Читать книгу Romantic Thriller Trio #9 - Drei Romane - Jan Gardemann - Страница 19
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ОглавлениеDer Korridor war dunkel. Nur vom weit entfernten Ende drang durch ein vergittertes Fenster fahles Mondlicht herein, das jedoch zu schwach war, um tiefer in den Korridor einzudringen.
Unbehaglich hielt ich nach der gespenstischen Gestalt von Charles Macer Ausschau.
Dann sah ich den Jungen. Sei n langer, dunkler Mantel machte ihn fast unsichtbar. Nur das blasse Gesicht, umrahmt vo n lockigem, langem Haar, schimmerte fahl in der Dunkelheit.
Der Junge winkte, als er bemerkte, dass ich ihn entdeckt hatte. Er stand bei der breiten Treppe, die zur Eingangshalle hinab führte.
Mit einem beklommenen Gefühl im Magen ging ich auf den gespenstischen Jungen zu. Weich und warm fühlte sich der Teppich unter meinen nackten Füßen an. Trotzdem fröstelte ich.
Wie ich nun so in meinem weißen, durchscheinenden Nachthemd und mit lautlosen Schritten den Korridor durchquerte, kam ich mir fast selbst wie ein Gespenst vor. Die ganze Situation erschien mir irgendwie unwirklich und v errückt wie mein ganzes Leben.
Ich war eine Frau, die die Erinnerung verloren hatte, und nun plötzlich vor dem Nichts stand. Das einzige, was mir geblieben war, waren seltsame, prickelnde Träume, in denen ein charmanter geheimnisvoller Mann vorkam, der mir beteuerte, wie sehr er mich liebte und wie sehr ich ihm fehlen würde.
Bei dem Gedanken an den Mann aus meinen Träumen wurde mir unwillkürlich schwermütig ums Herz. Wie hatte ich mich nur in ein so herzloses und egoistisches Monster verlieben können, wie Sir John es war? Warum lebte ich nicht mit einem Mann zusammen, wie er mir im Traum erschienen war?
In diesem Moment erreichte ich die Treppe. Der kleine Charles war schon einige Stufen hinabgestiegen und drehte sich nun um, um sich zu vergewissern, dass ich ihm auch wirklich folgte.
Ein dankbares Lächeln umspielte seine blassen Lippen, als er mich sah. Charles winkte noch einmal und eilte dann huschend die Stufen hinab.
In der pompösen Eingangshalle angekommen, wandte sich der Junge nach rechts. Er verschwand in einen schmalen Korridor, der mir bisher noch gar nicht aufgefallen war.
Hier herrschte absolute Dunkelheit. Aber der fahle Schimmer, der von Charles ausging, wies mir den Weg.
Tief drangen wir in den Korridor ein. Dann blieb Charles plötzlich stehen.
Zögernd schloss ich bis zu dem gespenstischen Jungen auf. Ungeduldig von einem Standbein auf das andere wechselnd stand er da und deutete auf die Wand, vor der er stehengeblieben war.
Meine Augen hatten sich inzwischen an das Dunkel gewöhnt, sodass ich die holzvertäfelte Wand gut erkennen konnte.
Es war jedoch nichts Außergewöhnliches daran zu bemerken.
Verständnislos sah ich den Jungen an. »Was ist mit dieser Wand?«, fragte ich flüsternd.
Der Junge machte ein ernstes Gesicht. Dann trat er auf die Wand zu und tauchte hinein. Doch bevor er meinen Blicken ganz entschwand, drehte er sich noch einmal um und winkte auffordernd, als wollte er, dass ich ihm durch die Wand folgen sollte.
Es war ein grauenerregender Anblick, wie der Junge halb mit der Mauer verschmolzen dastand. Nur sein Kopf und die Arme schauten noch hervor.
»Ich... ich kann nicht durch Wände gehen wie du«, erklärte ich unbehaglich.
»Was geht hier vor sich?«, war hinter mir plötzlich die donnernde Stimme von John zu vernehmen.
Erschrocken wirbelte ich herum.
John knipste eine Taschenlampe an und richtete den Strahl direkt in mein Gesicht.
Geblendet hob ich den Arm.
»Was hast du hier zu suchen, Brenda?«, fragte John lauernd.
Unbehaglich schaute ich über die Schulter zu der Mauer zurück. Ch arles lockiges Haupt schaute noch immer aus der Mauer hervor. Die Enttäuschung über das plötzliche Auftauchen von John war seinem Gesicht deutlich anzusehen.
Prüfend blickte ich John an, der die Taschenlampe nun gesenkt hatte. In Johns Gesicht war weder Verwunderung noch Entsetzen zu erkennen. Anscheinend konnte er Charles Macer nicht sehen!
Eine Gänsehaut kroch mir den Rücken hinunter und wieder fragte ich mich, ob ich verrückt geworden war und der gespenstische Junge bloß eine Ausgeburt meines kranken Gehirns war.
»Beantworte mir endlich meine Frage!«, grollte John. »Was hast du in diesem Teil des Castles verloren?«
Ich zuckte unbehaglich mit den Schultern. »Ich... ich konnte nicht schlafen«, stammelte ich
und suchte verzweifelt nach einer plausibel klingenden Erklärung. Aber es wollte mir keine einfallen.
»Und da spukst du ausgerechnet in dem verbotenen Korridor herum?«, erkundigte sich John herausfordernd, so als befürchtete er irgendeine Verschwörung hinter meinem Tun.
»Ich... war bloß neugierig«, erklärte ich und blickte rasch über die Schulter zu Charles, der sich in diesem Moment resigniert ganz hinter die Mauer zurückzog und verschwand. »Ich kenne diesen Teil des Castles nicht, wenigstens erinnere ich mich nicht daran.«
»Du hast in diesem Korridor nichts zu suchen«, blaffte John. »Er ist tabu für dich, verstanden?«
»Warum?«, fragte ich.
»Weil hier Einsturzgefahr besteht«, erklärte John, wobei ich das Gefühl nicht los wurde, dass er mich belog. »Es ist gefährlich hier. Die Sache mit dem Pferdesturz sollte dir doch genügen!«
John packte mich am Arm und zog mich unsanft von der vertäfelten Wand weg, hinter der Charles Macer verschwunden war. Der Junge hatte mir etwas zeigen wollen. Doch nun war John dazwischen gekommen.
»Was ist das überhaupt für ein Gebäudetrakt?«, wollte ich wissen, während ich hinter John herstolperte, der mit großen Schritten über den Korridor eilte und es ziemlich eilig zu haben schien, ihn hinter sich zu lassen.
»Es ist bloß ein alter Seitenflügel, der den Turm mit dem Haupthaus verbindet«, erklärte John lapidar. »Ich hätte diesen Seitenflügel längst abreißen sollen. Es ist lebensgefährlich, ihn zu betreten!«
»So einen baufälligen Eindruck macht der Korridor aber gar nicht«, bemerkte ich.
John packte nun noch härter zu und starrte mich feindselig an. Inzwischen hatten wir die Eingangshalle erreicht. Johns Stimme hallte donnernd darin wider, als er mich nun anschrie: »Habe ich mich eben nicht verständlich ausgedrückt? In dem Seitenflügel hast du nichts zu suchen. Und damit Schluss!«
»Lass mich los!«, beschwerte ich mich und versuchte vergeblich, mich aus Johns festem Griff zu befreien. »Du tust mir weh!«
»Warum bist du nur so widerspenstig!«, knurrte John. »Wir beide sind Mann und Frau. Es wird Zeit, dass du dich wieder daran erinnerst!«
»Nur weil ich mit dir verheiratet bin, heißt das noch lange nicht, dass du mich nach Belieben herumkommandieren kannst«, erwiderte ich zornig.
Ich holte aus und versetzte John eine schallende Ohrfeige.
Unwillkürlich ließ er mich los, taumelte einen Schritt zurück und starrte mich dann feindselig an, während er seine schmerzende Wange rieb.
»Dafür wirst du bezahlen!«, schrie er außer sich. »Ich werde dich lehren, was es heißt, sich gegen mich aufzulehnen!«
John erhob die Hand zum Schlag. In seinen Augen blitzte es gefährlich. Wie einen Feind starrte er mich an und schien fest entschlossen, sich auf mich zu stürzen.