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Klaus Dieters Untreue, neue Freunde

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Ich bin unglücklich und voller Hass, Ekel, Abscheu gegenüber den Männern. Gestern war unsere Disco! Und sie war ein voller Erfolg! Es gab einen Ansturm von Besuchern, der über das Fassungsvermögen der Aula hinausging. Wir mussten die Türen schließen und Polizeischutz anfordern, damit diejenigen, die keinen Einlass bekommen hatten, nicht die Türen einschlugen. Auch finanziell und organisatorisch hat alles gut geklappt, weil ich mich den ganzen Abend um alles gekümmert habe.

Dabei blieb mir natürlich wenig Gelegenheit das Tanzbein zu schwingen. Ich hatte gedacht, dass Klaus Dieter mir helfen würde, Getränke und Kartoffelchips zu verkaufen und den Ordnungsdienst zu organisieren. Aber denkste! Der Herr war mit seinem Auftritt und der blonden Ulla unerreichbar beschäftigt. Er hat diese miese Ziege als Leadsängerin für seine Band gewonnen, obwohl diese krächzende Nebelkrähe nicht das geringste Gefühl für Rhythmus und Takt hat und Klaus Dieter hinter den Bühnenkulissen bis zu ihrem Auftritt den Vortrag der armseligen drei Liedchen, die sie trällern sollte, ununterbrochen mit ihr üben musste. Ich hätte ja noch für diesen Einsatz von Klaus Dieter Verständnis gehabt, weil er was mit unserem musikalischen Programm zu tun hatte, aber dass er sich auch nach ihrem Auftritt noch den ganzen Abend um diese Schlampe kümmern musste, das ging mir gegen die Hutschnur.

Er hat tatsächlich nicht ein einziges Mal Zeit gehabt mit mir zu tanzen, obwohl ich ihn mehrfach dazu aufgefordert habe. Er müsse sich um seine Leadsängerin kümmern, hat er mir gesagt, weil es sonst sein könnte, dass einige andere Bandleader, die in der Aula seien, sie ihm wegschnappen könnten. Und das wäre bei ihrer einzigartigen Stimme ein großer Verlust für seine Band. Ich habe ihn gefragt, was er unter „sich kümmern“ verstehe, ob das auch „Liebesdienste“ beinhalte. Und der doofe Scheich hat darauf tatsächlich mit „ja“ geantwortet. Die Tussi hat mir darauf ins Gesicht gelacht, was mich so wütend gemacht hat, dass ich sie am liebsten an den Haaren gezogen hätte. Aber Gott sei Dank kam Michael in diesem Augenblick in seinem Rollstuhl vorbei und sagte mir, dass ich beim Verkaufsstand gebraucht würde. Der Andrang sei dort so groß, dass die Anderen der Nachfrage nicht mehr nachkommen könnten. Das hat mich gerettet. Ich habe mich auf dem Absatz umgedreht und bin wortlos zum Verkaufsstand gegangen, wo ich meinen Frust an den drängelnden Kunden etwas abreagieren konnte.

Als die Disco vorbei war, habe ich Klaus Dieter gestellt und auf einer Aussprache bestanden. Er hat mir geschworen, dass die Beziehung zur blonden Ulla rein geschäftlich sei. Sie habe diese einmalige Stimme, die eine große Zukunft verspreche, und er habe bereits mit ihr einen Vertrag abgeschlossen, worin sie sich verpflichte in den nächsten drei Jahren nur mit seiner Band aufzutreten, aber andere Bands seien wie wild hinter ihr her und sogar bereit sie aus ihren vertraglichen Verpflichtungen herauszukaufen und deswegen sei er den ganzen Abend bei ihr geblieben. Darauf habe ich ihn gefragt, ob das mit den „Liebesdiensten“ von ihm ernst gemeint gewesen sei. Und er hat mir geantwortet: „Nein, das ist nur ein Scherz gewesen! Letztendlich kann ich mir als Mann von einer Freundin nicht vorschreiben lassen, mit wem ich die Zeit verbringe!“

Ich musste etwas schlucken, aber ich habe mich für meine Eifersucht entschuldigt. Und heute muss ich von Peter, der Schlagzeuger in Klaus Dieters Band ist, erfahren, dass diese Schlampe und Klaus Dieter sich hinter den Kulissen geknutscht haben und es sogar zu Zungenküssen gekommen ist. Und jetzt koche ich vor Wut und könnte Amok laufen, dass Klaus Dieter so ein Schuft ist! Aber ich werde ihn noch einmal aufsuchen und zu einem Geständnis zwingen, und dann werde ich ihn vor die Wahl stellen: entweder die Schlampe oder ich, und wenn er dann die Schlampe vorzieht, dann ist es endgültig aus zwischen uns. Das habe ich mir felsenfest vorgenommen, zumindest solange, bis die Schlampe ihn verlässt. Wenn das passiert, dann könnte es natürlich sein, dass ich ihm verzeihe und ihn nicht im Stich lasse. Schließlich liebe ich ihn noch immer!

Ich habe die Sache auch mit Kai besprochen, der zurzeit in Mexiko ist und der uns von Mexiko-City aus angerufen hat. Er war auch bei den zwei ersten Geschäftsabschlüssen, die Papa getätigt hat, dabei und hat von den Geschäftspartnern so viele Einladungen zu Jagdveranstaltungen, Raftingtouren, Cocktailparties und Badeausflügen bekommen, dass er jetzt bei keiner Verhandlung über Geschäfte mehr dabei sein will. Er hat sich zum Ethnologen erklärt und alle Einladungen mit dem Hinweis ausgeschlagen, dass er einen Film über die gegenwärtige ökonomische und kulturelle Situation der Mayas drehen wolle, um diese mit ihrer ehemaligen Kultur und ökonomischen Situation zu vergleichen. Papa hat ihm auch grünes Licht für dieses Projekt gegeben und so haben sich ihre Wege getrennt, denn Kai ist nach Yukatan geflogen, um dort seinen Film zu drehen, während Papa weiter in Mexico-City geschäftlich tätig ist.

Aber ich wollte berichten, welchen Rat mir Kai für die Lösung meiner Beziehungsprobleme mit Klaus-Dieter gegeben hat. Er meinte, dass das Interesse von Klaus-Dieter an der Ulla vor allem aus dem Wunsch entspringe, seiner Band eine starke Stimme für zukünftige Auftritte zu sichern. Ich hätte doch auch eine schöne Stimme, die ich noch ein bisschen weiter ausbilden lassen könnte. Also sollte ich das tun und Klaus-Dieter davon überzeugen, dass ich die bessere Leadsängerin sei. Dann würde er ganz schnell zu mir zurückkommen und die Ulla zu einer anderen Band gehen lassen. Wenn es denn stimme, dass andere Bands bereit seien, Ulla aus ihrem Vertrag heraus zu kaufen. Dann könne Klaus-Dieter sogar noch ein gutes Geschäft mit dieser Transaktion machen. Und so wie er Klaus-Dieter kenne, lasse der sich ein solch lukratives Geschäft nicht entgehen.

Ich finde die Idee von Kai sehr vielversprechend und werde mir neben meinen vielen anderen Tätigkeiten jetzt auch noch einen Gesanglehrer zulegen. Papa hat mir ja versprochen, alle meine Hobbies zu finanzieren und so kann ich mir schon einen jungen, gut aussehenden Gesanglehrer leisten. Vielleicht finde ich da auch einen Ersatz für Klaus-Dieter, wenn er denn keine Vernunft annehmen will und nicht zu mir zurückkehrt. Im Übrigen habe ich genug Chancen. Seitdem Papa hier war und sich das in der Schule herumgesprochen hat, habe ich aus allen Altersstufen glühende Verehrer.

Da gefällt mir auch der eine oder andere. Einer hat mir sogar ein in Leder gebundenes Quartheft geschenkt, das ganze Serien von Gedichten enthält, die er alle für und über mich geschrieben hat. Dabei sind nicht wenige Liebesgedichte. Da kommen dann solche Verse vor:


„Errötend folg ich ihren Spuren

Und bin von ihrem Gruß beglückt.

Ihr Lächeln schenkt mir Seelenkuren;

Sieht sie mich nicht, bin ich geknickt!“

oder

„Wer kommt denn da den Weg entlang

Mit frohem Mut und blondem Zopf,

Mit kessem Pfiff und hellem Sang;

Und in mir macht was klopf, klopf, klopf!“


und so unendlich weiter.

Es macht mir immer wieder Spaß, die Gedichte zu lesen, denn ich habe das Gefühl, der Junge liebt mich wirklich und nicht das Geld, das ich einmal erben werde. An Geld ist Wilhelm auch gar nicht interessiert. Er will nämlich evangelischer Pfarrer werden und den Menschen dienen, dass sie Heil und Sinn in ihrem Leben finden. Das sei viel wichtiger als Geld und Karriere, hat er mir gesagt. Er hat mir auch gesagt, dass ich für ihn eine ideale Pfarrersfrau sein würde und dass er gern viele Kinder mit mir haben möchte, aber ich kann mir, bei aller Freundschaft, ein Leben ganz ohne Vermögen nicht vorstellen. Und bei zehn Kindern, die Wilhelm haben will, wäre auch mein väterliches Erbe schnell verbraucht und wir müssten so eine Art Laubenpieperleben führen und wüssten nie, wie wir den nächsten Tag über die Runden kommen könnten. Ich habe das dem Wilhelm auch gesagt, was ihn sehr traurig gemacht hat. Er fühle sich zum Geistlichen berufen, hat er dann geantwortet, und er habe so viel Gottvertrauen, dass er und seine Familie immer gut versorgt seien.

Da musste ich ihm gestehen, dass ich nicht so viel Gottvertrauen habe und auch etwas materielle Sicherheit brauche, um so ein schweres Leben wie das einer Pfarrersfrau über viele Jahre auszuhalten. Da hat er mich so demütig gefragt, ob er mich auch platonisch lieben dürfe, wenn ich seinem kreatürlichen Liebeswerben nicht nachgeben könne, dass ich ihm seinen Wunsch nicht abschlagen konnte, obwohl ich nicht weiß, was er mit „platonisch“ meint. Er ist schon ein bisschen weiter in seinen Kenntnissen als ich, denn er geht schon in die Obersekunda.

Da ist aber noch ein anderer, der gerne mein Freund sein möchte. Er heißt Christian und sein Vater ist Bankdirektor. Er ist auch bereits in der Obersekunda und ist der einzige, der mir bei unserem Wettbewerb mit den Aktien gefährlich werden kann. Er hat von seinem Vater bereits so viel von Börsengeschäften gelernt, dass der Vater ihm die Verwaltung seiner richtigen Börsenpapiere anvertraut hat. Mit großem Erfolg, wie es der Vater mir selber gesagt hat. Ich denke, dass der Vater ihm ab und zu ein paar Tipps gibt, genau wie bei unserem Aktienspiel, bei dem Christian im Augenblick tausend DM Vorsprung vor mir hat. Denn dass er aus eigener Kraft mir in Börsendingen überlegen ist, traue ich ihm nicht zu. Er ist auch von Statur sehr klein und ich möchte natürlich lieber einen großen, athletischen Freund statt so eines Zwerges.

Aber seine Zuneigung möchte ich mir schon erhalten. Man kann ja als Frau in dieser von Männern beherrschten Welt nicht genug Freunde haben, um in schwierigen Situationen von ihnen unterstützt zu werden. Vielleicht geht seine Neigung zu mir so weit, dass er mir einige Börsentipps, die er von seinem Vater erhält, mitteilt. Da könnte mich auch seine Zwergenfigur nicht davon abhalten, ihn ernst zu nehmen und auf ihn zu hören. Aber als sozusagen „geliebter Freund“ kommt er zurzeit noch nicht für mich infrage. Da muss er schon noch ein bisschen wachsen. Das sieht doch nicht aus, wenn man mit einem Freund unterwegs ist, der einem nur bis zum Bauchnabel reicht.

Im Übrigen hat mich Klaus Dieter vorhin angerufen und sich entschuldigt, dass er mich belogen und betrogen hat. Er will auch Gott in meiner Gegenwart um Vergebung bitten und sich, um seine Reue zu zeigen, vor uns beiden, Gott und mir, auf den Boden schmeißen und uns versprechen, dass er keinem anderen Mädchen mehr einen Zungenkuss geben will. Ich habe mir Bedenkzeit erbeten, denn ich hänge nun einmal an Klaus Dieter. Auch wenn er ab und zu mal eine Dummheit macht. Mama hat mir auch gesagt, dass normale Männer keine Heiligen sind und dass man schon ab und zu die Augen zudrücken muss, wenn sie ihre tollen Tage kriegen. Ich bin ja auch keine Heilige und versuche mir Wilhelm und Christian warm zu halten – auch wenn ich nicht mit ihnen knutsche und ihnen Zungenküsse gebe. Mit anderen Worten, ich bin schon entschlossen Klaus Dieter zu verzeihen, aber man muss ja nicht sofort entgegenkommend sein. Ein bisschen schmoren soll er doch noch.


Betty und Kai

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