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Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünscht …

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Sebastian zupfte unwillkürlich an seinem Hemdkragen herum, es war schon Monate her, dass er einen Anzug getragen hatte. Irgendein Vortrag auf einer Konferenz, die völlig harmlos ausgegangen war. Er konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen und versteckte es hinter der Hand. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Konferenzraum, in dem er stand. Ein Tisch, an dem mit etwas Zusammenrücken zehn Leute Platz finden würden. Ein Rednerpult, aber vor allem ein Bildschirm, der die ganze Wand ausfüllte. Man fühlte sich eher in die CIA-Zentrale aus einem der bekannten Agentenfilme versetzt, als in einen umgebauten Bunker im Norden Dänemarks. Nun stand er am langgezogenen Konferenztisch, neben sich Melanie und den immer noch geheimnisvollen Weihhausen, der heute Morgen per Hubschrauber eingeflogen war, um die Videokonferenz zu leiten. Der große Bildschirm war in mehrere Abschnitte unterteilt und jedes der sechzehn Quadrate zeigte eine andere Person an einem Schreibtisch sitzend. Alle sahen wichtig aus. Ein Japaner im Anzug hatte netterweise eine Blume auf seinem Tisch drapiert, bei allen anderen sah es so aus, als ob sie um die Sterilität ihrer Büros wetteifern wollten.

Weihhausen räusperte sich und schaffte es so, die Aufmerksamkeit der zugeschalteten Entscheider auf der ganzen Welt wieder auf sich zu ziehen. Seine Kleidung war schlicht und gleichzeitig edel wie immer, wieder einmal ein klassisch schwarz-weißer Anzug, und der schlohweiße Zopf konkurrierte noch immer mit dem sonnengebräunten Teint um ein möglichst strahlendes Ergebnis.

»Nachdem ich Ihnen nun also die wichtigsten Fakten wiedergegeben habe, übergebe ich das Wort an den leitenden Forscher des Experiments, Herrn Sebastian Born.«

Leitender Forscher? Wann war das denn passiert? Sebastian stockte, aber Melanie drückte ihm, unsichtbar für die Kamera, die über dem Bildschirm angebracht war und die Videokonferenz ermöglichte, die Hand und schob ihn leicht vorwärts. Sebastian machte einen Schritt und nickte den Gesichtern auf dem Schirm zu. Manche erwiderten es, andere schauten einfach nur stur zu ihm herüber. Es war unschwer festzustellen, dass er der mit Abstand jüngste Konferenzteilnehmer war. Alle Personen auf dem Schirm waren in hohen Machtpositionen, da kam man nicht mit dreiunddreißig hin.

Sebastian räusperte sich unsicher, dann straffte er die Schultern und begann.

»Wie Sie aus den Ihnen vorliegenden Dossiers entnehmen können, hat das von meinem Team und mir entwickelte Bakterium die Fähigkeit, CO2 binden zu können und dies in einem Ausmaß, das unsere kühnsten Erwartungen übertraf.« Von hinten kam ein Räuspern und Sebastian schalt sich innerlich. Ja, ja. Sie hatten natürlich immer gewusst, was sie getan hatten, zu jeder Zeit, egal ob das stimmte oder nicht.

»Wir schlagen diesem Konsortium daher vor, den unter Punkt 3.7. aufgestellten Teil des Budgets in die Weiterentwicklung unseres Experiments zu verteilen. Davon werden wir, wie unter 4.2. aufgeführt, Drohnen und Sprühvorrichtungen entwickeln, ferner die Bakterien in großer Zahl züchten und anschließend in der ersten Stufe, siehe 5.1., in einem begrenzten Gebiet einen Versuch durchführen.«

Der Japaner mit der Blume deutete eine Verneigung an, was sitzend mehr als merkwürdig aussah.

»Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Herr Born. Aber mir ist aus den Unterlagen noch nicht offenbar geworden, was die Bakterien bewirken sollen.«

Von hinten murmelte Melanie leise ein »Einfach nur lesen, Bürokratenhengst.« und Sebastian nickte dem ergrauten Asiaten zu.

»Vielen Dank für diese Frage. Ich möchte Sie hier nicht mit Fachbegriffen langweilen. Der Kern unseres Experiments ist Folgender. Wir werden das Bakterium in der Höhe der Atmosphäre versprühen, in der der Treibhauseffekt angesiedelt ist.« Er ging ein paar Schritte. »Die mittlerweile in Forschung und Lehre herrschende Meinung ist, dass der von Menschen gemachte Anteil am Treibhauseffekt überwiegt und vor allem CO2-induziert ist. Stichwort ist hier die fortschreitende Industrialisierung. Wir möchten Sie heute bitten, unser Großexperiment zu genehmigen. Damit wären wir in der Lage zu zeigen, dass unser Bakterium eben dieses CO2 in ausreichendem Maße binden und damit unwirksam für den Treibhauseffekt machen kann. Damit könnte der Treibhauseffekt auf das Ausmaß reduziert werden, wie es vor dem zwanzigsten Jahrhundert gegeben war. Dies möchten wir erst einmal in einem begrenzten und damit beherrschbaren Gebiet erproben.«

Eine Südamerikanerin, die auf einem Teilbildschirm in der unteren Reihe zu sehen war, räusperte sich deutlich hörbar und legte ihr strengstes Gesicht auf. »Machtmensch« war das erste Wort, das Sebastian in den Sinn kam.

»Wenn ich Sie also richtig verstehe, sind wir durch das Bakterium, wenn sich Ihre Forschungen bestätigen, in der Lage, den Treibhauseffekt zu beherrschen?«

Sebastian nickte.

»Gut,« fuhr die Dame mit dem khakifarbenen Teint fort, »warum beenden wir ihn dann nicht ganz, anstatt ihn nur zu begrenzen.«

Weihhausen machte einen Schritt nach vorn, stand neben Sebastian.

»Señora Elaya, das wäre nicht empfehlenswert«, richtete er sein Wort sie. Seinen Blick jedoch ließ er über den gesamten Bildschirm gleiten und breitete die Arme aus. »Das wäre sogar vielmehr äußerst destruktiv. Wie mir Herr Born erläutert hat, benötigt die Erde stets einen Treibhauseffekt in geringem Ausmaß. Sonst...« Er nickte Sebastian zu.

Der nahm den Ball auf. »Sonst würde sich wohl nur die Heizdeckenindustrie freuen, denn uns stünde eine neue Eiszeit bevor. Es gab schon immer einen Treibhauseffekt, selbst zu Zeiten der alten Römer. Ohne ihn wäre die Erde längst ein Eisblock im Weltall. Daher ist unser Ziel ›nur‹«, und er zog das letzte Wort in die Länge, »den Effekt wieder auf das Ausmaß zurückzuführen, bevor der Mensch massiv in das Klima eingriff. Wenn sie so wollen«, er machte eine Geste, als würde er einen Knopf drücken, »setzen wir den Treibhauseffekt nur wieder auf sein Grundniveau zurück. Wir resetten ihn.«

Melanie meldete sich nun ebenfalls zu Wort. »Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Herr Born.« Sie nickte ihm zu und wie abgesprochen ging er ein paar Schritte zurück und überließ ihr die Bühne. »Wie Sie Abschnitt 3 entnehmen können, sind die Kosten zwar überschaubar, aber sie übersteigen für ein Einzelexperiment die 15-Prozent-Grenze des Jahresbudgets, daher sitzen wir heute zu dieser damit vertraglich notwendigen Abstimmung zusammen. Wir hier vor Ort sind von der Notwendigkeit der Ausweitung dieses erfolgversprechenden Strangs der Experimente absolut überzeugt. Natürlich werden alle anderen Forschungsgruppen weiterhin an ihren Ansätzen weiterarbeiten. Wir waren uns bei Gründung alle einig, einen Multi-Ansatz zu fahren.« Sie schaute in die Runde. »Auch wenn die Kosten natürlich ein wichtiger Punkt sind, erscheinen sie uns gerechtfertigt. Denn eines sollten wir uns klar vor Augen führen. Das Experiment von Born und seinen Kollegen ist, sollte es gelingen, ein echter Durchbruch und löst eines der größten Probleme der Klimadiskussion, den Treibhauseffekt, so dass wir uns den anderen Problemen mit mehr Ruhe und auch mehr Rückhalt aus unserer Bevölkerung widmen können.« Sie machte eine Kunstpause. »Die Menschen wenden sich hilfesuchend an uns, ihren Regierungen. Und während sie dabei vom sommerlichen Wind mitten im Winter umstrichen werden, fragen sie sich, was wir eigentlich tun, um ihnen zu helfen. Bitte lassen Sie daher Ihre Vorbehalte fallen, die uns vor dieser Konferenz zu Ohren gekommen sind und bejahen Sie unseren Antrag. Vielen Dank.«

»Gibt es noch weitere Fragen, die vor der Abstimmung geklärt werden sollten?« Weihhausen schaute in die Runde und breitete seine sonnengebräunten Hände aus. Keine Stimme regte sich, einige schüttelten den Kopf.

»Gut, dann lassen Sie uns bitte zur Abstimmung schreiten.«

Nach und nach leuchteten grüne und rote Lämpchen über jedem Bildschirm auf. Sebastian zählte hektisch nach. 10 grüne, 6 rote. Reichte ein Mehrheitsentscheid?

Weihhausen wartete einen Moment, bis sich jeder von der Abstimmung überzeugt hatte, dann fuhr er fort, nicht ohne einen gewissen Triumph in der Stimme. »Ich danke Ihnen für Ihre Weitsicht, das Projekt zu genehmigen. Damit beende ich die heutige Konferenz, wir werden Sie über den Fortschritt des Experiments natürlich zu jeder Zeit unterrichten.«

Offensichtlich hatte es genügt. Die Bildschirmausschnitte wurden nach und nach dunkel und als der letzte erlosch, drückte Melanie Sebastian einen Kuss auf die Wange.

»Du hast es geschafft! Du darfst weitermachen!«, flüsterte sie ihm ins Ohr und Sebastians Knie wurden weich, während im Schauer über den Rücken liefen. Damit hatte niemand rechnen können. Ein fehlgeschlagenes Experiment war nötig gewesen, um die eigentliche Fähigkeit der Bakterien, seiner Bakterien, aufzuzeigen. Er grinste. Das Schicksal nahm manchmal schon merkwürdige Wege.

Froststurm

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