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IM BADEZIMMER
DIE FEUERTAUFE MIT BIDET
Einen Berg überwunden, wartet schon ein noch höherer
Nach einem kurzen Abendessen an ihrem ersten Tag in Korea sitzt Julia mit der Familie im Wohnzimmer am Boden um einen niedrigen Tisch. Man bringt seine Kenntnisse über Julias Heimat an: Das Land sei ja über viele Jahre hinweg Exportweltmeister gewesen, noch heute ein echter Motor der EU, und die Qualität sei auch weiterhin überaus gut. Wobei man das ja so nicht mehr sagen könne, seit all den Autoskandalen, wirft jetzt pflichtbewusst eilig der bei Hyundai angestellte Schwager ein. Julia muss und könnte sich in die hitzige Diskussion gar nicht einklinken, und so nutzt sie die Chance, sich kurz aufs Klo zu verabschieden. Die Tochter der Familie zeigt ihr den Weg durch das Antiquitäten-Gruselkabinett zum Bad, das Julia nun zügig ansteuert.
Dort angekommen, staunt sie nicht schlecht über die riesige, futuristische Toilette. Na ja, der Vorgang, den ich nun zu erledigen habe, verlangt nun wahrlich keine akademische Vorbildung, denkt sie und setzt sich.
TYPISCH DEUTSCHLAND
Die »Autobahn« ist in Korea ein feststehender Begriff. Und zwar ein Begriff von Freiheit. Hartnäckig hält sich das Vorurteil, in ganz Deutschland könne man auf der Autobahn überall so schnell fahren, wie man wolle. Stellen Sie sich also auf einige Fragen zu diesem Thema ein. Ebenfalls beliebt: deutsche Fußballer und Automarken. Das gute deutsche Image hat aber nicht nur durch die Fußball-WM 2018 etwas gelitten; seit VW mit den Abgaswerten manipuliert hat und BMWs sich spontan selbst entzündet haben, ist auch der Nimbus der deutschen Autos in Korea mächtig angekratzt.
Erleichtert erhebt sich Julia von der Toilette und will spülen, doch statt eines Knopfes findet sie eine komplexe Bedienfront. Mit ihrem spärlichen Koreanisch ist sie leider schnell am Ende. Über die Schüssel gebeugt, probiert sie einen Knopf nach dem anderen aus und – wie sollte es anders sein – sie erwischt prompt die Bidet-Funktion, sodass ihr in hohem Bogen ein Wasserstrahl mitten ins Gesicht spritzt. Erschrocken schreit sie auf, nein, genau genommen quiekt sie wie ein Schwein beim Schlachter, woraufhin die Familie sofort angerannt kommt. Trotz Notsituation schlüpft die Tochter, im Gegensatz zu Julia, zunächst in die rosafarbenen Badezimmerschlappen, nimmt sich dann der Bändigung des Hightech-Klos an und drückt auf den Knopf für die normale Spülung. Doch da kommt die ganze Brühe die Schüssel hoch, bis zum Rand.
»Oh, du hast ja das Klopapier ins Klo getan«, bemerkt die Tochter verwundert.
»Ja, natürlich, wohin denn sonst?« Julia ist den Tränen nah, so unangenehm ist ihr das alles. Die Tochter versucht sie zu trösten. »Ach, schon gut. Darum kümmert sich mein Bruder, geh nur wieder rein.«
Doch Julia ist nicht mehr nach Geselligkeit zumute. Zu viel hat sie in der kurzen Zeit schon erlebt, um sich jetzt noch weiteren Gefahren auszusetzen. Sie verabschiedet sich von der Familie und geht auf ihr Zimmer. Jetzt erst einmal lange schlafen – und sich dann so schnell wie möglich eine eigene Wohnung suchen.
APARTMENTREPUBLIK KOREA
Im Seouler Stadtgebiet, das sogar etwas kleiner ist als Berlin, wohnen gut zehn Millionen Menschen, in den Vorstädten drum herum noch einmal circa acht bis zehn Millionen. Je nach Planungsdatum der Satellitenstädte sind diese entweder richtig weitläufig und schick (Bundang, Gwacheon, Ilsan) oder schon etwas heruntergekommene Arbeiterschließfächer. Koreaner bezeichnen ihr Land oft scherzhaft als »Apartmentrepublik« (apateu gonghwaguk). Jeder, der es sich leisten kann, zieht in diese für uns Mitteleuropäer anonym anmutenden Apartmentsiedlungen, die in jeder Großstadt das Bild prägen. In großen Städten leben 60 bis 80 Prozent der Bewohner in den Wohntürmen. Nicht selten ragt sogar neben einem Reisfeld in einem Provinznest ein Apartmenthochhaus von 20 Stockwerken in den Himmel. Diese Apartments sind sowohl Anlageobjekt als auch komfortable, mit allem modernen Schickschnack ausgestattete und vor allem großzügig geschnittene Wohnungen. Im krassen Gegensatz dazu gibt es in der kollektiven Psyche noch immer die Mondkieze (daldongne), die Slums der Vergangenheit, die bis auf ganz wenige Ausnahmen inzwischen verschwunden oder neu hergerichtet sind. Der Name stammt daher, dass diese eiligst nach dem Koreakrieg von Flüchtlingen errichteten Siedlungen meist auf den bis dato unbebauten Hügeln lagen und man von dort aus den Mond so gut sehen konnte. Klingt romantischer als das Leben dort meist war.
Aigu! – Oh weh!
Es sind ja oft die einfachsten Dinge im Leben, die einem die größten und komplexesten Probleme bereiten können. Dazu kann in Korea auch ein Gang aufs WC gehören. Am besten ist es, von all den fantastischen Funktionen die Finger zu lassen und nur die Knöpfe zu bedienen, bei denen man sich ganz sicher ist. Oft haben auch die modernen Toiletten zusätzlich noch eine normale Spülung, sodass man die Elektronik umgehen kann. Toilettenpapier gehört in Korea nicht in die Toilette, sondern normalerweise in daneben bereitstehende Papiereimer. Das ist auch der Grund, warum die Seouler U-Bahn lange Zeit große Probleme damit hatte, die Gäste auf ihren Toiletten zum Umdenken, d. h. zur Entsorgung in der Toilettenschüssel, zu bringen: Insbesondere in der Anfangsphase ließ dies irritierte Fahrgäste zurück, die nicht mehr wussten, wohin mit dem Toilettenpapier.
Natürlich rächen sich auch nicht alle Toiletten des alten Systems sofort an den Ahnungslosen, die trotzdem Papier hineinwerfen, insofern hatte Julia auch verdammtes Pech, aber die meist sehr dünnen Rohre und der niedrige Wasserdruck lassen koreanische Klosetts, selbst neuere, sehr schnell verstopfen.
Ach so, die Hauslatschen aus Stoff hat Julia bei der Aktion natürlich auch noch besudelt. Dabei hätte sie die überhaupt nicht anhaben sollen. Ähnlich wie in Japan betritt man nämlich nicht mit den Straßenschuhen den Wohnraum; hierfür stehen Latschen im meist etwas abgesetzten Eingangsbereich bereit. Und mit den Latschen aus dem Wohnbereich geht man nicht aufs Klo, dafür stehen die Gummilatschen im Bad. Einige Familien treiben dieses Spiel ganz konsequent weiter, sodass es noch separate Veranda-Latschen gibt.