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Probleme des Frauenlebens

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Ich bin jetzt 15 Jahre alt und schon eine richtige Frau, denn gestern habe ich zum ersten Mal meine Regel gehabt. Meine Mama hat mir gratuliert, als ich es ihr erzählt habe, und hat mich zu einem Fürst Pückler Eis in Ginos Eisdiele eingeladen. Sie hat mir anvertraut, dass sie dieses Ereignis sehnlichst erwartet habe, denn jetzt könne sie mit mir von Frau zu Frau reden. Sie habe sonst niemanden, mit dem sie ihre geheimsten Gedanken und Sorgen teilen könne.

Kai, mein älterer Bruder, lebe in einer anderen Welt. Ihn interessierten vor allem seine philosophischen Bücher und geistlichen Ideale. Er sei ein geborener Künstler mit seiner Musik und seiner Malerei, seinen Gedichten und seinen wissenschaftlichen Interessen und verstehe naturgemäß nicht die Nöte einer verlassenen Frau. Künstler seien Narzisse, seien nur auf sich selbst konzentriert und hätten wenig soziale Neigungen. Sie müssten auch so sein, weil sie anders nicht ihre unsterblichen Werke schaffen könnten.

Unser Vater habe sich schon früh von uns getrennt, als ich gerade geboren gewesen sei, und lebe jetzt mit einer anderen Frau zusammen. Er zahle nur noch unseren Unterhalt und sei ansonsten nicht für uns zu sprechen. Und Oma, die Mutter meines Vaters, sei unsere erklärte Feindin. Sie sei von Anfang an gegen die Heirat ihres Sohnes gewesen, weil nach ihrer Meinung sie, als einfache Krankenschwester, gesellschaftlich nicht zu einer geadelten Industriellenfamilie gepasst habe. Sie, die Oma, habe auch systematisch die Scheidung von dem Vater betrieben und ihr letztlich eine Million Mark als Entschädigung für die Trennung vom Vater bezahlt.

Der Vater habe anfangs noch zu ihr gehalten und ihr das Paradies auf Erden versprochen, eine Villa in Marrakesch, eine Hochseeyacht in Hamburg, ein Landhaus am Chiemsee und ein Millionenvermögen auf der Deutschen Bank, aber sie habe seine Versprechungen nicht sofort eingefordert und sich auch keine Notizen in einem Tagebuch dazu gemacht. Jetzt, nach dem fast völligen Verlust der Million infolge falscher Anlagestrategie mit dem Aufkauf von rasch verfallenden Bergbauaktien, habe sie keine nennenswerten Rücklagen mehr und wir müssten mit den knapp bemessenen Unterhaltszahlungen auskommen, die der Vater an uns überweise.

Die einzige Hoffnung auf eine bessere Zukunft bestehe darin, dass bei dem zu erwartenden baldigen Ableben des Vaters, der Krebs habe und der aus der Verbindung mit der anderen Frau keine Kinder habe, mir und meinem Bruder sein Erbe zufalle. Dieses sei infolge der mittlerweile wieder profitablen Situation der väterlichen Firma millionenschwer und beschere uns somit die wirtschaftliche Sicherheit, die wir als Kinder eines führenden deutschen Industriellen schon lange von Rechts wegen verdient hätten.

Ich solle aus ihrem traurigen Schicksal lernen und früh den Männern misstrauen, solle nicht wie sie ihre Versprechungen wie ihre Vergehen unnotiert lassen und somit eventuell wehr- und waffenlos möglichen Trennungen ausgesetzt sein.

Ich muss sagen, diese Offenbarungen meiner Mutter haben mich ziemlich nachdenklich gemacht. Anscheinend ist uns Frauen ein härteres Schicksal bestimmt als den Männern. Wir sind sozusagen die Dienstmädchen der Männer. Ich sehe das schon in unserer Familie. Mein Bruder muss nicht putzen oder das Geschirr spülen. Er muss nicht immer sauber gewaschen und sorgfältig gekämmt sein. Er muss auch nicht immer ordentlich angezogen sein und mit glänzenden Schuhen nach draußen gehen. Er muss sich von seinem Taschengeld keine Servietten und Tischtücher für seine künftige Aussteuer kaufen und muss auch nicht jeden Abend um 10 Uhr zu Hause sein. Er darf eigentlich alles tun, was er will, und ich muss mich an tausend Vorschriften und Regeln halten, die andere für mich aufgestellt haben!

Mama hat auch gesagt, dass wir in der Beziehung zu Männern immer die Benachteiligten sind! Wir kriegen die Kinder und haben für sie zu sorgen, d.h. wir müssen die ganze Arbeit tun. Und wenn eine andere Frau dem Vater schöne Augen macht, so lässt er seine Ehefrau mit den Kindern sitzen und bezahlt höchstens noch die Alimente. Da hast du keine Unterstützung bei der Erziehung der Kinder, keinen Rat, wenn sie Dummheiten machen, keine Hilfe, wenn dir die Probleme mit Berufstätigkeit, Kinderbetreuung und Haushalt über den Kopf wachsen.

Und selbst wenn der Mann mit dir zusammen lebt, weißt du denn, ob er dich nicht insgeheim mit einer anderen Frau betrügt? Vielleicht gibt er auch, ohne dass du es weißt, das ganze angesparte Vermögen für die andere Frau aus. Und wenn der Mann dann stirbt, stehst du mit leeren Händen da. Das ist alles schon vorgekommen! Ich weiß das von einer Freundin meiner Mutter. Oder wenn der Mann trinkt. Dann geht vielleicht der größte Teil seines Verdienstes dafür drauf und du musst Schulden machen, im Lebensmittelgeschäft anschreiben lassen, um deine Kinder zu ernähren. Nein, ich denke, Mama hat recht, auf die Männer kann man sich nicht verlassen, und man tut gut daran, über alle ihre Eskapaden Buch zu führen, Tagebuch! Dann hat man wenigstens, wenn es bei der Trennung zu einem Prozess kommt, seine Unterlagen und kann den Richtern sauber nachweisen, wann und wo der Mann einen betrogen hat.

Nachdem mir Mama alles von sich und Papa erzählt hat, bin ich mir auch gar nicht mehr so sicher, ob mein Freund Klaus Dieter mir so treu ist, wie er immer sagt. Ich denke, die blonde Ulla hat bei ihm wenigstens so einen Stein im Brett wie ich. Und ich bin mir auch nicht mehr ganz sicher, ob er sich mir gegenüber in Geldangelegenheiten korrekt verhält.

Ich habe ihm öfter ein paar Groschen geliehen, wenn er sich eine Fanta oder Sprite an der Bude kaufen wollte. Die hat er mir nur ganz selten zurückgegeben. Bis jetzt habe ich darüber hinweggesehen, weil ich ihn liebe; aber in Zukunft werde ich darauf bestehen, dass wir in Geldangelegenheiten, wie meine Mutter sagt, „Ausländer“ sind. Vor allem wird das wichtig, wenn die Beträge, die er sich bei mir leiht, größer werden.

Die Tage hat er sich bei mir 10 DM geliehen, um sich dafür bei der Aktiengesellschaft, die einige Klassenkameraden und Klassenkameradinnen in unserer Schule gegründet haben, zwei Aktien zu kaufen. Denn erst der Besitz von wenigstens zwei Aktien berechtigt zum Handel mit den Getränken und Süßigkeiten, die der Vater eines Klassenkameraden zum Großhandelspreis jeden Morgen vor Schulbeginn anliefert. Unsere ganze Klasse ist dann schon da und nimmt die Ladung in Empfang. Wir leeren unsere Büchertaschen in unserem Klassenzimmer, laufen zum Lieferwagen und packen die Fanta- und Colaflaschen, die Kaugummis und Fruchtbonbons, die Schokoladentafeln und Lakritzstangen in unsere Taschen und spurten dann in andere Klassen unseres Gymnasiums, um die bereits sehnsüchtig erwarteten Leckereien mit einem kleinen Aufschlag gewinnbringend zu verkaufen.

Die Gründung der Aktiengesellschaft war ursprünglich eine Schnapsidee von unserem geschäftstüchtigen Klassenkassenverwalter Cherry. Wir hatten nämlich im Erdkundeunterricht gelernt, wie eine “Aktiengesellschaft“ funktioniert, und er hatte sofort den Einfall das Defizit in unserer Klassenkasse damit zu beheben. Dafür wollten die Anderen aber nicht arbeiten, sondern wollten nur in ihre eigene Tasche wirtschaften. So haben wir 30 Schüler und Schülerinnen jeweils zwei Aktien zu 5 DM gezeichnet und hatten damit 300 DM, um damit einzukaufen. Unsere Ware ging reißend weg und schon stiegen unsere Aktien um das Doppelte im Wert. Wir gaben also neue Aktien für 10 DM aus und konnten jetzt für 600 DM einkaufen. Und auch dieser Einkauf war im Nu vergriffen. Unsere Schule zählt immerhin fast 1000 Schüler und Schülerinnen. Und wieder stiegen die Aktien um das Doppelte.

Jetzt wollten auch Schüler aus anderen Klassen in das Geschäft einsteigen, denn die Beträge, die wir auf den Einkaufspreis aufschlugen, wanderten natürlich in unsere Taschen und diejenigen, die mehr Aktien hatten als die Anderen, bekamen auch mehr Waren und machten somit auch höhere Gewinne. Die Aktien waren also sehr begehrt und stiegen immer weiter im Wert. Wir konnten bald täglich für 1000 bis 1200 DM einkaufen und wurden dennoch alle unsere Waren los. Bei diesen satten Gewinnen, die wir mit dem Verkauf von Aktien und dem der Waren machten, erklärten wir uns auch bereit, einen Teil der Gewinne aus den Aktienverkäufen in unsere Klassenkasse zu stecken, um dieses Geld bei der nächsten Klassenfahrt für Sonderausgaben zu haben.

Leider kam unser Geschäft nach einigen Wochen in eine Krise, denn die Aktien kosteten mittlerweile 50 DM und für einen neuen Aktionär dauerte es dann zu lange, bis er seine Unkosten wieder heraus hatte, geschweige von Gewinnen sprechen konnte.

Von da an fielen die Preise für unsere Aktien fast genauso schnell, wie sie gestiegen waren, ja sie sackten sogar unter den Ausgabepreis, auf 2.50 DM. Die Geschäfte liefen zwar noch, aber die vielen Aktionäre machten sich gegenseitig so viel Konkurrenz, dass auch die Gewinne nicht mehr der Rede wert waren. Viele wollten daher ihre Aktien loswerden und fanden keine Abnehmer mehr. Unter den Verkaufswilligen waren einige, die 50 DM und mehr für die Aktie bezahlt hatten.

Darunter auch mein Klaus Dieter. Und so begeistert sie für das Geschäft gewesen waren, als noch die Gewinne sprudelten, so verärgert waren sie jetzt, da sie feststellen mussten, dass sie erhebliche Verluste gemacht hatten. Klaus Dieter, der mir versprochen hatte, mir einen Anteil an seinen Gewinnen zu geben und mir die 10 DM, die ich ihm geliehen hatte, wieder voll zurückzuzahlen, sagte mir jetzt, ich hätte Anteil an seinen Gewinnen gehabt, also müsste ich seine Verluste auch mit ihm teilen, so könne er mir auch die 10 DM nicht zurückzahlen. Im Übrigen hätte ich meine Aktien noch mit Gewinn verkauft, als sie angefangen hätten zu fallen, und so hätte ich ja das, was er verloren hätte, als Profit gewonnen und hätte meinen Einsatz für ihn doppelt und dreifach herausbekommen, so dass ich auf seine Rückzahlung nicht angewiesen sei!

„Nachtigall, ich hör‘ dir trapsen“. Meine Mutter hat mich nicht umsonst vor der Unberechenbarkeit der Männer gewarnt! Ich werde mir das merken, obwohl ich ihn so sehr liebe, dass ich ihm seine Verluste gerne ersetzen würde, aber dann wäre er in seiner Ehre getroffen, weil ich dann als die Geschäftstüchtigere dastünde, wo er sich doch vorgenommen hat, Millionär zu werden.


Betty und Kai

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