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Kapitel 8: Drachenfels

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„Land in Sicht!“, brüllte der Matrose im Krähennest. Die Matrosen, Asyra, Zuprecht und Gart jubelten, doch Wenala brüllte den Matrosen Befehle zu. Und so schnell wie die gute Laune gekommen war, war sie auch schon wieder verschwunden.

„Wie lange dauert es noch, bis wir den Hafen erreichen?“, rief Zuprecht dem Matrosen im Krähennest zu. Dieser schrie zurück: „Gegen Abend sollten wir dort sein. Aber wenn der Wind uns weiter so Rückenwind gibt, wird es nur vier oder fünf Stunden dauern.“

Asyra und Zuprecht gingen unter Deck, um Gart zu suchen. Asyra hielt sich die Nase zu, denn der Gestank war fast unerträglich. Die schwitzenden Matrosen wuschen sich nicht und ebenso schlimm war der Geruch der Nachttöpfe, die beim Auskippen ebenfalls nicht gewaschen wurden.

Den Weg zu Garts Zimmer fanden sie mittlerweile im Schlaf, da sie meist den gesamten Tag mit ihm etwas unternahmen. Sie klopften und warteten auf das Herein, das auch gleich folgte. „Ah, ihr seid es. Euch habe ich schon gesucht, ich hab mir viele Gedanken in den letzten Tagen gemacht“, fing er mit ernstem Ton das Gespräch an. Er schwieg kurz und fuhr dann fort: „Nun, schon seit Jahren ist es mein Wunsch, einen Drachen zu finden. Aber in den letzten Tagen hab ich mir überlegt, ob ich vielleicht nicht an mich, sondern an Lorandor denken sollte. Immerhin bin ich etwas Besonderes und dies sollte ich nicht außer Acht lassen ... nach langer Überlegung, hab ich mich also entschieden, euch zu begleiten.“

Asyra und Zuprecht waren überrascht, auch wenn sie beide eigentlich damit gerechnet hatten. Immer wieder hatte Gart davon gesprochen, dass ihre Reise viel spannender und der Drache eigentlich nichts Besonderes wäre. Asyra stellte ihre übliche Frage: „Hast du dir das auch gut überlegt?“ Denn sie wollte Gart, wie auch schon Zuprecht, nicht ausnutzen. Gart nickte: „Natürlich. Mit dieser Frage habe ich mich Tag und Nacht beschäftigt. Also, wann gehen wir suchen?“

Sie besprachen die kommenden Tage und wie sie die Zeit im Urwald möglichst normal überstehen konnten. Immerhin war dort die Luftfeuchtigkeit viel höher und giftige und blutsaugende Insekten sowie gefährliche Raubtiere waren hier beheimatet. Nicht zu vergessen waren die tödlichen Pflanzen, von denen es auf den Dracheninseln mehr als genug gab. Dazu wussten sie nicht einmal, wo genau sich Zoran aufhielt. Aber von solchen Sachen ließen sie sich nicht mehr abbringen, seitdem sie gegen einen Gartak gekämpft hatten.

Zuprecht schlug vor, sich mit Magie zu tarnen, während Gart eher auf Verwandlungen anspielte. Asyra hingegen wollte einige hilfreiche Verteidigungszauber, die sie in den Ewigen Wäldern gelernt hatte, anwenden, um so für die Tiere zwar sichtbar, wenn auch uninteressant zu sein. Alle drei hielten an magischen Techniken fest, darin waren sie sich einig.

Sie diskutierten und merkten kaum, wie die Zeit verging, bis plötzlich von oben jemand rief: „Anker lichten! So, diese Überfahrt hätten wir auch überstanden.“

Alle drei erschraken und Zuprecht und Asyra liefen zu ihrem Zimmer, um die Sachen zu holen, die sie bereits am Vormittag gepackt hatten. Sie gingen auf das Deck und suchten Wenala, die sie auch schnell fanden, da ihr Gebrüll über das gesamte Deck zu hören war. Schon jetzt machte sich die feuchte Luft bemerkbar und die heiße Herbstsonne erwärmte Asyras Körper. „In zwei Wochen fahren wir wieder, wenn Ihr es schafft, könnt Ihr gerne wieder mitfahren, aber falls Ihr nicht da seid, warten wir nicht“, kam Wenala ihnen zuvor. Zuprecht grinste sie schief an und antwortete: „Wir hoffen, dass wir es schaffen. Sonst müssen wir uns ein anderes Schiff suchen. Aber danke für die Überfahrt.“ „Ich sollte Euch danken, ohne euch wäre unser Schiff dem Untergang geweiht gewesen“, unterbrach Wenala Zuprecht. Nun war es Asyra, die sprach: „Unsere Hilfe war doch selbstverständlich, wir saßen alle im selben Boot! Falls wir uns nicht wiedersehen, auf Wiedersehen.“

Wenala lachte und verabschiedete sich dann: „Hoffentlich findet ihr Euren Heiler. Ich würde mich freuen, Euch wiederzusehen, und dann sogar vielleicht in voller Gesundheit. Aber eins würde ich Euch raten: Vertraut in dieser Stadt niemanden und passt auf Eure Sachen auf. Denn in so einer abgelegenen Gegend sind nicht alle Menschen auf Eurer Seite. Dazu weiß man nicht, ob nicht der ein oder andere Spion der Diamantenen Hexe hier haust.“

Asyra nahm sich vor, diese Worte zu berücksichtigen, obwohl sie kaum glaubte, hier länger als einen Tag zu verbringen. Gart kam soeben die Treppe zum Deck hinauf und sein gelbes Fell glänzte in der Sonne. Asyra fragte sich, warum die Triliten, die so ein dichtes Fell besaßen, im tiefen Süden lebten, dort wo es heißer war als sonst wo.

Sie riefen Gart zu sich und verließen dann zum ersten Mal seit sechs Tagen das Schiff. Als sie den festen Boden unter ihren Füßen spürten, war es ein ganz und gar fremdes Gefühl. Immerhin mussten sie die letzten Tage immer darauf achten, ihr Gleichgewicht zu halten und nicht vom Boot zu fallen.

Sie gingen den Steg entlang und betrachteten die zahlreichen anderen Boote, von denen viele Handelsschiffe, einige auch Kriegsschiffe waren, jedoch allesamt mindestens zehn Schritt lang.

Der Hafen schien einen großen Teil der Stadt auszumachen und auch so was wie einen Marktplatz zu haben, denn überall standen Männer sowie Frauen und versuchten mit lautem Gebrüll, die Menschenmenge auf sich aufmerksam zu machen. Zwar roch es hier nicht so schlimm wie in Ghulan, aber bei der Lautstärke war es besonders für Asyra mit ihren feinen Ohren ein schweres Stück Arbeit, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Auch wenn sie kaum was anderes wahrnahmen als das Geschrei, fiel ihnen auf, dass die Stimmung in der Stadt wohl sehr gut sein musste. Die Leute lachten fröhlich, begrüßten und umarmten sich, aber auch Kinder spielten glücklich und wild schreiend auf der Straße. Kaum zu übersehen war die hell- bis dunkelbraune Haut, wie Zuprecht und Asyra sie erst selten bei Menschen gesehen hatten. Nur Gart, der selbst aus dem tiefstem Süden kam, schien dies nicht zu bemerken.

Auch wenn es bereits fast Abend war, brannte die Sonne noch heiß auf der Haut und Zuprecht und Asyra fingen an zu schwitzen, was man besonders auf der weißen Kleidung, die mittlerweile eher einen Braunton annahm, besonders gut sah. Sie folgten der Hauptstraße der Stadt weiter und verließen nun den Hafen. Alle Häuser waren aus kastanienbraunem, die Dächer hingegen aus hellbraunem Holz gemacht. Der Lärm nahm ab, da nun nur noch vereinzelt Händler mit ihrem Gut in der Hand den Menschen entgegenriefen, sie sollen die besten Fische oder die süßesten Früchte der Stadt kaufen. Zwar hielten vereinzelt Menschen an, um sich die Waren genauer anzusehen, doch gingen sie meist schnell weiter.

Sie waren gut zehn Minuten gegangen, als Zuprecht sie auf ein Schild hinwies, das an einem Balken, keine drei Schritt von ihnen entfernt, hing. „Waldgeflüster“ stand dort in eleganter Schrift in grün geschrieben. Ein Pfeil zeigte auf das Gebäude, neben dem sie gerade standen. „Wie wäre es mit hier?“, fragte Zuprecht seine Gefährten, die alle, kaputt wie sie waren, zustimmten. Sie öffneten die Tür, was ein lautes Quietschen verursachte. Ein dicker Wirt mit einem Leinenhemd, Schnauzbart und Glatze stand hinter einem Tresen. Von den sieben Tischen waren fünf besetzt, alles Menschen, von denen jedoch nur die Hälfte wirklich aus Drachenfels zu kommen schien. Zuprecht und Asyra freuten sich, dass es in der Taverne deutlich kühler war als draußen. Sie gingen zu dem Wirt hinüber, der sie mit fremdartigem Akzent ansprach: „Ihr wunscht?“ „Wir würden die Nacht hierbleiben wollen, Schlafsaal, mit zwei Mahlzeiten, ein Tag“, antwortete Zuprecht wie auf Kommando. Asyra drehte sich um und ihr entging nicht, dass die Menschen verstummt waren, sich zu ihnen umgedreht hatten und nun in wildes Tuscheln verfallen waren. Asyra überlegte, ob sie eventuell ihren Geist ausschicken sollte, ließ es dann aber doch bleiben. Der Wirt, der bis eben überlegt hatte, antwortete nun: „Mal uberlegen. Ein Tak in das Schlafsaal macht drei Ware fur jeden.“

Zuprechts Miene verfinsterte sich und er hatte den Mund bereits geöffnet, um mit ihm zu verhandeln, doch er schloss ihn wieder und willigte grimmig ein. Kaum war das Geld gewechselt, deutete der Wirt auf eine Tür, die sich am anderen Ende der Taverne befand: „Dort konnt ihr schlawen. Morgen zum Sonnenaufgang wecken ich euch. Essen gibt es in einer Stunde.“ Damit schien das Gespräch beendet und die drei gingen zu der Tür, die der Wirt ihnen gezeigt hatte. Auch sie quietschte laut, als sie geöffnet wurde. Der Raum, der sich dahinter befand, war gute fünf Schritt lang. Sieben Feldbetten standen dicht aneinander. „Der Preis war also doch angemessen“, murmelte Zuprecht und ging zu einem Feldbett in der hinteren Ecke. „Wieso hast du dann eigentlich nicht doch verhandelt?“, fragte Gart. Asyra, die eigentlich die gleiche Frage hatte stellen wollen, schaute nun auch Zuprecht an. Dieser senkte die Stimme und flüsterte: „Ich habe meinen Geist ausgeschickt. Und naja ... Er hat sieben Kinder, die er alle versorgen muss. Da tat er mir eben leid.“ Asyra prustete laut los, auch wenn sie im Grunde von Zuprecht beeindruckt war. Immerhin hatte er einmal nicht gehandelt, auch wenn es für einen guten Zweck war.

Sie wollten sich vor dem Essen noch weiter die Stadt anschauen und hatten schon alles für die Nacht vorbereitet. Zwar schienen keine anderen Leute im selben Raum wie sie zu nächtigen, trotzdem wollten sie ihre wichtigsten Gegenstände mitnehmen. Zuprecht wollte Grasch mitnehmen, auch wenn Asyra strikt dagegen war, da sie nicht damit rechnen müssten, an der nächsten Ecke schon angegriffen zu werden. So verzögerte sich ihr Aufbruch um weitere fünf Minuten, bis Gart mit den Worten „Wenn er will, lass ihn doch“, den Streit beendete. Zwar war Asyra sauer, dass Zuprecht so wenig Vertrauen in die Menschen setzte, doch im Grunde war sie froh, denn wer konnte schon wissen, ob nicht doch der ein oder andere Kopfgeldjäger ihnen auf den Fersen war.

Als sie endlich wieder auf die mittlerweile etwas ruhigere Hauptstraße gingen, schlug ihnen noch immer eine unglaubliche Hitze entgegen – und das, obwohl die Sonne die Stadt nur noch schwach erhellte. Zuprecht und Asyra, deren Kleider noch immer von vorhin feucht war, fingen schon wieder an, leicht zu schwitzen. Gart, der dies bemerkte, schüttelte den Kopf, holte seine Kristallkugel aus dem Beutel und murmelte die Worte: „Quiela Aquita“, und berührte dann Zuprecht und Asyra mit der Kugel.

Sofort wurde die noch eben warme Luft angenehm kühl und dadurch viel erträglicher. „Danke“, seufzten beide wie aus einem Munde. Gart winkte ab und lachte: „Kleiner Alltagsspruch, den man bei uns im Südwall fast als Ersten in der Ausbildung lernt. Immerhin kann es dort noch deutlich heißer werden als hier!“

Die beiden fragten sich, wie ein Lebewesen nur freiwillig in so einer Gegend leben konnte. Gart fragen wollten sie jedoch nicht. Er könnte es falsch verstehen und sie wollten den Gefährten, der sich ihnen gerade erst angeschlossen hatte, nicht schon wieder verlieren.

Die meisten Händler waren dabei, ihre Waren einzupacken, andere versuchten hartnäckig, noch den einen oder anderen Fisch oder sonst was zu verkaufen. Wenigstens war das Gebrüll nicht mehr so laut. Anstatt zurück zum Hafen zu gehen, entschlossen sie sich, nun die Stadt zu erkunden. So folgten sie dem Weg, bis sie zu einem weiteren Marktplatz kamen. Auch dort waren kaum noch Händler, da auch die letzten ihre Waren zusammengepackt hatten. Der Marktplatz war zwar ein großer, aber kein schöner Ort. Ein Galgen war in der Mitte aufgestellt, neben dem ein Podest für einen Herold stand. Galgen und Podest war im gleichen Braun wie die Häuser, doch die Stände, die anscheinend ihren festen Platz hatten, waren aus dem gleichen hellbraunen Holz, aus dem auch die Dächer der Häuser bestanden.

Als sie an dem Galgen vorbeigingen, schmeckte Asyra Galle, da sie daran dachte, wie viele Menschen hier, vielleicht auch zu unrecht, gestorben waren. Asyra und ihr gesamtes Volk fanden diese Art von Bestrafung barbarisch und töricht, doch kein anderes Volk, abgesehen von den Feen, teilte ihre Meinung. Sie folgten der Hauptstraße über den Hauptplatz und sahen schon die vier Schritt hohe Stadtmauer, die für Menschenstädte üblich waren. „Kehren wir um, hier gibt es nicht sehr viel mehr zu sehen. Nur das Handwerkerviertel haben wir noch nicht gesehen und natürlich das Viertel der Armen und Tagelöhner, das hat mir Wenala erzählt“, sagte Gart. Auch Zuprecht stimmte zu: „Gut, ich hab sowieso keine Lust mehr. Ich will einfach nur essen und schlafen.“

Daher kehrten sie um und gingen wieder zurück zu der Taverne, in der der Wirt soeben dabei war, drei Teller mit dampfender Suppe aufzutischen. Gierig stürzte sich Zuprecht auf das Essen und schlürfte die Suppe mit unglaublicher Geschwindigkeit, Asyra und Gart hatten sich an diesen Anblick schon gewöhnt. Es war schon fast so etwas wie eine Tradition, dass Zuprecht meist sein Essen schon halb aufgegessen hatte, bevor sie sich überhaupt gesetzt hatten. Als sie fertig gegessen hatten, brachte der Wirt Zuprecht und Gart ein Bier, Asyra hingegen trank nur etwas Traubensaft, für den sie jedoch bezahlen musste. Wieder merkten Gart und Asyra, wie Zuprecht mit den Zähnen knirschte, als er eine Ware und zwei Sart für den Saft zahlte, aber er beherrschte sich und gab mit einem gezwungen Lächeln dem Wirt das Geld. Gart, der gerade einen Zug aus seinem Krug getrunken hatte, fragte die beiden anderen: „Müssen wir morgen nicht früh aufstehen? Immerhin müssen wir noch Vorräte für die Reise kaufen und unsere Sachen packen.“ „Sachen packen? Was willst du denn groß mitnehmen? Wir könnten uns aber Schutzkleidung für den Dschungel kaufen, immerhin kann auch unsere Kraft einmal aufgebraucht sein“, stellte Asyra fest. Auch Gart gefiel der Vorschlag, aber Zuprecht wandte ein: „Gut, aber wir haben nur noch 17 Udamantia, vier Jalken und drei Sart. Gart hat auch noch zwei Udamantia und Asyra ein Udamantia und vier Jalken. Dazu muss man bedenken, dass wir ungefähr acht Undamantia für die Rückreise einplanen sollten. Zwei Udamantia für Proviant sollten für morgen reichen. Ob es noch für die Kleidung reicht, ist eine andere Frage, jedenfalls sind wir danach pleite!“

„Nun, ich würde trotzdem sagen, dass es sinnvoller ist, das Geld für so was auszugeben“, richtete sich Gart an Zuprecht. „Immerhin bringt uns das Geld nichts, wenn wir im Dschungel sterben.“ Endlich, ließ sich Zuprecht überreden: „Nun gut, ihr habt ja Recht. Aber wir müssten bald wieder Geld verdienen!“

Sie redeten noch einige Minuten über dies und das, bis sie sich entschlossen, in ihre Feldbetten zu steigen, da sie unglaublich müde waren. Alle schliefen schnell ein.

Lorandor – die Macht des Fayriaths

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