Читать книгу Heilpflanzen für Männer - eBook - James Green - Страница 7
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Es ist mir ein Rätsel, warum wir Männer nicht schon früher ein Pflanzenbuch für Männer geschrieben haben. Dieses Werk soll das erste von vielen weiteren sein.
Als kleiner Junge rannte ich meist barfuß herum und trug schlabberige Pullover, die in ausgebeulten Kordhosen steckten. Ich fand mich selbst mindestens so großartig wie einen riesigen Grizzlybären. Natürlich wusste ich, dass ich im Vergleich dazu nur einen sehr kleinen Grizzlybären abgab, aber das war mir egal. Ich hatte das Gefühl, Menschen hätten das Potenzial, genauso prachtvoll und frei, mutig und unabhängig zu sein wie ein Grizzlybär, der einfach tun konnte, was er wollte: Er konnte spielen, wütend sein, Wildpflanzen fressen, sich herumwälzen, schlafen, brüllen, seine Wunden lecken und sie dadurch heilen. Er lebte in seinem Gebiet völlig autark und eigenständig. Ich liebte das. Wenn meine Freunde und ich Cowboy und Indianer spielten, war ich immer Broken Arrow, mein Lieblingskrieger unter den Indianern. Indianer verwendeten Wildpflanzen dazu, um wieder auf die Beine zu kommen, und damals schon hielt ich das für eine tolle Sache.
Männer und Frauen, die etwas reparieren konnten, bewunderte ich ebenso. Das waren Menschen, die für sich selber sorgen und anderen helfen konnten, die über einen gesunden Menschenverstand verfügten und dazu noch über alle Fertigkeiten, die man brauchte, um ein unabhängiges Leben zu führen. Sie wussten, wie man Feuer macht, wie man Gemüse anbaut, Nahrung einlagert und bei Verletzungen oder Krankheiten seinen Tieren hilft. Sie besaßen das Wissen und die Fähigkeiten, für ihre Familien zu sorgen, und benutzten auch heimische Arzneipflanzen dazu. Sie ruhten sich aus, wenn sie krank waren, und wussten, wann sie jemand anderem den Rat geben mussten, das ebenfalls zu tun. Sie erlaubten sich, laut aufzustöhnen oder sogar vor Schmerzen zu schreien. Warum auch nicht? Es schien das Natürlichste auf der Welt zu sein, obwohl… Broken Arrow hätte das natürlich nicht getan.
Heutzutage habe ich das Gefühl, dass den Menschen diese Art von Unabhängigkeit völlig verloren gegangen ist. Damit einher geht ein Verlust an Allgemeinwissen, an altem, überliefertem Wissen und einfachen Fertigkeiten. Und mit Trauer merke ich, wie auch der großartige Grizzlybär aus der immer weiter zusammenschrumpfenden Wildnis auf diesem Planeten verschwindet. Ich glaube, dass es eine Verbindung gibt zwischen dem Verschwinden der majestätischen Grizzlybären und dem parallel dazu ablaufenden Verschwinden der menschlichen Fähigkeit zu Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit.
Mit diesem Buch möchte ich dazu beitragen, dass beides erhalten bleibt und in seinem Wert noch gesteigert wird. Ich möchte helfen, gefährdete Pflanzen- und Tierarten zu bewahren und die genauso bedrohte Unabhängigkeit meiner Mitmenschen bei der Pflege ihrer eigenen Gesundheit wiederherzustellen. Ich bin von Beruf ein ganzheitlich ausgerichteter Heilpflanzenkundiger – und damit ein Generalist und kein Spezialist. Bei der Spezialisierung muss man zu viel vergessen. Hauptsächlich verwende ich die Sprache und die Modelle der Gesundheitspflege aus den empirisch vorgehenden Wissenschaften und der klinischen Forschung, wie sie in der traditionellen Pflanzenheilkunde des Westens entwickelt wurden. Dabei beziehe ich mich auf Informationen, die auf den Erfahrungen und Einsichten moderner, ganzheitlich arbeitender Mediziner beruhen.
In meinem Herzen und meinem Denken sind Frauen, Männer und Familien am lebendigsten, die in punkto Gesundheit unabhängig sind und auf sich selbst vertrauen. Ein klares Empfinden von sich selbst und das Wissen sowie die Fähigkeiten, sich um die eigene Gesundheit kümmern zu können, ist meiner Meinung nach für ein Leben in dieser Welt von grundlegender Bedeutung.
Die Pflanzenheilkunde ist eine Kunst und Wissenschaft, die das Wissen darüber beinhaltet, wie sich wilde und kultivierte Pflanzen unabhängig und selbstständig für die persönliche Gesundheitspflege verwenden lassen. Das Pflanzenmaterial und pflanzliche Essenzen zu verwenden, ist ökologisch vollkommen unbedenklich – sofern die Pflanzen mit Verstand geerntet werden. Heilpflanzen sind unverzichtbare pflanzliche Nahrungsmittel und Medizin für alle Bewohner des Gebiets, in dem sie vorkommen. Pflanzliche Medizin ist überall. Sie ist in jedem Wald, in jedem Dschungel, an jeder Küste, selbst in jedem Hinterhof und in jedem Hausgarten zu finden – vorausgesetzt, wir wissen, wie wir sie identifizieren und verwenden können, und vorausgesetzt, die kulturelle Amnesie hat uns nicht befallen und so machtlos gemacht, dass wir uns nur noch als Opfer von Verletzungen und »Krankheiten« sehen, die nicht ohne die externe Expertise einer zu einer Elite gehörenden Autorität geheilt werden können, und der Auffassung sind, Gesundheit lasse sich nicht ohne diese Experten aufrechterhalten.
Irgendjemand stellte einmal weise fest: »Heilung ist eine Grundfunktion des Menschen; sie besteht weder aus der Berührung durch einen Mediziner, noch ist sie eine übernatürliche Kraft.« Heilung ist ein ganz natürlicher Vorgang in der persönlichen Entwicklungsgeschichte jedes Menschen; Krankheit ist das ebenso. Heilung ist ein Bestandteil von jedem, der einen lebendigen Körper sein Zuhause nennt; sie geht einher mit der Tatsache, über einen Körper zu verfügen. Doch wir sollten uns nicht täuschen lassen: Weder die Kraft, sich selbst zu heilen, noch der wirkungsvolle Gebrauch von Heilkräutern und Arzneipflanzen beruht auf dem Vorhandensein einer magischen, chemischen Substanz, die alles im Handumdrehen in Ordnung bringt, oder einer Art Wunderwaffe in Form einer Pflanze. Keine einzige medizinische oder technologische Errungenschaft kann das, obwohl viele mit großem Aufwand versuchen, uns davon zu überzeugen, dass sie das mit irgendetwas hinbekommen. Heilung ist ein sehr viel tiefgreifenderer Prozess und besteht nicht aus dem Kauf eines von irgendeinem Unternehmen fabrizierten pflanzlichen oder chemischen Präparats zur Erlangung von Gesundheit.
Die Fähigkeit, sich um seine eigene körperliche Verfassung zu kümmern, erzeugt auch ein Gefühl, das ich mit Würde bezeichnen würde. Wenn man in einer verständigen Beziehung mit seiner natürlichen Umgebung lebt, persönlich unabhängig ist und alle Fähigkeiten hat, um sich selbst mit natürlichen Heilmitteln und Selbsthilfemaßnahmen zu versorgen, erreicht man eine Würde, die meiner Meinung nach besonders gut zum Wesen eines Mannes und zur männlichen Psyche passt.
Ach ja, die männliche Psyche! Klare Vorstellungen davon müssen irgendwo auf der dunklen Seite des Mondes vorhanden sein, vielleicht in Form eines Labyrinths, das noch mysteriöser ist als das der weiblichen Psyche. In diesem Buch geht es genau um dieses Mysterium. Dieses Buch ist die Frucht aus einem intensiven Austausch persönlicher Erfahrungen, Meinungen und Hypothesen über die männliche Seele und die Pflege der männlichen Gesundheit. Es ist weder ein Buch über Männer, noch ausschließlich an diese gerichtet. Es wurde von einem Mann verfasst, der sich mit anderen Personen seines Geschlechts unterhalten, sie befragt, beobachtet und mit ihnen gearbeitet hat. Die vorliegenden Ideen und Techniken zur ganzheitlichen, auf pflanzlichen Heilmitteln basierenden Gesundheitspflege sollen als Konzepte dienen, die Männer jeden Alters, aller Rassen, aller Länder und Kulturen in ihre Überlegungen einbeziehen können, um damit zu arbeiten und sie miteinander zu teilen. Das Buch richtet sich an alle Männer, mögen sie jung oder alt sein, in der Stadt oder auf dem Land leben, hetero- oder homosexuell sein. Unabhängig von meinen eigenen Vorlieben, die da und dort durchschimmern mögen, möchte ich jeden Mann dazu ermutigen, seinen eigenen Weg anzunehmen und ihm von ganzem Herzen zu folgen.
Bevor wir uns nun auf die Reise in die geheimnisvolle und faszinierende Landschaft aus Fragen begeben, die ganz spezifisch die männliche Gesundheit betreffen, würde ich gerne noch einiges für die Leserschaft und mich als Autor klären.
Wenn ein Individuum an die Öffentlichkeit tritt und ein Buch veröffentlicht, das seine Erfahrungen, Glaubensvorstellungen und Meinungen besonders in den Bereichen Gesundheit und persönlicher Machtbefugnis zur Diskussion stellt, ist es wichtig, Leserinnen und Lesern ihre eigenen Vorurteile aufzuzeigen. In unserer westlichen Kultur erzeugt allein die Tatsache, dass ich dieses Buch geschrieben habe, das dann auch noch veröffentlicht wurde, die Tendenz, mich als besondere Autorität darzustellen. Im Lichte dieses merkwürdigen kulturellen Phänomens wünsche ich mir, die kritischen Leser und Lernenden auf dem Gebiet der Pflanzenheilkunde in angemessenem Umfang mit aufschlussreichen Informationen zu versorgen, die ihm oder ihr dabei helfen, diese Autorität auch infrage zu stellen:
Nichts von dem, was ich sage, wird von mir als Wahrheit präsentiert. (Nur Broken Arrow sprach immer die Wahrheit.) Durch Ihre Augen wird die gedruckte Stimme dieses Buches mein Wissen, meine Beobachtungen und die auf meinen Erlebnissen aufbauenden Auffassungen mit Ihnen teilen. Immer wieder wird dabei aufleuchten, was ich dadurch an Weisheit erlangt habe. Jede Einzelperson hat einen Anteil an dieser Weisheit. Während Ihr Geist durch die Landschaft der von mir für Sie in diesem Buch entworfenen Ideen streift, sollten Sie nicht in einen passiven Zustand des Beobachtens verfallen. Hinterfragen Sie im Lichte Ihrer eigenen Erfahrungen meine Ansichten und lachen Sie ruhig mal laut über die Schlüsse, die ich ziehe. Das Risiko, dass man mir ihr Gegenteil beweist, nehme ich auf mich. Ich weiß, dass ich immer wieder den von meinem Verstand als Wirklichkeit getarnten eigenen Auffassungen aufsitze. Das Wohl des Menschen, dieses Planeten und all seiner unglaublichen Lebewesen sind mir ein großes Anliegen – der Grizzlybären und aller anderen, die diesen Planeten mit uns teilen. Zu diesen Themen, die uns gegenwärtig alle betreffen, habe ich selbstverständlich meine klare Meinung. Wenn ich diese Meinung bisweilen mit der Eindringlichkeit eines Wanderpredigers vermittle, bitte ich um Nachsicht; das gehört wohl einfach zu meinem Charakter und ist wahrscheinlich auf meine geringe Körpergröße zurückzuführen. Gerne erfahre ich dann von Ihnen, womit Sie nicht übereinstimmen und lasse mich auf einen möglichen Irrtum hinweisen. Auf diese Weise können wir miteinander ins Gespräch kommen und als gemeinsam Suchende und gleichberechtigte Mitglieder der einen Spezies Mensch, die offensichtlich noch eine Menge zu entdecken hat, aufeinander einwirken und uns weiterentwickeln. Wir sind ein Menschengeschlecht im Transformationsprozess, das sich in seinen Erfahrungen und Ideen miteinander austauschen sollte, wenn es darum geht, auf dem einen kleinen Planeten zusammenzuleben, zu erfahren, was es heißt, gesund zu sein, und unser individuelles Leben in eine heilsame ökologische Balance zu bringen. Damit, dass einige Menschen Autoren immer als »Experten« ansehen, kann ich leben, solange wir dabei beachten, dass das einzige universelle Merkmal von Experten darin besteht, immer mit anderen Experten uneins zu sein. Für mich selbst hat dieser Begriff keine besondere Bedeutung. Mir ist die Bezeichnung Künstler oder vielleicht auch Könner lieber.