Читать книгу Lorandor – die Macht des Fayriaths - Jan Michel Kühn - Страница 9

Kapitel 5: Vorboten des Grauens

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Das grelle Splittern des Fensters ließ Asyra und Zuprecht hochschrecken. Sie griff nach dem Säbel, Zuprecht jedoch hatte keine Waffe. Im nächsten Moment flog ein Falke in den Raum, pechschwarz und mit blutroten Augen, der Asyra direkt in die Augen blickte und sich im nächsten Moment in grauen Rauch auflöste. Star vor Schreck stand sie da, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können. Zuprecht kam angelaufen und zog sie mit sich, aus dem Raum hinaus. Im Vorbeilaufen murmelte er: „Rekoranek.“

Nach einem schnellen Fingerschnippen löste sich ihr Gepäck auf. Hastig liefen sie den Gang entlang. „Was war das?“ Asyra sammelte ihre Gedanken, sie brauchte einen klaren Verstand. „Keine Ahnung, aber es kann mir auch gestohlen bleiben.“ Zuprecht lief die Treppe hinunter. Er musste durchgehend seine Menschenform beibehalten, denn er lief erstaunlich sicher dafür, dass diese Beine eigentlich viel zu lang für ihn waren. Sie liefen durch den Hauptraum und aus der Tür hinaus in Richtung Marktplatz. Hinter sich hörten sie nur ein fürchterliches Brüllen, aber Asyra und Zuprecht drehten sich nicht um, sie hatten beide zu viel Angst. Sie hetzten zum Marktplatz, Zuprecht hielt noch immer Asyras Arm fest. Er zog sie in eine kleine Nebenstraße und lief diese entlang. Obwohl sie nicht wussten, ob das Etwas sie immer noch verfolgte, hielten sie nicht an. Sie bogen immer mal wieder in eine Gasse ein, ohne wirklich zu ahnen, wo sie sich befanden. Plötzlich hörten sie von hinten ein Fauchen. Instinktiv drehte sich Asyra um und im nächsten Moment wünschte sie, sie hätte es nicht getan. Eine pechschwarze Gestalt, zwei Schritt hoch, in der Form eines Löwen, jedoch mit einem mächtigen Schuppenpanzer und giftgrünen Augen, war keine 15 Schritte hinter ihnen. Seine lange Mähne wehte im Wind und die rote Zunge einer Echse kam immer wieder kurz aus dem offenen Maul des Ungeheuers heraus. In beiden Händen hielt es ein Langschwert, mit ebenso pechschwarzer Klinge. Es trug keine Rüstung, doch seine kupferfarbenen Eisenhandschuhe waren kaum zu übersehen. Zuprecht zerrte die Elfe weiter, sie wäre wohl einfach stehengeblieben, denn der Anblick war zu entsetzlich. Sie kannte so ein Wesen nur aus den alten Geschichten der Ältesten, die diese damals wieder von deren Ältesten gehört hatten. Es waren Ungeheuer, die einst durch die damals ebene Region von der Donnernden Faust nach Lorandor gelaufen waren. Die Zwerge hielten sie so gut wie möglich auf und ließen die Donnernde Faust mittels eines Rituals, in dem mächtige Magie gebraucht wurde, errichten, damit nie wieder solche Wesen nach Lorandor kommen würden. Doch weniger als ein halbes Dutzend dieser Wesen konnte sich verstecken und sie tauchten innerhalb der Geschichte erst dreimal wieder auf. Sie richteten allesamt riesige Blutbäder an und konnten erst von der einzigartigen Magierin Zaida Westwind auf den Dracheninseln, von dem mächtigen Elf Feryala Sya’lerath beim Baum der Ewigkeit und dem legendären Zwergenkönig Ranlosch, Sohn des Trasch, am Salzersee erschlagen werden. Niemals hätte Asyra damit gerechnet, einem solchen mächtigen Wesen, Gartak genannt, zu begegnen. Sie waren nicht nur in der Lage, mächtige finstere Magie zu wirken, sondern dazu noch äußerst bewandert im Kampf.

Sie liefen mittlerweile fast im Sprint, doch auch der Gartak legte nach und kam immer näher. Zuprecht brüllte: „Dartenor Scharkdek.“ Er schnippte mit den Fingern und deutete im Laufen, ohne hinzuschauen, hinter sich. Ein blauer Blitz entfuhr seinen Fingern, doch Asyra wusste nicht, ob er getroffen hatte, sie war zu sehr mit Laufen beschäftigt. Sie bogen wieder in eine Seitengasse ein. Es war eine schmale, aber lange Gasse. Sie hatten aber keine Zeit, sich über die Art der Gasse Gedanken zu machen, immerhin war ihnen eines der mächtigsten Wesen von ganz Lorandor auf den Fersen.

Das Laufen war sehr anstrengend und Asyra und Zuprecht verloren schon langsam das Gefühl in den Beinen, sie wussten nicht, wie weit sie gerannt waren und wie lange schon. Asyra blickte sich wieder um, der Gartak schien sie nicht mehr zu verfolgen. Zuprecht zog sie in eine kleine Sackgasse, die voller Kisten und Fässer war. Dann streckte er seine gespreizten Hände von sich weg und murmelte die Worte: „Isularata Visonaris Finitum.“ Von den Händen nach außen breitete sich eine Wand aus, sodass die Sackgasse nicht mehr zu sehen war, jedoch konnte man aus der Sackgasse nach draußen schauen. „Ein komplizierter und kräftezehrender Zauber“, erklärte Zuprecht mit leiser Stimme auf den fragenden Blick von Asyra. Sie ruhten sich aus, doch ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Bei jedem Krächzen und Knacken schraken sie auf. Dann aber hörten sie ein leises regelmäßiges Klacken. Der Gartak kam! Langsam und leise ging er an ihnen vorbei, wobei er sich nach links und rechts umschaute. Er schien zu ahnen, dass sie hier waren. Zuprecht, der noch immer vor der Illusion stand, hielt mit weit aufgerissenen Augen die Luft an. Das Ungeheuer schnupperte und schlug mit dem langen schwarzen Schwanz eine Kiste neben der Illusion kaputt. Nun, ganz langsam, bewegte er seinen Löwenkopf in Richtung Zuprecht. Es trennten sie nur noch einige Zentimeter und eine Illusion. Asyra befürchtete, dass der Gartak jeden Moment zustechen würde. Aber dann, ganz langsam, hob Zuprecht seine Hand, die er nun zu einer Faust geballt hatte, vor sein Gesicht. Ohne Vorwarnung riss er seine Faust auf, sodass alle Finger gespreizt waren, während er schrie: „Bobartum!“

Die Wucht der Kraftwelle, die von Zuprechts Hand ausging, riss den Gartak von den Füßen, sodass es ihn durch die steinerne Wand des Hauses gegenüber schleuderte. Große Brocken fielen auf den geschuppten Löwen. Asyra, die erst jetzt realisierte, was Zuprecht da getan hatte, hob nachträglich noch beide Hände und streckte sie so weit wie möglich von sich weg. Sie sammelte die Kraft und schleuderte die Kisten, die sich in der Sackgasse befanden, auf den Gartak. Zuprecht schrie: „Komm endlich! Ein zweites Mal klappt das nicht!“ Sie nickte, warf noch mal einen Blick auf das Ungeheuer, welches vollkommen unter Schutt begraben lag und bog wieder in die schmale Gasse ein. Ob das Monster tot war, wussten sie beide nicht, sie glaubten nicht wirklich daran, doch hoffen konnten sie.

Asyra lief Zuprecht nach, ohne zu wissen, wo er hin wollte. Sie waren viel langsamer als vorher, die Zauber hatten sie viel Kraft gekostet. Die Gasse endete auf einer der zwei Hauptstraßen, die aus dem Dorf herausführten. Sie bogen in Richtung Palisade ab und liefen so schnell sie konnten auf diese zu. Dann hörten sie wieder ein Brüllen, nicht weit hinter ihnen. Im nächsten Moment erhob sich ein Stein vor Asyra. Sie konnte ihre Beine nicht rechtzeitig heben, stolperte über den Stein und stürzte. Zuprecht, der erst jetzt feststellte, dass Asyra gestürzt war, stand mittlerweile zehn Schritt von ihr entfernt. Schnell richtete sie sich auf und drehte sich um. Ihren Säbel hielt sie bereits kampfbereit in der Hand. Noch während sie sich umdrehte, sah sie, dass der Gartak schon vor ihr stand. Ohne zu zögern, machte sie einen Satz nach hinten und sah wie eine Klinge um Haaresbreite an ihrer Nase vorbei zog. Der Konter, den sie starten wollte, scheiterte, denn das zweite Langschwert rauschte bereits von der Seite an, das sie mit ihrem Säbel parierte. Ihr gesamter Körper zitterte, als das Langschwert auf ihre Waffe traf. Sie schaute ihrem Widersacher ins Gesicht. Seine giftgrünen Augen leuchteten aus den tiefen Höhlen und die gespaltene Zunge züngelte immer wieder um seine Mundwinkel. Galle tröpfelte aus dem Maul, aus dem es fürchterlich stank. Es jagte ein Schlag den anderen. Asyra wich zurück und blockte die Attacken ab, während sie ihre Kraft sammelte, um an Geschwindigkeit zu gewinnen. Endlich spürte sie, wie ihr Körper leicht wurde. Nun setzte der Gartak erneut zum Schlag an, aber jetzt war Asyra deutlich schneller als vorher. Erneut sammelte sie ihre Kraft in ihrer linken Hand, die sie einmal blitzschnell über den Kopf kreisen ließ, und drückte sie ihrem Widersacher mit einer unglaublich flinken Bewegung in den schleimigen Schuppenpanzer. Eine Efeuranke band sich um den Körper und schlängelte sich rasend um den Körper des Gartak. Bevor diese seine Arme erreichten, ließ das Monster seine beiden Schwerter auf Asyra hinab sirren. Ihre Augen weiteten sich, als die Schwerter ihr den Rücken aufrissen.

Asyra gab einen Schrei von sich, der so qualvoll war und bei dem wohl jedes andere Wesen wahnsinnig geworden wäre, aber der Gartak erfreute sich nur daran. Er wollte zum zweiten Angriff ansetzen, doch die Ranken hinderten ihn dran. Ihr komplettes Sichtfeld verdunkelte sich, sie wusste nicht mehr, wer oder wo sie war, sie wusste nicht, was sie hier machte und warum sie das tat. Alles, was sie wusste, war, dass diese unendlichen Qualen endlich ein Ende nehmen sollten. Und wie durch ein Wunder hörten die Schmerzen tatsächlich auf und sie hörte von ganz weit weg jemanden rufen. Danach ein Schrei, ein helles Licht, ein weiteres ebenso helles Licht und plötzlich spürte sie wundersam weichen Rasen. Dann einen dumpfen Aufschlag und zum Schluss merkte sie überhaupt nichts mehr.

*

„Was ist geschehen?“, sprach eine hohe Stimme zu ihr „Wie gesagt, ich weiß es nicht! Dieser Kobold scheint die beiden hergebracht zu haben.“ Die andere Stimme war noch höher als die erste. Dann fing die erste Stimme wieder an zu sprechen: „Aber wie sind sie hierher gekommen? Ich meine, es sind fast tausend Meilen von der Steppe bis hierher.“ „Sie hatten eine Träne dabei. Wo sie diese her haben, frag mich bloß nicht.“ Dies war wieder die zweite Stimme. Asyra fühlte sich ganz elend. Sie hatte fürchterliche Kopfschmerzen, sie hatte Hunger, Durst und ihr war unglaublich heiß. Dazu fühlte sie sich müde und kaputt. Sie wollte sich aufrichten, doch ihr gesamter Körper wollte sich nicht bewegen und ein stechender, fast unerträglicher Schmerz durchfuhr vom Rücken aus jeden Knochen, jeden Muskel und jede Sehne.

Ihre Augen konnte sie nur wenige Millimeter weit öffnen. Sie sah verschwommen einen runden Raum aus Holz. Ein Tisch und zwei Stühle standen mitten im Raum. „Und was machen wir jetzt mit ihr?“, meldete sich eine dritte, nicht weniger hohe Piepsstimme nun zu Wort. „Die Wunde am Rücken sieht sehr tief aus. Ob wir sie heilen können?“

Nach einer kurzen Pause sprach die dritte Stimme erneut: „Sitrana? Hol doch bitte etwas Wasser. Wenn sie aufwacht, wird sie bestimmt etwas trinken wollen.“ Nach einer erneuten Pause fing die zweite Stimme wieder an: „Der Kobold, er wacht auf.“ Asyra hörte ein lautes Stöhnen und das Plätschern von Wasser. „Wie geht es dir?“ Das war wohl wieder die erste Stimme, aber sie war nun viel aufgeregter. „Lass ihn doch erst mal zu Wort kommen, Atrina. Er fühlt sich nicht wohl“, meldete sich die dritte erneut zu Wort. Diese schien so etwas wie die Leiterin zu sein. Sie wandte sich an Zuprecht: „Wie geht es dir? Du wurdest anscheinend von einem mächtigen Zauber schwer verwundet. Deine gesamte Kraft wurde dir entrissen und irgendetwas hat ein Loch durch deine Schulter gebohrt.“ Asyra erschrak. Plötzlich waren ihre Gedanken geordnet und ihr Verstand glasklar. Zuprecht hatte ein Loch vom Gartak in die Schulter gerammt bekommen? Und wo waren sie? Hatte die eine Person nicht gesagt, sie seien fast tausend Meilen von der Steppe entfernt? Wo sie auch war, sie wusste nur, dass sie sich einen mächtigen Feind gemacht hatten, wahrscheinlich den mächtigsten. Denn nun waren sie die Beute der Diamantenen Hexe und ihres Gefolges.

Lorandor – die Macht des Fayriaths

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