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2. Ordnungswidrigkeitenrecht

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Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht finden sich komplizierte zusammengesetzte Tatbestände mit Blankettcharakter, die vergleichbare Interpretationsprobleme aufwerfen. Besondere Aufmerksamkeit verdient insoweit das Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht. Denn hier stößt man teilweise auf eine Irrtumsrechtsprechung, welche die Existenz geschriebener objektiver Tatbestandsmerkmale entweder nicht erkennt oder ignoriert. Beispielhaft verdeutlicht: Nach § 49 Abs. 3 Nr. 5 StVO handelt ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 42 Abs. 2 StVO das z.B. durch das Richtzeichen 325.1 der Anlage 3 Spalte 3 angeordnete Ge- oder Verbot nicht befolgt. Dieses Richtzeichen in der Form eines blauen Verkehrsschildes steht für den Beginn eines verkehrsberuhigten Bereichs. Spalte 3 erläutert den Inhalt, am wichtigsten: „1. Wer ein Fahrzeug führt, muss mit Schrittgeschwindigkeit fahren.“ Rechtsprechung und Teile der Literatur nehmen insoweit einen Verbotsirrtum an, wenn das Verkehrszeichen oder die Verkehrslage optisch richtig wahrgenommen, aber falsch gedeutet wird.[81] Offenbar soll sich aus der bloßen Wahrnehmung des Verkehrszeichens gleichsam automatisch die Kenntnis von dessen Inhalt ergeben bzw. sich die geschriebenen objektiven Tatbestandsmerkmale auf die Wahrnehmung des Verkehrszeichens (verkehrsberuhigter Bereich) und das Fahren mit höherer Geschwindigkeit als Schrittgeschwindigkeit beschränken. Indes ist bei Verkehrszeichen nicht der Verstoß gegen das Zeichen als solches, sondern gegen die in Form der Allgemeinverfügung ergangene Anordnung bußgeldbewehrt.[82] Anordnung und Inhalt ergeben zusammen den Tatbestand der Allgemeinverfügung. Das Verkehrszeichen fasst diesen Tatbestand lediglich bildhaft zusammen; umschrieben wird er in der StVO. Im Lichte der verfehlten Rechtsprechung müsste man auch z.B. einem Ausländer, der das Schild sieht und mit 15 km/h durch den verkehrsberuhigten Bereich fährt, einen vorsätzlichen Verstoß anlasten, selbst wenn er vom Inhalt des Verkehrszeichens überhaupt keine Ahnung hat. Solche Interpretationen nehmen dem Bußgeldtatbestand den sinnvollen Inhalt, laufen auf Fiktionen hinaus und setzen sich über § 49 Abs. 3 Nr. 5 StVO hinweg, der ausdrücklich das Nichtbefolgen eines durch Richtzeichen angeordneten Ge- oder Verbots ahnden will.[83]

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Das OLG Bamberg[84] hat in jüngerer Zeit die Rechtsprechung bestätigt, dass die optische Wahrnehmung der Beschilderung als solche genüge, um einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum abzulehnen. In dem Fall ging es um eine Trägertafel mit mehreren Zeichen (oben Geschwindigkeitsbegrenzung auf 60 km/h, darunter das Überholverbotszeichen, unten das Zusatzzeichen „nur für Lkw, Busse …“) und einen Pkw-Fahrer, der wegen des Zusatzzeichens das Geschwindigkeitslimit – entgegen § 39 Abs. 3 S. 3 StVO – nicht auf sich bezog. Der Betroffene habe sich, so das OLG Bamberg, nicht über die tatsächlichen Umstände des Verbots geirrt, sondern sei lediglich einem Wertungsirrtum, also einem Verbotsirrtum, hinsichtlich der Bedeutung der angebrachten Zusatzschilder unterlegen. Immerhin werden die Gegenstimmen[85] erwähnt, doch wird nicht die Gelegenheit genutzt, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Übersehen wird u.a., dass man in dem Verbot, nicht schneller als 60 km/h fahren zu dürfen, auch einen Tatumstand sehen kann, den der Betroffene auf sich beziehen muss. Meint er, wegen des Zusatzzeichens gelte das Geschwindigkeitsverbot für ihn nicht, erfasst er diesen Tatumstand nicht.[86]

8. Abschnitt: Unrechtsbegründung: Tatbestand§ 32 Geschriebene objektive Tatbestandsmerkmale › Ausgewählte Literatur

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