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Kapitel 4: Die Fragen des Bösen

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Der Falke flog nun schon zwei Tage über die Steppen des Landes. Er brauchte den Schlaf nicht, wieso auch? Die Kraft nährte ihn, denn er war weder ein normaler Falke, noch ein normales Krokodil, noch ein Mensch, Zwerg, Elf, Kobold, Trilit oder sonst etwas. Er war er und so was wie ihn hatte es erst wenige Male in der Geschichte der Welt gegeben. Wieso eigentlich? Wieso war seine Art nicht über allen diesen niederträchtigen und hässlichen Menschen und Elfen gestanden? Warum hatte sich sein Geschlecht nicht durchgesetzt? Er stellte sich oft diese Frage, er konnte es einfach nicht akzeptieren. Ihm stieg der Rauch eines kleinen Dorfes in die Nase, doch ihn störte es nicht. Im Gegenteil, der Rauch erinnerte ihn an Zerstörung, Wut und Hass. Diese Gefühle durchströmten ihn fast durchgehend, nur jetzt wurden sie von der Lust übertroffen, Wesen zu töten. Seine Art wurde oft als blutrünstig angesehen, doch was wussten sie schon von ihm? Gar nichts, niemand wusste, wer er wirklich war, nur seine Herrin und ihre Vertrauten wussten es. Andere sollten es auch gar nicht erfahren, nur die Elfe sollte es für kurze Zeit wissen, aber sie würde nicht die Zeit finden, es jemandem zu erzählen, denn bevor sie reden könnte, würde er sie zerfetzen!

Er wusste, wo das Dorf war, in dem die Elfe sich befand. Denn er hatte ein Geheimnis, von dem sonst niemand wusste. Durch einen der vielen Zauber, die er in seinem Repertoire hatte, konnte er jedes Wesen sehen, egal, wie viele Schutzzauber es um sich gelegt hatte. Doch dieses Wissen würde er nicht einmal mit seiner Herrin teilen, denn irgendwann würde er auch sie vom Thron stürzen und er würde ihre Position einnehmen. Er segelte langsam über die Steppe hinweg, er hatte Gegenwind, sonst wäre er viel schneller gewesen. Allerdings konnte es ihm egal sein. Er musste sich nicht hetzen, die Elfe war sowieso langsamer als er und wann sie starb war genauso unwichtig, solange sie diesen Jungen nicht fand. Dann erspähten seine scharfen Falkenaugen etwas und er gellte einen schallenden Ruf durch die Nacht. Er hatte das Dorf entdeckt, nun würde die Elfe ihr Schicksal ereilen.

Im Sturzflug schoss er auf das Dorf zu und landete auf einem Palisadenpfahl. Er musste nur noch die Tavernen durchsuchen, dann würde er seine Aufgabe erledigt haben. Für das, was er tun musste, schloss er die Augen. Mit der Kraft, die in ihm wohnte, suchte er die Elfe, sie würde sich nicht verstecken können.

Langsam wurde ihm schwarz vor Augen, dann sah er ein Bild, wie durch eine beschlagene Scheibe. Es war unscharf, wurde aber von einem Moment zum nächsten scharf. Er sah ein Haus, eine Taverne, wie er jetzt erkannte. Dann wurde das Bild immer näher an ein Fenster im obersten Stockwerk herangeführt. Als er endlich durch das Fenster sehen konnte, sah er eine Frau. Ob es wirklich die Elfe war? Sie hatte das gleiche Gesicht wie das letzte Mal, doch sie hatte keine spitzen Ohren! Und war das nicht eines der Hauptmerkmale der Elfen? Auch die schiefliegenden Augen schienen nicht mehr vorhanden zu sein und die Hautfarbe war ebenfalls dunkler. Bevor er sich noch einmal vergewissern konnte, ob er sich nicht einfach verguckt hatte, wurde das Bild wieder schwarz und langsam fand er sich auf seinem Pfahl wieder.

Diese Umstände verunsicherten ihn. Aber sein Vertrauen in seine magischen Kräfte war stärker. Noch nie hatten sie ihn enttäuscht, wieso sollten sie es jetzt tun? Und selbst wenn sie es nicht war, sondern nur ein mickriger Mensch, würde er sie einfach weiter suchen. Jetzt brauchte er nur noch nach der Taverne Ausschau halten und dann würde er wissen, ob er die Elfe gefunden hatte oder nicht.

Er schwang die Flügel und flog eine Weile über die Stadt, auf der Suche nach dem Marktplatz. Als er diesen gefunden hatte, landete er in dessen Mitte und schaute sich um. Alle Straßen und Gänge der Stadt führten hierher, also musste er nur jeden einzelnen absuchen. Zuerst nahm er einen schmalen Gang. Er flog ihn entlang, doch ohne Erfolg, denn die Taverne war nicht in dieser Gasse. Was erlaubte sich dieses Dreckstück, sich einfach in einer Taverne zu verstecken? Er durchflog alle Gassen, aber nirgendwo konnte er die Taverne finden. Dass er sich das Bild der Taverne nicht gut eingeprägt hatte, war ein großer Fehler. Wut stieg wieder in ihm auf, nun würde die Elfe richtig leiden! Er ließ sich auf einen Balken nieder, der aus einem Hausdach herausragte. Während er überlegte, ob er nicht eventuell doch noch einmal den Zauber anwenden sollte, fiel ihm etwas ins Auge. Ein Haus, das ihm sehr bekannt vorkam. Dann fiel sein Blick auf ein Fenster im oberen Stockwerk und dort sah er sie. Friedlich lag die Frau in ihrem Bett. Sie hatte das Gesicht der Elfe, doch die Augen und die Ohren schienen menschlich. Während er sich noch immer fragte, ob sie es war, fiel ihm etwas anderes auf. Ein Mensch mit langen braunen Haaren lag in einem anderen Bett. Wenn sie es war, hatte sie etwa den Jungen schon gefunden? Das konnte nicht sein, wahrscheinlich war es die falsche. Es musste die falsche sein! Er schaute noch einmal auf die Frau und hätte er in seiner jetzigen Form einen Mund gehabt, wäre ihm wohl die Kinnlade runtergeklappt. Die Augen und Ohren der Elfe wurden von grauem Rauch umgeben und als sich dieser wieder löste, waren die Merkmale der Elfen unübersehbar: die spitzen Ohren und die leicht schiefen Augen, das makellose, bleiche Gesicht und dazu die kirschroten Lippen.

Der Falke gellte einen schrillen Schrei in die Nacht hinaus, die Elfe würde den morgigen Tag nicht erleben. Er flog in die Luft, sammelte seine Kraft und ließ mit einem weiteren Schrei das Fenster zerbersten. Dann ging er zum Sturzflug über.

Lorandor – die Macht des Fayriaths

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