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2. Verwaltungsaktsakzessorietät

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Bei der Verwaltungsaktsakzessorietät ist die Reichweite des Straftatbestandes von Einzelfallentscheidungen der Verwaltungsbehörden abhängig. Diese Akzessorietätsform ist im Gesetzeswortlaut besonders leicht zu erkennen, wenn die Strafbarkeit – wie mehrfach innerhalb des § 327 StGB – an ein Handeln „ohne Genehmigung“ oder „entgegen einer vollziehbaren Untersagung“ anknüpft (vgl. weiter etwa §§ 326 Abs. 1 Nr. 2, 328 Abs. 1, 329 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, Abs. 3 StGB). Entsprechendes gilt für die zahlreichen Umweltstraftatbestände, die das objektive Tatbestandsmerkmal „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ enthalten (§§ 324a, 325, 325a, 326 Abs. 3, 328 Abs. 3, 329 Abs. 4 StGB), weil über dieses Merkmal ausweislich der Legaldefinition Rechtsvorschriften, die Genehmigungsvorbehalte aufstellen, sowie vollziehbare Verwaltungsakte und vollziehbare Auflagen einbezogen sind (§ 330d Abs. 1 Nr. 4a, c, d StGB).

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Außerhalb des Umweltstrafrechts findet man im Strafgesetzbuch kaum weitere Beispiele für verwaltungsaktsakzessorische Straftatbestände. Anders sieht dies im Nebenstrafrecht aus; beispielhaft seien die folgenden Strafvorschriften genannt: §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AWG; §§ 54 Abs. 1 Nr. 2, 54a Abs. 3 KWG; § 58 Abs. 1 Nr. 17, 18 LFGB; § 52 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2-4 WaffG. Desgleichen findet man im Ordnungswidrigkeitenrecht viele verwaltungsaktsakzessorische Bußgeldtatbestände. Erwähnt seien nur § 81 Abs. 2 Nr. 2 GWB, § 61 Abs. 1 Nr. 1, 4 PBefG sowie die Verkehrszeichen.[47]

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Die Abhängigkeit strafrechtlicher Sanktionen von Verwaltungsakten wirft Grundsatzfragen auf, die hier nicht näher zu diskutieren sind, aber immerhin angesprochen werden sollen. So stellt sich die Frage, ob in solchen Fällen gerade der Gesetzgeber die Strafbarkeit im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG in ausreichender Weise bestimmt. Im Ergebnis akzeptiert man weitgehend diese Gesetzgebungstechnik, soweit der Gesetzgeber die Voraussetzungen für den Erlass von konkretisierenden Verwaltungsakten durch ein förmliches Gesetz hinreichend bestimmt geregelt hat.[48] Bedenken knüpfen vor allem an etwaige verwaltungsrechtlich eingeräumte Ermessens- und Beurteilungsspielräume und unterschiedliche Entscheidungspraktiken der jeweils vor Ort zuständigen Umweltverwaltungsbehörden an.[49]

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Zum Teil umstritten ist, inwieweit auch Verstöße gegen fehlerhafte belastende Verwaltungsakte zu sanktionieren sind. Nach h.M. können auch Verstöße gegen sofort vollziehbare Verwaltungsakte (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) unabhängig von der materiellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts und dem späteren Ausgang ergriffener Rechtsbehelfe bestraft werden.[50] Diese Ansicht verdient keine Zustimmung, weil sie auf eine Ahndung von bloßem Verwaltungsungehorsam hinausläuft.[51] Die Ansicht der h.M. widerspricht auch gewissen Tendenzen in der Rechtsprechung des BVerfG.[52]

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Ferner stellt sich noch die Frage, inwieweit die erwähnten Einzelfallentscheidungen ausschließlich objektive Tatbestandsmerkmale darstellen oder auch Rechtfertigungsmerkmale sein können. Ausgangspunkt ist die Funktion des objektiven Tatbestandes als Unrechtstatbestand, alle Merkmale aufzunehmen, die den typischen Unrechtsgehalt der Straftat begründen.[53] Was das Merkmal „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ betrifft, so wird es einvernehmlich, dem Willen des Gesetzgebers entsprechend, als objektives Tatbestandsmerkmal eingeordnet.[54] Dem ist nicht zu widersprechen. Immerhin sollte man sich die damit verbundenen Aussagen verdeutlichen. Mit Blick auf die drei Umweltmedien Wasser, Boden und Luft fällt ja auf, dass der Gesetzgeber Boden und Luft nicht in gleicher Weise wie Gewässer schützt, etwa in der Art: „Wer unbefugt ein Gewässer, den Boden oder die Luft verunreinigt, wird … bestraft.“ Vielmehr zeigen die zahlreichen, auch durch das Merkmal „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ bedingten, Einschränkungen in den Tatbeständen der §§ 324a, 325 StGB, dass der Gesetzgeber das tatbestandsmäßige Unrecht der Boden- und Luftverunreinigung nicht schon allein in der Verunreinigung sieht, sondern weitere Unrechtsmerkmale für erforderlich erachtet. Diese Linie entspricht der historischen Tradition, wonach der Gewässerschutz eher absoluten Charakter hat, während Boden und Luft eher als frei verfügbar gelten. Indes hat sich unser Wissen über die ökologischen Funktionen von Boden und Luft, vom Gesetzgeber nicht unbemerkt, geändert. Ob und wann die Zeit für eine parallele Ausgestaltung der Tatbestände der Gewässer-, Boden- und Luftverunreinigung kommt, ist ungewiss.

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Soweit die Sanktionierung abhängig ist von erlassenen Verwaltungsakten (vollziehbare Auflagen, vollziehbare Untersagungen), versteht es sich von selbst, dass der Unrechtstypus durch den Verstoß gegen die behördliche Anordnung geprägt wird.[55]

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Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung zwischen Tatbestands- und Rechtfertigungselementen bei dem Merkmal „ohne Genehmigung“ bzw. „ohne Erlaubnis“: Es stellt sich die Frage, ob und wann es sich um ein negatives Tatbestandsmerkmal oder einen (fehlenden) Rechtfertigungsgrund handelt. Die gleiche Frage stellt sich bei Tatbeständen wie den §§ 324, 326 StGB, die ein „unbefugtes“ Handeln voraussetzen, das im Falle einer behördlichen Genehmigung/Erlaubnis ausgeschlossen ist. Diesbezüglich setzt sich zunehmend auch in der Rechtsprechung die Ansicht durch, die auf den Sinn und Zweck des Genehmigungsvorbehalts abstellt und daran anknüpft, ob es sich um ein präventives oder ein repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt handelt. Die Erlaubnis ist Tatbestandsmerkmal, wenn das Verhalten von der allgemeinen Handlungsfreiheit – da sozialadäquat, wertneutral oder nicht unerwünscht – an sich gedeckt wird und die Erlaubnis nur den Zweck hat, eine Kontrolle über potentielle Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu ermöglichen (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). In diesen Fällen bezieht der Tatbestand seinen Unwertgehalt zumindest auch aus dem Handeln ohne Genehmigung. Demgegenüber stellt die behördliche Erlaubnis einen Rechtfertigungsgrund dar, wenn der Tatbestand unabhängig vom Genehmigungsmerkmal einen ausreichenden Unrechtssachverhalt umschreibt, im Einzelfall aber das Verbot aufgrund einer Interessenabwägung aufgehoben werden kann (repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt).[56] Danach hat die Genehmigung in den §§ 324, 326 StGB rechtfertigenden Charakter, während sie in § 327 StGB und in den Umweltstraftatbeständen mit dem Merkmal der Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten den Tatbestand ausschließt. Die Genehmigungsvorbehalte bei Bankgeschäften (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG),[57] im Bereich der Personenbeförderung (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 PBefG) und grundsätzlich auch im Außenwirtschaftsrecht[58] haben Tatbestandscharakter. Soweit allerdings im Außenwirtschaftsrecht Verbote mit wirtschaftlichem Sanktionscharakter bestehen, haben Genehmigungsvorbehalte (§§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 Nr. 2 AWG) rechtfertigende Wirkung.[59] Zumindest teilweise in Grenzbereiche gelangt man bei den Erlaubnisvorbehalten des Waffengesetzes (§ 52 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2-4 WaffG).[60]

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Bei dem in zahlreichen gesetzlichen Straftatbeständen enthaltenen und schon angesprochenen Merkmal „unbefugt“ kann es sich wie in den §§ 324 Abs. 1, 326 Abs. 1 StGB um ein allgemeines Rechtswidrigkeitsmerkmal handeln. Das Merkmal kann aber auch ein objektives Tatbestandsmerkmal sein, wenn der Tatbestand ohne dieses Merkmal kein ausreichendes Unrecht verkörpert. Dies hängt von der Auslegung des jeweiligen Straftatbestandes ab. Als Tatbestandsmerkmal wird das „unbefugt“ in § 263a Abs. 1 3. und 4. Var. sowie in § 303 Abs. 2 StGB angesehen.[61]

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