunft und sind oft sogar ausgesprochen stolz auf ihre Arbeit.

auktionskaffee

Die Menge an Kaffee, die über Internetauktionen den Besitzer wechselt, steigt langsam, aber stetig. In der Regel beginnt es damit, dass in einem Erzeugerland ein Wettbewerb stattfindet, zu dem Kaffeebauern ihre besten Posten einreichen. Sie werden von mehreren Verkostungsjurys beurteilt: anfangs meist von einer örtlichen Jury, anschließend von einem internationalen Team aus Kaffeeeinkäufern, die zur letzten Degustationsrunde einfliegen. Die besten Kaffees werden auf der Auktion feilgeboten und wechseln in der Regel für sehr hohe Preise den Besitzer. Die meisten Auktionen nennen online den erzielten Preis und bieten volle Rückverfolgbarkeit.

Dieses Konzept wurde von einer Handvoll Erzeugern übernommen, die sich dank der Qualität ihres Kaffees einen Namen gemacht haben. Sobald es genügend internationale Kaufinteressenten gibt, führen sie eine Auktion durch. Pionierdienste leistete eine Farm in Panama namens Hacienda La Esmeralda. Für ihre mit Auszeichnungen bedachten Kaffees waren schon zuvor rekordverdächtige Preise bezahlt worden (>–>).


Die frisch geernteten Kaffeekirschen werden sortiert und gereinigt. Dabei holt man un- und überreife Exemplare sowie Blätter, Erdreste und Zweige heraus, oft durch Hochwerfen des Materials in einem Sieb.

Der Kaffeeatlas

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