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II. Zivilrechtsakzessorische Tatbestandsmerkmale

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Ein klassisches, streng am Zivilrecht orientiertes objektives Tatbestandsmerkmal stellt das Merkmal „fremd“ dar (z.B. in §§ 242, 246, 249, 303 StGB). Ebenfalls stark vom Zivilrecht geprägt ist die Auslegung des Begriffs der Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung (§§ 242, 249 StGB). Es handelt sich keineswegs um ein allgemeines Verbrechensmerkmal,[24] vielmehr um ein objektives Tatbestandsmerkmal. Die Rechtswidrigkeit der beabsichtigen Zueignung entfällt, wenn der Täter zivilrechtlich einen fälligen und einredefreien Anspruch auf Übereignung der weggenommenen Sache hat; daran ändert die Anwendung von selbst schwerer Gewalt oder von Drohungen mit Lebensgefahr nichts.[25] Über diese Interpretation lässt sich durchaus diskutieren. Sie ist aber schlüssig, wenn man sich den Gedanken vom objektiven Tatbestand als Unrechtstypus in Erinnerung ruft:[26] Wer als Eigentümer zur Übereignung an den Täter verpflichtet ist, hat nur eine rein formale Rechtsposition inne, bezüglich der kein Anlass besteht, sie durch das Eigentumsdelikt zu schützen.[27]

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Noch deutlicher werden diese Zusammenhänge mit Blick auf die §§ 263, 253 StGB, bei denen die Absicht, sich „rechtswidrig“ bzw. „zu Unrecht“ zu bereichern, ebenfalls als objektives Tatbestandsmerkmal eingeordnet wird und entfällt, wenn der Täter einen fälligen und einredefreien Anspruch mittels Täuschung bzw. (qualifizierten) Nötigungsmitteln durchsetzt.[28] Denn auf der Basis des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs muss man in solchen Konstellationen konsequenter Weise bereits den Vermögensschaden verneinen.[29] Diese Verknüpfung mit dem Merkmal des Vermögensschadens veranschaulicht zumindest die Zugehörigkeit des Rechtswidrigkeitselements der erstrebten Bereicherung zum objektiven Deliktstatbestand.

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Besondere Fragen der Zivilrechtsakzessorietät wirft der Untreuetatbestand auf (§ 266 StGB). Das für die Täterqualität wie für die Tathandlung „zentrale Merkmal der Verletzung einer Pflicht zur Wahrnehmung und Betreuung fremder Vermögensinteressen bzw. des Missbrauchs rechtlicher Befugnisse ist nicht nur für sich genommen weit, sondern knüpft zusätzlich an außerstrafrechtliche Normkomplexe und Wertungen an, die das Verhältnis zwischen dem Vermögensinhaber und dem Vermögensverwalter im Einzelnen gestalten und so erst den Inhalt der – strafbewehrten – Pflicht und die Maßstäbe für deren Verletzung festlegen“.[30] Die Reichweite des Tatbestandes ist damit „in hohem Maße akzessorisch zu außerstrafrechtlichen Normen“.[31] Für sich betrachtet ist dies nichts Ungewöhnliches. Probleme mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG ergeben sich aber, wenn die Akzessorietät auf Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe verweist, die das gebotene Verhalten von treuepflichtigem Führungspersonal in einer sehr auslegungsbedürftigen Weise umschreiben. Paradebeispiele stellen die gesellschaftsrechtlichen Normen zum einen des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG (der die Bezüge der Vorstandsmitglieder an die „Angemessenheit“ der Vergütung bindet) sowie zum anderen der §§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG dar, die den „ordentlichen und gewissenhaften“ Geschäftsleiter als Maßstabsfigur hervorheben. So gewinnt auch das BVerfG die Erkenntnis, dass es sich bei dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal um ein „komplexes normatives Tatbestandsmerkmal“ handelt, bei dem sich dem Normanwender zunächst die Frage stellt, „welche außerstrafrechtlichen Bestimmungen zur Beurteilung der Pflichtwidrigkeit heranzuziehen sind. Sodann stellt sich die Frage nach der Auslegung der relevanten Normen, unter denen sich Vorschriften von erheblicher Unbestimmtheit oder generalklauselartigen Charakters befinden können, da sich dem Normtext des § 266 Abs. 1 StGB Anforderungen an die Bestimmtheit der in Bezug genommenen Normen nicht entnehmen lassen“.[32] Das Unbestimmtheitspotential vergrößert sich durch eine sich an § 263 StGB anlehnende Interpretation des objektiven Tatbestandsmerkmals (Vermögens-)Nachteil, eine Interpretation, die konkrete Vermögensgefährdungen einbezieht, die neuerdings präziser als Gefährdungsschäden bezeichnet werden.[33]

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Eine übliche Reaktion auf Bestimmtheitsprobleme mit vom Gesetzgeber gewählten objektiven Tatbestandsmerkmalen ist die Forderung nach restriktiver Auslegung, die auch das BVerfG anmahnt.[34] Im angesprochenen Bereich der Untreue geht es insoweit insbesondere um zwei Kriterien: Erstens wird bei zivilrechtsakzessorischen Pflichtverletzungen das Erfordernis einer „gravierenden“ oder „evidenten“ Pflichtverletzung diskutiert.[35] Zweitens leitet der BGH aus dem Schutzzweck des § 266 StGB ab, dass nur solche (auch strafbewehrte) Verstöße gegen die Rechtsordnung untreuerelevant sind, die zumindest mittelbar auch das zu betreuende Vermögen schützen.[36]

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Weiter hat Saliger auf ein Strukturproblem der Untreue aufmerksam gemacht, das vor allem mit dem herausragenden Stellenwert und dem Verständnis der Tatbestandsmerkmale Tathandlung (Pflichtverletzung) und Taterfolg (Vermögensnachteil) zusammenhängt. Es ist die Gefahr der Verschleifung bzw. Verschmelzung von Tathandlung und Taterfolg. Diese Verschleifung tritt auf als Rückschluss vom Taterfolg auf die Tathandlung und umgekehrt als Schluss von der Tathandlung auf den Taterfolg.[37] Diesen Gedanken hat auch das BVerfG aufgegriffen und das Verschleifungsverbot dem Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG mit der Begründung unterstellt, beim Nachteilsmerkmal müsse „die Auslegung den gesetzgeberischen Willen beachten, dieses Merkmal als selbstständiges neben dem der Pflichtverletzung zu statuieren; sie darf daher dieses Tatbestandsmerkmal nicht mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal verschleifen, d.h., es in diesem Merkmal aufgehen lassen“.[38]

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Bedeutung wie Trag- und Reichweite des Verschleifungsverbotes sind freilich ungeklärt und umstritten. Dies verdeutlicht der Telekom-Fall BGH NJW 2013, 401: Nachdem Geschäftsgeheimnisse der T-AG in der Presse erschienen sind, beauftragt der für die Konzernsicherheit zuständige leitende Angestellte K die N-GmbH mit im Lichte des § 206 Abs. 1 StGB strafbaren Ermittlungstätigkeiten. Nach der Durchführung des Auftrags veranlasst K die Bezahlung auch dieser von der N-GmbH in Rechnung gestellten Tätigkeiten. Der BGH begründet den Schaden damit, dass der Vertrag nichtig ist (§ 134 BGB) und die rechtsgrundlos geleistete Zahlung nicht durch das Erlöschen einer wirksamen Forderung kompensiert wird.[39] Was die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht betrifft, knüpft der BGH nicht an die Norm des § 206 StGB an, weil diese keinen vermögensschützenden Charakter hat. Damit muss eine Strafbarkeit wegen Untreue aber nicht ausscheiden, wenn sich die Verletzung von anderen Pflichten feststellen lässt, die das Vermögen des Treugebers schützen sollen. Eine solche Pflichtverletzung sieht der BGH in der Begleichung einer nichtigen Forderung.[40] Insoweit wird angeknüpft an Pflichten, die sich unmittelbar aus dem Treueverhältnis ergeben.[41] Saliger widerspricht dem vehement und sieht ein „grandioses Missverständnis“.[42] Demgegenüber wird eingewandt, wenn man die Pflichtverletzung in der Anweisung der Zahlung ohne Rechtspflicht und den Vermögensnachteil in der kompensationslosen Minderung des Kontostandes sehe, würden beide Merkmale eigenständig begründet.[43]

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