Читать книгу Eine Heimat des Krieges - Jan-Henrik Martens - Страница 8
Namenstag
ОглавлениеTiogan und Fernora saßen im Garten der Burg. Die Fürstin trug ein prunkvolles, dunkelblaues Kleid, eines, das sie nur anzog, wenn hoher Besuch erwartet wurde. Zwischen Holunderbeersträuchern und bunten Blumen stand ein Holztisch, auf dem sich Gedecke für das Abendessen befanden. Als er Saoana erblickte, sagte Tiogan: „Wir essen heute draußen.“ Er trug sein feinstes Brokatgewand. Schwarz mit goldenen Verzierungen. Die Farben des Hauses.
Auf dem Tisch standen Weinkaraffen, Obstschalen und fünf Gedecke. „Wir essen nicht allein?“, fragte Saoana.
Bevor Tiogan antworten konnte, betrat ein Mann den Garten. Er schien jünger als Saoanas Vater zu sein und war wesentlich kleiner. Er trug eine Lederrüstung, die sich über seinen dicken Bauch spannte. Tiefe Falten zogen sich durch sein Gesicht, das Lächeln hatte etwas Großväterliches.
„Albin, alter Freund.“ Tiogan erhob sich und ging mit offenen Armen auf den Mann zu. Sie umarmten sich.
„Schön, Euch wiederzusehen“, sagte Fürst Albin Rygmoor. „Wie lang ist es her? Fünf Jahre?“
„Sechs, wir haben uns seit der Beerdigung Eurer Frau nicht gesehen.“
„Ja … sechs Jahre ist das schon her, was?“ Albin seufzte und betrachtete Tiogans Brust, als wäre sie ein Fenster, durch das er in die Vergangenheit blicken konnte. „Aber lasst uns nicht von Vergangenem sprechen“, sagte er. „Reden wir stattdessen über das, was vor uns liegt.“ Er wandte sich Saoana zu. „Meine Liebe, es ist mir eine Freude, Euch zu sehen.“ Saoana streckte ihm die Hand entgegen und er küsste sie. „Ihr seid groß geworden“, sagte er. „Und so schön … Ihr habt hübsche rote Haare, wie Euer Vater sie einst hatte.“
„Das waren noch Zeiten“, sagte Tiogan. Die Fürsten lachten und Tiogan fuhr sich durch die Haare. „Mittlerweile ist alles schütter und grau.“
Bei Erwähnung der Farbe erstarb Albins Lachen, wurde zu einem gezwungenen Lächeln. „Und da ist die liebe Fernora“, sagte er schließlich. Er ging auf die Fürstin zu und küsste ihre Hand. „Auch Ihr seid schöner geworden.“
„Ihr seid zu freundlich“, sagte sie. „Ihr seht ebenfalls hervorragend aus. Kommt, setzt Euch und speist mit uns. Fühlt Euch ganz wie zu Hause.“
„Gerne, gerne. Ich muss schon sagen, das Wetter in Aureld ist wärmer, als ich es in Erinnerung habe“, sagte Albin, während er sich setzte und Wein in einen großen Becher goss. „So schwül hier. Hätte ich das gewusst, ich wäre nicht in Lederrüstung gekommen.“
Tiogan setzte sich ihm gegenüber. „Ich hoffe, dass Ihr nicht zu sehr ins Schwitzen geratet.“
„Die paar Tage werde ich schon überstehen. Bei meiner Ankunft habe ich Zelte vor der Stadt gesehen. Ich nehme an, ich bin nicht der erste Fürst, der Euch die Ehre erweist?“
„Die Fürsten Ubar und Hoh sind bereits eingetroffen. Die anderen werden in den nächsten Tagen erwartet.“
Saoana hatte am Morgen auf der Stadtmauer gestanden und auf die Zelte geblickt, die sich vor den Toren Austadts erstreckten. Die Getreideernte war vorüber und die Speicher gefüllt. Seit dem gestrigen Abend liefen Männer der Fürsten auf dem Acker umher. Sie riefen und lachten und brieten Fleisch, das die Luft mit dem Geruch von Festlichkeit und besinnlichem Abendessen erfüllte. Lagerfeuer brannten unter blauem Himmel und Saoana stellte sich vor, worüber sich die Männer unterhalten mochten. Essen, Frauen, Kriegsgeschichten. Sie waren alle gekommen, um den Namenstag ihres Vaters zu feiern.
„Sechzig Jahre, ist das zu fassen“, sagte Albin. „Ihr seht jünger aus, alter Freund.“ Die Männer lächelten sich an, doch Saoana entging nicht, dass sie etwas hinter diesem Lächeln verbargen. Krieg und alte Wunden.
Die Bediensteten brachten Speisen. Es dauerte nicht lange, bis der Tisch mit gebratenen Hähnchenkeulen, Kartoffeln und frischem Brot gefüllt war. „Wird uns Euer Sohn nicht beehren?“, fragte Fernora.
„Oh doch, das wird er. Er sollte bald hier sein. Er wollte mit unseren Männern reden. Die Reise war lang und Owin möchte sich für ihre Treue bedanken.“ Albin warf Saoana einen Blick zu, der sagte, sie solle es wertschätzen, dass ein so gefühlvoller und ehrbarer Mann um ihre Hand bat. Sie lächelte müde und schenkte sich Wein ein.
„Hoffentlich kommt er, bevor das Fleisch kalt wird“, sagte Tiogan und griff nach einer Hähnchenkeule.
Fett triefte von Albins Händen. Er hatte bereits drei Hähnchenkeulen verdrückt. Fetttropfen liefen sein Handgelenk entlang, und seine Lippen glänzten, als er mit der Zunge das Fett wegleckte. Saoana hörte ihn schmatzen und sah zerkautes Fleisch auf der Zunge des Fürsten. Als Albin seine Zähne in die vierte Keule schlug und erneut mit offenem Mund zu kauen begann, verzog Saoana das Gesicht. Diesen Fremden, der mit ihr am Tisch saß und fraß, als wäre er ein verhungernder Hund, den würde sie bald Vater nennen müssen.
„Saoana, stimmt etwas nicht?“, fragte ihre Mutter.
„Nein, es ist alles in Ordnung“, sagte sie und nippte am Wein.
„Saoana, meine Liebe“, sagte Albin, „wenn Euch etwas bedrückt, nur raus damit. Es gibt nichts Besseres, als sich seine Sorgen von der Seele zu reden.“ Saoana öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch Albin hob die Hand. „Sagt nichts, ich weiß, was Euch betrübt … Ihr habt Angst vor dem Bund mit meinem Sohn. Mir ging es nicht anders, als ich meine Frau heiraten musste. Ja, da hatte ich vielleicht weiche Knie, das kann ich Euch sagen. Aber das legt sich. Spätestens wenn Ihr Willet seht und die Burg … ein wunderbarer Ort, wirklich. Ich bin sicher, Ihr werdet Euer neues Zuhause schnell ins Herz schließen … ja, ich muss gestehen, ich habe noch nie ein derart schmackhaftes Hähnchen gegessen. Vorzüglich.“
Tiogan tupfte sich mit einem Tuch über den Mund und sagte: „Genug der Höflichkeiten. Hast du getan, worum dich mein Bote gebeten hat?“
Albin hörte auf zu kauen, starrte auf seinen Teller. Ob ihn das Geduztwerden oder die forsche Frage überraschte, konnte Saoana nicht sagen. Er schluckte kräftig und sagte: „Tiogan, ich …“
„Hast du oder hast du nicht?“
„Ich habe meinen etarianischen Beobachter einkerkern lassen. Er wird seinen Generälen keinen Bericht erstatten.“
„Gut.“
Saoana fiel auf, dass sie Xaviin seit geraumer Zeit nicht gesehen hatte. Er saß häufig allein in seiner Kammer nahe des Burgfrieds. Ab und an schlenderte er durch die Stadt oder spazierte gedankenverloren über den Burghof. Wenn Saoana ihn ansprach, war er stets aufgeschreckt, als wäre er aus einem Traum erwacht, und wenn Saoana nicht schlafen konnte und durch die Burg wanderte, hatte sie ihn häufig auf dem Wehrgang stehen und zum Mond hinaufblicken sehen. „Vater, wo ist Xaviin?“, fragte sie.
Tiogan presste die Lippen zusammen. „Nun, du weißt sicherlich, dass wir … Pläne haben, meine Liebe. Da ist es nicht von Vorteil, wenn die Echse uns in die Quere kommt, rumschnüffelt und seinen Anführern mitteilt, was wir hier machen. Ich habe ihn ins Verlies sperren lassen.“ Er sagte das in einem Ton, der Saoana an ihre Kindheit erinnerte. An eine Zeit, in der Tiogan ihr die Welt erklärt und Saoana vieles nicht verstanden hatte. Ein sanfter und langsamer Singsang, seine Du-kannst-das-nicht-verstehen-Stimme. Er nickte und das Thema war vom Tisch. Er wandte sich wieder Albin zu. „Und das andere?“
Fürst Rygmoor leerte seinen Weinbecher mit einem Zuge, sagte dann: „Die Schmieden arbeiten seit meiner Abreise unermüdlich.“ Er musterte die gebratene Haut des Hähnchens vor ihm. „Ich bin zuversichtlich, dass zehntausend Rygmoorer mit uns in den Krieg ziehen werden.“
Tiogan grinste zufrieden. „Gut, sehr gut.“
„Aber wird das ausreichen, alter Freund? Wir brauchen die Unterstützung der anderen Fürsten, wenn wir siegreich sein wollen.“
„Nach den Festlichkeiten werden wir sehen, wo wir stehen. Ich bin sicher, wir werden mit unserem Anliegen auf offene Ohren stoßen.“
„Und die Grauen?“
Tiogan schlug auf den Tisch. Geschirr klirrte und Albin zuckte zusammen. „Es gibt keinerlei Beweis für ihre Existenz! Unsere Lage ist schon ernst genug, da will ich nicht über den Wahrheitsgehalt von Ammenmärchen nachdenken.“
„Aber die brennenden Dörfer …“
„Panische Bauern, die Barbaren aus den Bergen für Graue halten. Sie flüchten und zünden ihr Hab und Gut an, anstatt es Wilden zu überlassen. Das habe ich dir doch schon erklärt!“
Dann schritt Fernora ein. Sie begann über das Wetter zu sprechen, versuchte, die Fürsten mit Banalitäten zu besänftigen. Saoana hörte nicht zu. Ihre Gedanken waren bei Xaviin, ihren Gesprächen im Mondlicht und bei der Vorstellung, ihn im Verlies verhungern zu sehen.
„Ah, Owin, da bist du ja!“ Albin hob die Hand und winkte seinem Sohn zu. Owin war groß und schlank. Er sah gut aus. Er hatte kurze schwarze Haare und einen dichten und gepflegten Bart. Er schritt durch den Garten, als wäre es seine liebste Beschäftigung, durch das Grün zu spazieren und den Duft der Blumen und Sträucher wahrzunehmen, während allmählich die Sonne unterging. Sein Gang war federnd und vorsichtig, so als wäre er darauf bedacht, keine Fußspuren auf dem Gras zu hinterlassen. Er trug eine einfache Lederrüstung, genau wie sein Vater. Als er an den Tisch trat, küsste er die Hand Fürstin Fernoras, bevor er sich Saoana zuwandte.
Sie streckte ihm die rechte Hand entgegen und während Owin seine Lippen auf ihrem Handrücken presste, blickte er ihr lange in die Augen, so als wolle er den Moment auskosten, ihre Schönheit aufsaugen, bevor er seinen Blick auf etwas anderes richten müsse. Er lächelte und sagte: „Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, Euch kennenzulernen, meine Dame. Oder sollte ich sagen, Euch wiederzusehen?“
Saoana nickte respektvoll. „Die Freude ist ganz meinerseits.“
Nachdem Owin seinen Vater und Tiogan gebührend begrüßt hatte, setzte er sich Saoana gegenüber. „Ich bin überrascht“, sagte Owin. „Ich habe Austadt karg und unwirtlich in Erinnerung. Mit Einwohnern, die so kalt sind wie die Steine, aus denen die Stadt besteht. Doch meine Erinnerung hat mich wohl getäuscht. Eure Gastfreundschaft lässt nichts zu wünschen übrig.“ Er blickte Saoana wieder in die Augen. „Wart Ihr jemals in Willet?“, fragte er sie. Saoana schüttelte mit dem Kopf. Owin sagte: „Ihr müsst wissen, Willet hat keine Mauern. Die Stadt liegt mitten im Wald. Die Holzhäuser unseres Volkes ruhen in den Schatten von Linden. Doch hier … hier ist alles so groß und voller Menschen. Und überall ist Stein. Häuser, Straßen, Mauern. Also verzeiht mir, wenn ich mich während meines Aufenthalts nicht zurechtfinden werde. Das ist alles so … ungewohnt.“
Saoana sah in seine braunen Augen, die verträumt in die Ferne zu blicken schienen. Ein Mann, den sie zum ersten Mal nach dreizehn Jahren sah und den sie nicht kannte, obwohl Tiogan ihr das Gegenteil weismachen wollte, saß ihr gegenüber, und für einen Moment verspürte Saoana Verständnis und Zuneigung für ihren künftigen Gemahl. Für sie bestand kein Zweifel daran, dass Owin nur nach Austadt gereist war, weil es in seiner Pflicht stand, sein Vater es verlangte. Sie lächelte, doch ihr Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war.
Als Albin seinen Sohn fragte, ob er Hunger habe, ließ Owin seinen Blick über den Tisch schweifen und verneinte. Seine Miene war ausdruckslos und wirkte abwesend, seine Augen stierten ins Leere. Als wäre sein Geist in Willet geblieben, während der Körper seine Heimat verlassen hatte; und die Angst, den Rest ihres Lebens als seelenlose Hülle in Willet zu verbringen, ohne Freunde und ohne Liebe, umklammerte Saoana und ließ sie nicht mehr los.
Fürst Tiogans Namenstag war gekommen. Der Sternenhimmel funkelte über den Köpfen der Gäste und Fackeln erhellten den Burghof. Es war die Idee des Fürsten gewesen, die Feierlichkeiten unter freiem Himmel abzuhalten. Es war Sommer und die Nächte waren warm. Das sei bestes Wetter für eine Feier an frischer Luft, hatte Tiogan gesagt.
Saoana trug ihr feinstes Kleid - ein dunkelrotes aus kabalischer Seide - und stand neben ihrem Vater. Die anderen Fürsten überreichten ihm Geschenke. Teure Kelche, einen Dolch mit goldenen Gravuren, Kleidung aus feinsten Stoffen. Als sie Saoana erblickten, lobten sie Tiogan für seine Tochter, die zu einer wunderschönen Frau herangewachsen war. Alle sieben Fürsten erwiesen Tiogan Respekt, und Saoana stand an seiner Seite wie eine Statue, die bewies, welch schöne Kreatur aus seinem Samen entstanden war. In der Nähe spielte jemand auf einer Laute. Ein Barde sang ein Lied über große Fürsten und Könige aus grauer Vorzeit.
Tiogan hatte verboten, dass Juana das Fest besuchte. Ein einfaches Dienstmädchen hätte hier nichts zu suchen, meinte er. Owin war ebenfalls abwesend, warum wusste Saoana nicht und niemand vermochte es ihr zu sagen. Allein stand sie da, hatte niemanden zum Reden und ließ sich von fremden Männern begutachten.
Die Fürsten begannen, Wein zu saufen. Die angesehensten Ritter der Fürstentümer unterhielten sich über ihre Kampfkünste und die Vorzüge ihrer Heimat, während ein Fass nach dem anderen geleert wurde. Saoana kümmerte das wenig. Sie wollte nicht hier rumstehen und sich anstarren lassen, wollte einfach fort. Fort von den urteilenden Männern und allein sein. „Vater, darf ich gehen?“ Tiogan warf ihr einen abschätzigen Blick zu und gestattete es.
Saoana schritt über den Burghof und sah den Stadtvogt, ein Mann mittleren Alters namens Marillo. Abseits des Geschehens lehnte er an einer Säule und trank aus einem silbernen Becher. Gelangweilt beobachtete er die saufenden Gäste. Wie ein Mann, der lediglich an einer Feier teilnahm, weil es von ihm verlangt wurde. Seine schulterlangen Haare hingen ihm ins Gesicht und Wein tropfte auf seinen Ziegenbart, während er seinen Kelch leerte. „Meine Herrin, wo geht Ihr hin?“, fragte Marillo. Er lallte.
„Ich möchte mir kurz die Beine vertreten.“
„Habt wohl keine Lust auf Festivitäten, he?“
Sie lächelte. „Nein, nicht sonderlich.“
„Kann ich verstehen, aber Ihr solltet es genießen. Wer weiß, wann wir wieder feiern können. Es wird lange dauern, wegen den Plänen Eures Vaters und allem.“ Traurigkeit lag in seiner Stimme.
„Wir werden schneller wieder feiern, als Ihr glaubt, Stadtvogt. Ihr werdet sehen.“ Sie versuchte, aufmunternd zu klingen. Stattdessen klang sie müde.
„Da wäre ich mir an Eurer Stelle nicht so sicher, Herrin.“
Saoana stand auf dem Wehrgang und sah die Lagerfeuer der Soldaten in der Ferne. Kleine orangefarbene Lichter in der Finsternis. Saoana hatte in den letzten Tagen viele Menschen kennengelernt - Fürsten, Ritter, Knappen - und die Vorstellung, dass sie alle im Abyssus wiedersähe, bereitete Saoana Kopfschmerzen. Sie würden im Abyssus über sie urteilen, das hatte Tiogan ihr beigebracht. Dann spräche der Große Richter sein Urteil, und Saoana würde als etwas wiedergeboren werden; und selbst das Wort eines unbedeutenden Knappen hätte Gewicht. Nicht so viel wie das ihres Vaters oder das ihrer Mutter, doch nichtsdestotrotz ein Gewicht.
Saoana hörte Männerstimmen. Sie johlten und lachten und feixten. Sie war froh, auf dem Wehrgang zu stehen, wo die Männer nicht mit ihr sprechen konnten, ihre neugierigen Augen abwesend waren. Hier oben musste Saoana nicht lächeln, keine Freundlichkeiten vortäuschen. Hier war sie Saoana, und das konnte sie nur sein, wenn sie allein war.
„Das sind eine Menge Lichter, hm?“ Eine Stimme ertönte hinter Saoanas Rücken. Sie drehte sich um und erblickte einen alten Mann in einem goldenen Gewand aus Seide, das im Mondlicht glitzerte. Saoana hatte ihn an diesem Abend schon einmal gesehen, als sie neben ihrem Vater stand und den Fürsten zulächelte.
„Guten Abend“, sagte sie. „Ich freue mich, Euch hier anzutreffen, Fürst Kabalos.“ Ihre Stimme war tonlos. Sie hatte diese Freundlichkeiten einstudiert. Es lag keine Aufrichtigkeit hinter diesen Worten, und das Grinsen auf dem Gesicht des Fürsten zeigte ihr, dass er es bemerkte.
„Redet nicht so einen Unsinn. Ich weiß, dass Ihr hier oben seid, um allein zu sein“, sagte er. „Ich kann es Euch nicht verdenken. Das Geschwätz über Krieg und Echsen raubt mir ebenfalls den letzten Nerv.“ Fürst Kabalos war der älteste unter den Fürsten. Tiogan hatte erzählt, dass er über achtzig Jahre alt sei.
Kabalos deutete auf die Lagerfeuer in der Ferne und sagte: „Beängstigend, oder? So viele Männer, alle schwer bewaffnet … und das ist nur unser Gefolge, nicht einmal Soldaten. Einfache Stadtwachen, ja, das ist alles, was sie sind. Und keine zweihundert Mann. Stellt Euch vor, wie es hier aussehen würde, wenn Euer Vater bekäme, was er von uns verlangt. Die Armeen aller Fürstentümer. Achtzigtausend Mann vor seinen Toren. Aber - verzeiht mir, wenn ich das sage - Euer Vater leidet an Hirngespinsten. Er glaubt, der Krieg sei unvermeidlich. Ein Irrglaube, wenn Ihr mich fragt.“
Während er sprach, sagte Saoana kein Wort. Sie vernahm den Geruch von Wein, der von Fürst Kabalos ausging, und er machte nach jedem Satz eine Pause, so als müsse er die Worte in seinen Gedanken ordnen, bevor er sie aussprach. Er nippte an seinem Wein, wartete darauf, dass Saoana etwas sagte. Sie fragte, wieso er einem Krieg nicht zustimme.
„Die Grauen … ich sage, es gibt sie; und sie lauern nur darauf, dass wir unsere Städte ungeschützt zurücklassen. Ja, das glaube ich. Und was hat denn der letzte Krieg gebracht?“, fragte er. „Nur Tod und Unterdrückung. Wir wollten die Echsen aus Vernland vertreiben und im Gegenzug haben sie uns in den Arsch getreten, uns alles weggenommen, was uns heilig war. Das war dumm, dumm und unnötig. Wie der Krieg, den Euer Vater plant. Er sollte es besser wissen.“
„Was meint Ihr damit?“
„Och bitte, sagt mir nicht, dass Euer Vater nie erzählt hat, was sich damals vor den Toren Etovernems zutrug. Blut und Tod. Was für eine Verschwendung von Leben. Fragt Ihn danach.“
„Wir haben nie über den Krieg gesprochen. Es gab Wichtigeres, und es würde Vater unglücklich machen. Die Niederlage beschäftigt ihn noch. Er denkt viel nach, isst kaum, wird immer dünner. Ich mache mir Sorgen.“
„Ihr seid ein liebes Mädchen, wisst Ihr das?“ Kabalos seufzte. „Meine jüngste Tochter war genauso. Hat sich um mich gesorgt, als wäre ich ein Kind. Sie war eine gute Seele. Und wie habe ich es ihr gedankt? Habe sie mit einem Grafen verheiratet und in die Fremde geschickt. In irgendein Hinterland. Hat dort Kinder bekommen, bevor sie, fett wie sie geworden war, vom Pferd gefallen und nie wieder aufgestanden ist.“
„Warum habt Ihr das getan?“
„Der Adelsstand hat es verlangt. So wie bei Euch und diesem Rygmoor-Burschen.“
Kabalos hatte eine Offenheit an sich, wie sie Saoana nie zuvor begegnet war. Er wirkte wie ein Mann, dem man sich anvertrauen konnte, ohne befürchten zu müssen, belächelt zu werden. „Diese Heirat, ich will sie nicht. Ich möchte nicht daran denken, Austadt für Owin zu verlassen.“
Kabalos nahm einen Schluck Wein und sagte: „Ich habe elf Kinder, darunter acht Töchter. Jede von ihnen hatte Angst vor dem Heiraten. Ich weiß sehr wohl, was das bedeutet. Man muss sich einem fremden Mann hingeben, seine Kinder austragen, in seiner Burg leben, ohne gefragt zu werden, ob man das überhaupt wolle. Ich kann nicht behaupten, zu wissen, wie sich eine Frau fühlt, das kann selbst der weiseste Mann nicht, aber ich weiß, dass meine Töchter mit der Zeit glücklicher wurden. Die Tage werden vergehen, und aus einem Fremden wird ein Vertrauter werden. Ihr werdet sehen.“
Kabalos‘ Worte hallten in Saoanas Gedanken wider wie Worte, die man zum ersten Mal hörte und ständig wiederholte, um sie sich besser einzuprägen. „Ich hoffe, Ihr habt recht.“
„Das habe ich.“ Er zwinkerte ihr zu. „Doch Eure Heirat liegt noch in weiter Ferne. Erst gilt es, einen Krieg abzuwenden. Ich fürchte, das wird nicht einfach werden. Euer Vater ist sehr erpicht darauf, Echsen zu töten. Er ist ein Narr. Diese Flüchtlinge, die da aus dem Süden strömen, warum auch immer, die sind doch nur ein Vorwand. Seit Jahren lechzt er danach, Rache für den Glaubenskrieg zu nehmen. Aber wir sind den Echsen nicht gewachsen; und wenn wir alle im Krieg fallen, gibt es niemanden, den Ihr heiraten könntet. Dann hättet Ihr, wonach Ihr Euch sehnt. Nicht, dass es Euch glücklich machen würde. Die Schuppigen würden Euch im Meer ersäufen.“
Als er Saoanas erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte, trank er seinen Wein aus, sagte dann: „Verzeiht mir. Ich bin ein alter Mann. Falsche Freundlichkeiten habe ich mir vor Ewigkeiten abgewöhnt. Ich bin wohl zu unsensibel geworden. Ich wollte Euch keine Angst machen.“ Kabalos drehte den Weinbecher um. Ein einziger Tropfen fiel glitzernd zu Boden. „Nun denn, ich muss Euch leider verlassen. Mir ist der Wein ausgegangen und ich brauche dringend Nachschub.“ Er lächelte und küsste ihre Hand, bevor er ging.
Saoana blieb noch eine Weile auf dem Wehrgang stehen. Die Stimmen der Männer im Hof wurden lauter, der Wein erheiterte die Stimmung zusehends. Saoana spürte die Brise auf ihrer verschwitzen Stirn, blickte auf die Feuer im Zeltlager. Kinder gebären, alt und fett werden, sterben. Sollte das ihr Lebensinhalt sein? War das die unabänderliche Bestimmung, die der Große Richter für sie vorgesehen hatte?
Saoana musste sich eingestehen, dass sie eine Ehe nicht verhindern konnte, gleich wie sehr sie es wollte. Selbst wenn Owin nicht ihr Gemahl würde, ein anderer Adeliger ließe nicht lange auf sich warten. Es gab genug Söhne, die um Saoanas Gunst buhlten, schließlich war sie eine Aureld und solch nobles Blut war heiß begehrt. Der Gedanke, dass es bald keine Adeligen mehr geben könnte, war wesentlich beunruhigender. Saoana wollte nicht daran denken, dass ihr Vater mit den anderen Fürsten gen Norden reiten und nicht zurückkehren könnte.
Am nächsten Tag saß sie mit ihrem Vater im Garten der Burg. Amseln tschilpten in den Büschen und Bäumen. Der Himmel war erneut strahlend blau - wie seit Wochen schon - und der Wind verbreitete die Gerüche des Sommers. Rosen, Holunder, Lavendel. Saoana konnte die Ruhe und die Mittagssonne jedoch nicht genießen. Ihre Gedanken kreisten noch um das Gespräch mit Kabalos. „Vater?“
„Hm?“ Er war blass, hing in einem Holzstuhl und hatte die Augen geschlossen. Ab und zu stöhnte er. Der Wein war ihm nicht bekommen.
Saoana starrte auf ihre Fingernägel. „Ich habe gestern Abend auf dem Wehrgang mit Fürst Kabalos gesprochen.“
„Dahin ist der Alte also verschwunden.“
„Ja.“
„Und? Worüber habt ihr geredet?“ Mit halbgeöffneten Augen musterte er sie neugierig.
„Über deine …“ Ihre Lippen fühlten sich trocken an, ihre Kehle war wie verstopft.
„Nun sag schon.“
„Über deine … Kriegspläne.“
„Ha, der alte Giftsack denkt, der Krieg sei Schwachsinn, nicht wahr? Glaub mir, Kabalos ist ein Spinner. Er ist bloß ein Greis, der ständig etwas auszusetzen hat. Am Essen, am Wetter, an anderen Fürsten. Gestern Abend hat er andauernd betont, wie blind wir alle wären, dass er nur nach Austadt gekommen sei, weil er Einladungen alter Freunde nicht ablehne. Er glaubt, die Grauen würden unsere Städte angreifen, wenn wir sie verließen. Nichts als leeres Geschwätz.“
Saoana lächelte schwach. „Ja, den Eindruck hatte ich auch.“ Sie behielt Befürchtungen über Graue und das Gefühl, ihr Vater stürbe, wenn er in den Krieg zöge, für sich. Es war besser so. Tiogan machte nicht den Eindruck, als stünde ihm der Sinn nach Streit.
„Worüber habt ihr noch geredet?“, fragte er.
In diesem Moment gab es für Saoana nur eine Antwort. Sie wollte nicht wieder über die Ehe sprechen, das hätte Tiogan nur aufgeregt. Er würde Saoana wieder anschreien. „Das war alles. Kabalos wirkte ziemlich betrunken.“
Tiogan nickte, schloss wieder die Augen und lehnte sich in seinen Stuhl zurück.
Es waren kaum zehn Minuten nach dem Gespräch zwischen Vater und Tochter vergangen, als Fürst Albin Rygmoor den Garten betrat. „Tiogan, hier bist du!“ Sein Gesicht war rot, und Wut entstellte seine großväterlichen Züge zu einer Fratze. Etwas lag unter dieser Wut verborgen. Etwas Trauriges und Verletztes. Wie bei einem Kind, das ein geliebtes Spielzeug verlor und - vor Wut und Trauer zugleich - weinte und brüllte.
„Was ist los?“, fragte Tiogan.
„Ich habe einen Brief erhalten.“ Albins Stimme zitterte, als müsse er sich beherrschen, nicht loszuschreien.
Tiogan fragte: „Nun sag schon, was steht darin?“
„Lies selbst … ich will die Worte nicht aussprechen.“ Er umklammerte ein bräunliches Stück Papier und reichte es Tiogan mit verkrampfter Hand. Albin warf einen letzten Blick auf den Brief, bevor er sich umdrehte und seine Aufmerksamkeit auf einen Lavendelbusch richtete.
Anfangs atmete Tiogan ruhig und verzog keine Miene, doch je länger er las, desto tiefer wurden die Falten auf seiner Stirn. Seine Nasenflügel begannen zu beben. „Das darf nicht wahr sein … wie ist das möglich?“, fragte er, als er fertig war.
„Dafür wird Blut fließen“, sagte Albin mit ruhiger, kalter Stimme. „Dafür werden Köpfe rollen.“
Tiogan starrte ungläubig auf das Papier. Bienen summten, Vögel zwitscherten und Blätter raschelten im Wind. Es war eine unangenehme Stille, ein geschocktes Schweigen. Als hätte jemand etwas Vulgäres getan oder dem Fürsten eine Ohrfeige verpasst. Bis Saoana die Stille durchbrach. „Was … was steht denn in dem Brief?“
Tiogan beäugte sie, als hätte er zum ersten Mal ihre Anwesenheit bemerkt. Er reichte ihr wortlos das Papier.
Mein Fürst,
Willet ist nicht mehr. Ich kann die Flammen von der Burg aus sehen. Die Stadt brennt. Die Häuser, die Linden, die Menschen. Der Wind trägt ihre Schmerzensschreie bis zu meinem Arbeitszimmer. Die Angreifer kamen aus den Schatten, mitten in der Nacht. Sie hatten die meisten Stadtwachen getötet, bevor wir bemerkten, was geschah. Es sind Etarianer. Wir wissen nicht, warum sie uns angreifen oder was sie von uns wollen. Wir haben uns in der Burg verschanzt. Nur wenige Wachen haben es aus der Stadt geschafft, von den Bewohnern ganz zu schweigen. Unsere Bogenschützen schießen auf die Echsen, doch ob dies etwas bewirkt, das weiß nur der Große Richter. Wir versuchen, durchzuhalten, aber ich befürchte, wir werden den Morgen nicht erleben. Die Angreifer sind zahlreich, und die Überraschung war zu lange auf ihrer Seite.
Die Echsen klettern mit bloßen Händen die Mauern hoch. So etwas habe ich noch nie gesehen. Die Männer sind von Angst erfüllt. Ich verstehe das nur zu gut. Ich schreibe diese Zeilen in großer Eile, verzeiht mir die krakelige Handschrift. Wir wollen in die Verliese. Die Gänge sind eng und wir hoffen, dort ein paar Schuppige mit uns in den Tod zu reißen.
Die Männer, die es aus der Stadt geschafft haben, berichteten von einer schwarzen Echse, die Dutzende unserer Wachen erschlagen hat. Anscheinend kommen die Angreifer aus dem Süden, nicht aus Etovernem. Wir wissen nicht, was das alles zu bedeuten hat, aber die schwarze Echse scheint der Anführer der Angreifer zu sein. Ich hoffe, dass Euch diese Informationen weiterhelfen werden. Ich muss Euch warnen. Falls die Echsen die Burg einnehmen, werden sie Hinweise auf Euren Verbleib finden. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Austadt ihr nächstes Ziel sein wird, wenn sie mit uns fertig sind. Ich habe wichtige Dokumente verbrannt, aber ich werde es nicht schaffen, alle zu vernichten. Es tut mir leid.
Die Männer sind bereit für das letzte Gefecht und ich schätze, ich muss es auch sein. Das Kämpfen war noch nie meine Stärke. Aber ich habe keine Wahl. Ich hoffe inständig, dass Euch diese Taube erreichen wird; und wenn sie es tut, werdet Ihr wissen, dass wir bis zum letzten Mann gekämpft haben und als Verteidiger unseres Landes gestorben sind. Der Abyssus wartet. Wir werden fallen, für unsere Heimat, für unseren Fürsten und für seinen tapferen Sohn und Erben, dem Stolz des Fürstentums Rygmoor; und wir werden es mit einem Lächeln tun.
Ich bete, Euch im Nachleben erneut zu Diensten sein zu dürfen,
Euer ergebener Stadtvogt
Die Luft im Verlies war kalt. Es stank nach Kot und dem Qualm der Fackeln. Der Schein der Flammen erhellte die Gitter von Xaviins Zelle, die Saoanas Sicht auf den Etarianer wie dicke, schwarze Speere verdeckten. „Ich brauche Eure Hilfe“, sagte sie.
„Ihr solltet nicht hier unten sein“, sagte Xaviin.
„Bitte, es ist wichtig.“
Schatten tanzten im Licht der Fackeln, flackerten an der Wand vor Xaviin. In der Ferne tröpfelte Wasser von der Decke. „Was kann ich hier unten groß ausrichten?“ Seine Stimme war schwach, er flüsterte fast.
Saoana hatte Mitleid. Niemand sollte in seinen eigenen Ausscheidungen hocken, mit Dunkelheit und Hungergefühl als einzige Begleiter. „Es kam eine Nachricht aus dem Fürstentum Rygmoor.“ Xaviin sagte nichts, sah sie nicht einmal an. Saoana sagte: „Willet wurde angegriffen und zerstört. Von Etarianern.“
Xaviins Augen weiteten sich. „Wie bitte?“
„Ja, es ist die Wahrheit. Und nicht nur das …“
Xaviin stand auf und trat ans Gitter. Sein Gesicht befand sich genau vor ihrem. Saoana konnte seine Schuppen im Licht der Fackeln glänzen sehen, roch die Gefangenschaft, die an ihm haftete. Der Geruch von Kot, Urin und ungewaschener Haut. „Was noch? Sagt es!“
„Ihr Anführer hat schwarze Schuppen.“
Xaviin schnaubte. „Das kann nicht sein.“ Er schüttelte den Kopf. „Unmöglich.“
„Wenn das Euer Bruder sein sollte …“
„Niemals, nicht Atoz. Er würde niemals grundlos Menschen abschlachten. Nein, nicht er.“
„Ich glaube Euch. Ihr seid ein aufrichtiger Etarianer und Euer Bruder wird es auch sein, da bin ich sicher. Deshalb komme ich zu Euch.“ Sie zog ein leeres Blatt Papier und eine Schreibfeder aus den Taschen ihres Gewands. „Ihr müsst einen Brief für mich schreiben.“
„Warum? An wen?“
„An Euren Obergeneral. Schreibt ihm, dass Etarianer grundlos morden. Verlangt Aufklärung.“ Saoanas Stimme war fordernd und bestimmt.
Xaviin zeigte seine spitzen Zähne, während er lachte. Kehlig und rau. „So kenne ich Euch gar nicht. Habt Ihr keine Angst, mit dem Feind zusammenzuarbeiten? Was wird Euer Vater dazu sagen?“
„Meinem Vater wird es nicht gefallen, Etarianer in der Stadt zu haben, egal aus welchem Grund. Er wird wütend auf mich sein, mich anschreien und sagen, ich hätte ihn verraten, aber was, wenn wir als Nächstes dran sind? Ähnlich enden wie Willet? Ist es nicht meine Pflicht, die Stadt zu beschützen, so gut ich kann?“
Der Etarianer schwieg und überlegte, fragte dann: „Warum sollte ich Euch helfen?“
Saoana zog einen Kerkerschlüssel aus ihrem Gewand, den sie aus der Wachstube entwendet hatte. „Schreibt den Brief, dann lasse ich Euch frei.“
Sie sahen sich lange in die Augen, und gerade als Saoana befürchtete, er würde ihre Bitte abschlagen, nickte er.
Die Tür quietschte, als Saoana sie öffnete. Xaviin nahm das Papier und sagte: „Gehen wir in mein Arbeitszimmer. Eines muss Euch jedoch klar sein, meine Dame. Es wird dauern, bis der Generalstab eine Entscheidung hierbei fällt. Vermutlich zu lange … und es besteht die Möglichkeit, dass sie gar nichts unternehmen.“
„Trotzdem muss ich es versuchen. Was ist mit meinen Eltern und mit Juana? Was wird aus der Stadt? Wenn ich hier rumsitze und nichts tue, dann bin ich nicht besser als diejenigen, die Krieg herbeisehnen. Vielleicht können wir ihn abwenden, indem wir diesen Brief schreiben. Wir könnten Blutvergießen verhindern.“
Sie war sicher, dass ihr Vater den Angriff auf Willet ausnutzen würde, um die anderen Fürsten gegen die Echsen aufzuhetzen. Saoana wollte Tiogan vor einem Fehler bewahren, auch wenn das bedeutete, seinen Zorn erdulden zu müssen. Angst trieb sie an, eine Angst, die sie seit der Nachricht aus Rygmoor nicht losließ. Wenn es erneut zu einem Krieg käme, würden sich die Echsen nicht damit zufriedengeben, Verbote aufzustellen. Nicht erneut. Diesmal würden sie Blut mit Blut vergelten; und für Tiogan und die anderen Fürsten gäbe es keine Gnade. In Gedanken sah Saoana ihren Vater im Wüstensand liegen. Ein Schwert steckte in seiner Brust und Geier kreisten über seiner Leiche.