Читать книгу Royal Horses (3). Kronennacht - Jana Hoch - Страница 8

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Zu spät bemerkte ich die Schritte hinter mir. Jemand baute sich in meinem Rücken auf und beugte sich vor, bis ich seinen Atem fast an meinem Ohr spüren konnte. »Hvor er bryllupskagen?«, flüsterte eine tiefe Stimme.

»Was?« Überrascht fuhr ich herum und blickte direkt in Sixtons bärtiges Gesicht. Ein kindliches Lächeln tanzte auf seinen Lippen. »Nach vorne gucken, Schultern zurück, gerade stehen«, ermahnte er mich und sein Grinsen wurde breiter. »Und eine Dame sagt niemals Was?, sondern höchstens Wie bitte? oder Entschuldigung?. Nur Hä? ist noch schlimmer als Was?.«

Ich vergewisserte mich, dass niemand zu uns herübersah, verdrehte die Augen und pikste Sixton in den Bauch.

»Hey, hey, hey«, lachte er, jedoch ohne mir auszuweichen. »Hast du im Unterricht bei Nicholas nicht aufgepasst? Kämpfe werden nur mit den Augen ausgefochten.« Kurzerhand drehte er mich an den Schultern herum, sodass ich wieder in den gigantischen Saal schaute. Der Raum war mindestens so groß wie ein Fußballfeld, mit umlaufender Galerie und einer zehn Meter hohen Decke. Obwohl wir bereits seit Stunden hier waren und es langsam schwer wurde, in meinen hohen Schuhen zu stehen, hatte ich immer noch nicht alle Details erfasst. Der Anblick raubte mir nach wie vor den Atem. Unter der Decke hingen Hunderte Gebilde aus feinen Stäben, jeder mit einem Lichtpunkt am unteren Ende. Dadurch dass sie in unterschiedlichen Höhen angebracht waren, sahen sie aus wie leuchtende Eiszapfen. Außen herum verteilt, standen Tische und durchsichtige Stühle, die den Eindruck erweckten, als kämen sie direkt aus dem Palast der Schneekönigin. Und nicht zu vergessen: die drei riesigen Eisskulpturen neben der Tanzfläche. Drei brüllende Löwen – passend zum Staatswappen Dänemarks.

Unter den tanzenden Paaren entdeckte ich James und Lianna, die gerade an einem der weit aufgerissenen Mäuler vorbeischwebten und sich dabei so elegant drehten, als kostete es sie keinerlei Anstrengung. Aber das war kein Wunder. Lianna hatte als Prinzessin seit Kindheitstagen das Tanzen beigebracht bekommen und James, der als Edwards bester Freund schon immer mit dem Adel zu tun hatte, ebenso. Er war erst seit Anfang des Monats zurück aus Kalifornien und mir war aufgefallen, dass er sich zurückhaltender als früher verhielt und bemüht war, nicht in den Vordergrund zu treten. Nach der negativen Presse, die es für ihn gehagelt hatte, weil er als falscher Prinz aufgetreten war, konnte ich es ihm nicht verübeln. Doch dass er sich jetzt an Liannas Seite wieder auf den Veranstaltungen der Royals zeigte, bewies, dass die königliche Familie weiterhin zu ihm stand. Und zumindest, was das Tanzen betraf, schien er sich nach wie vor gerne zu präsentieren.

Ganz im Gegensatz zu Edward, der nur dann tanzte, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ. So wie jetzt gerade. Ich hielt nach ihm Ausschau und entdeckte ihn mit der Gräfin im Arm, die so lange auf ihn eingeredet hatte, bis er keine höfliche Ausrede mehr gefunden und sie auf die Tanzfläche begleitet hatte. Die Frau war klein und reichte Edward gerade einmal bis zur Brust, aber die geringe Körpergröße wusste sie gekonnt durch eine herrische Stimme und einen Berg aufgetürmter Locken wettzumachen. Ihr lachsfarbenes Kleid war so eng, dass es sie komplett einschnürte und es ihr schwer machte, die Schritte zu setzen.

»Der mit dem Shrimp tanzt«, kommentierte Sixton und mir entwich ein so helles Lachen, dass ich mir schnell die Hand vor den Mund schlug. Edward schien es trotzdem zu bemerken, denn er lächelte kurz in unsere Richtung. Als die Musik verstummte, deutete er eine Verbeugung an, begleitete die Frau an den Rand der Tanzfläche und steuerte auf uns zu.

»Das reicht jetzt an Höflichkeitstänzen«, stöhnte er und legte den Arm um mich. »Den Rest des Abends gehöre ich nur dir.« Er zog mich noch näher zu sich heran und ließ seine Lippen sanft über meine Wange streichen. Sofort schoss mir die Hitze ins Gesicht und es war schwer zu sagen, ob es von seiner Berührung kam oder aber davon, dass wir uns inmitten einer Hochzeitsgesellschaft von fast vierhundert Leuten befanden. Nicht gerade der perfekte Ort für einen privaten Moment. Das fand wohl auch Sixton.

»Das wird mir jetzt echt zu romantisch mit euch«, brummte er und tippte Edward so lange auf die Schulter, bis er ihn ansah.

»Hvor er bryllupskagen?«

»Hä?«, fragte Edward und ich konnte mir das Grinsen nur schwer verkneifen.

Sixton schüttelte gespielt tadelnd den Kopf. »Da seid ihr zwei auf der Hochzeit einer dänischen Prinzessin eingeladen und habt nicht einmal die wichtigsten Sätze gelernt. Hvor er bryllupskagen? – Wo bleibt die Hochzeitstorte?«

Edward zog die Augenbrauen hoch. »Du kannst Dänisch?«

»Nur ein paar Anmachsprüche.« Sixton richtete seine Fliege und straffte die Schultern. »Das Wichtigste halt. Und wie ich korrekt nach Essen frage, schaue ich immer nach, bevor ich in ein Flugzeug steige, weil …« Er brach mitten im Satz ab und warf einen Blick hoch zur Galerie. Sein Grinsen verlor an Form. Doch gleich darauf war es wieder da und Sixton sprach weiter, als wäre nichts geschehen. »Na, wie dem auch sei. Amüsiert euch ein bisschen, ihr verliebten Mäuse. Aber übertreibt es nicht, klar? Am besten geht ihr tanzen und du …«, er klopfte Edward auf die Schulter, »… tu vielleicht zur Abwechslung mal so, als ob es dir Spaß macht.«

Edward setzte an, etwas zu sagen, aber Sixton schüttelte kaum merklich den Kopf und deutete mit einem Nicken an seiner Schulter vorbei. »Ich werde mich jetzt wieder unauffällig verhalten und mit der nächsten Wand verschmelzen. Aber denkt an meinen Kuchen, ja? Ich will ein großes Stück.« Und damit drehte er sich um und stellte sich an den Rand des Saals.

Vorsichtig spähte ich an Edward vorbei, um zu sehen, was Sixton so aus dem Konzept gebracht hatte. Ich musste nicht lange suchen. Prinz Lucius, Edwards Großvater, stand oben auf der Galerie, an der Seite seiner Frau, der Königin von England. Er trug seine rote Militäruniform, deren goldener Stehkragen ihn noch verkniffener aussehen ließ. Und er beobachtete uns.

Rasch wandte ich mich zu Edward und griff nach seiner Hand. »Sixton hat recht, lass uns tanzen.«

Edward runzelte die Stirn. »Ist es das, was du möchtest? Oder denkst du, dass es von uns erwartet wird?«

Ich seufzte. Natürlich durchschaute er mich sofort. Edward wusste schließlich, dass ich genauso wenig scharf darauf war wie er, mich vor all den Gästen über das Parkett zu bewegen. Ganz davon abgesehen, dass ich mich unter den vielen anmutigen Tänzern fühlte wie der Pelikan unter den Schwänen. Aber vielleicht würden wir Lucius so milde stimmen und dafür sorgen, dass er uns nicht permanent mit seinen Blicken verfolgte. Gerade war das alles, was ich wollte: den Abend ohne peinliche Zwischenfälle überstehen, kein Aufsehen erregen und Lucius nicht weiter gegen mich aufbringen.

»Ich … würde gerne tanzen«, sagte ich deshalb.

Edward sah mich an. Lange und forschend. Dann nickte er, doch seine Augen verrieten, dass er genau wusste, was in mir vor sich ging.

»Einverstanden. Wenn es das ist, was du willst, dann tanzen wir.«

Edward führte mich auf die Tanzfläche und ich stellte erleichtert fest, dass sich so viele Paare im Takt des langsamen Walzers bewegten, dass wir gar nicht auffielen. Zumindest hoffte ich das. Er griff nach meiner Hand und hob sie an. Die andere Hand legte er auf meinen Rücken. Dann begann er, sich mit mir im Arm zu drehen, und ich hielt mich an ihm fest und konzentrierte mich darauf, die Schritte richtig zu setzen. Eins, zwei, drei … eins, zwei, drei …

Edward grinste. »Nicht mitzählen. Fühlen.«

»Hab ich gar nicht«, entgegnete ich, sicher, dass ich nicht laut gezählt hatte.

»Also hast du einfach nur so die Lippen bewegt, ja?« Er schmunzelte und manövrierte uns geschickt in die Mitte der Fläche, wo wir kleinere Schritte machen konnten und weniger Aufmerksamkeit auf uns zogen. Ich atmete tief durch und nach zwei weiteren unbeholfenen Runden gelang es mir, mich etwas zu entspannen. Mit Edward zu tanzen, fühlte sich … anders an als mit James oder Nicholas. Vertraut, aber gleichzeitig auch aufregend. Seine Nähe, jede Berührung, jeder Blick. Bisher hatten wir nur in meinen Unterrichtsstunden miteinander getanzt und insgeheim hatte ich mir gewünscht, dass unser erster richtiger Tanz nicht vor so großem Publikum stattfinden würde, sondern auf Caverley Hall im Kreise unserer Freunde oder aber auch ganz alleine. Nur er und ich. Vielleicht hätte ich den Moment dann sogar genießen können. Neben Prinzessin Birga und ihrem frischgebackenen Ehemann und Millionär Jesper Svendson, dem König und der Königin von Spanien und zahlreichen Gästen, die unter Garantie alle entsetzlich wichtige Persönlichkeiten waren, kam ich mir allerdings vor, als hätte ich zwei linke Füße. Besonders nachdem ich Edwards Schuhspitzen zum wiederholten Mal unter meinen Zehen fühlte.

»Alles okay?« Er löste unsere Tanzhaltung und sah mich prüfend an.

»Halbwegs«, antwortete ich ehrlich. »Das alles ist … ziemlich überwältigend und ich möchte nichts falsch machen.«

»Ich weiß.« Edward lächelte gezwungen und suchte nach den richtigen Worten. »Glaub mir, du machst das großartig. Aber du musst weder tanzen noch irgendetwas anderes tun, wenn du es nicht möchtest.« Er drückte meine Hand. »Wir müssen das jetzt noch eine Weile aushalten. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns deswegen verbiegen lassen, okay? Wir machen das auf unsere Art.«

Auf unsere Art. Das klang gut. Ich schenkte Edward ein kleines Lächeln, und als ob er ahnte, wie sehr ich mir gerade wünschte, ihm trotz Hochzeitsfeier und Etikette nahe sein zu können, legte er die Arme um mich und zog mich enger zu sich heran. Zögerlich ließ ich meinen Kopf an seine Schulter sinken und Edward hauchte einen Kuss auf meinen Haaransatz.

»Ich glaube, Nicholas würde jetzt entsetzt nach Luft schnappen«, bemerkte ich halbherzig und schloss die Lider. Vor meinem inneren Auge erschien mein Prinzessinnen-Coach, wie ich ihn insgeheim nannte, wie üblich im makellosen Anzug und mit strenger Miene. »Keine Liebesbekundungen in der Öffentlichkeit«, imitierte ich seine Stimme und Edwards Brust vibrierte leicht vom Lachen.

»Nur gegenüber Pferden und Hunden«, ergänzte er, ließ seine Lippen aber gleich darauf wieder über meine Stirn streicheln. »Weißt du, was? Interessiert mich nicht, was Nicholas, mein Grandpa oder irgendwer von dieser Party hier sagt. Die sind mir alle ziemlich egal. Aber du nicht.« Er fuhr mir zärtlich über die Haare und seine Worte brachten die letzten Zweifel in mir zum Schmelzen. Ich schlang die Arme um seinen Hals und lehnte mich an ihn. In diesem Moment gab es nur uns zwei. Keine Hochzeit, keine Royals und vor allem keinen Lucius. So tanzten wir weiter, eng umschlungen auf der Stelle, selbst dann noch, als die Musik wechselte und unsere langsamen Bewegungen rein gar nicht mehr zum Takt passten. Und obwohl wir, was unsere Schrittfolge betraf, vollkommen gegen den Strom schwammen, fühlte ich mich so leicht und gedankenlos wie noch nie an diesem Abend.

Nach einigen Minuten ließ Edward seine Finger an meinem Rücken nach oben wandern und umfasste mein Gesicht. Seine Augen verrieten mir, dass er mich küssen wollte. Doch gerade, als er sich vorbeugte, hatte ich das unangenehme Gefühl, wieder beobachtet zu werden. Ich suchte die Galerie nach Lucius ab, aber weder er noch die Königin standen länger an dem goldenen Geländer. Vielleicht hatte ich mich auch geirrt. Aber nein, da war er, neben der Treppe, zusammen mit Edwards Cousin Benedict, dem Thronfolger. Die Art, wie er uns mit zusammengekniffenen Augen fixierte, schickte eine Gänsehaut an meiner Wirbelsäule entlang. Schnell drehte ich den Kopf weg und Edwards Lippen streiften nur noch über meine Wange.

Überrascht hielt er inne. »Was hast du?« Ein Blick über die Schulter genügte, dann zeichnete sich die Erkenntnis auf seinem Gesicht ab. Zuerst glaubte ich, er wolle sich abwenden und mit mir in der Menge verschwinden. Aber dann drehte er sich wieder um, legte die Arme um mich und küsste mich so leidenschaftlich, wie er es sonst nur tat, wenn wir alleine waren. Einen Moment lang reagierte ich nicht, weil ich so überrumpelt war.

»Glaubst du, dass es eine gute Idee ist, deinen Grandpa zu provo…« Die letzten Silben schafften es nicht mehr aus meinem Mund. Wieder legten sich Edwards Lippen auf meine. Mein Herzschlag beschleunigte und ein plötzliches Gefühl von Wärme durchströmte mich. Ich konnte kaum sagen, wie häufig ich ihn schon geküsst hatte, seit ich vor wenigen Wochen im Palast eingezogen war. Bestimmt Hunderttausende Male. Und obwohl er mir so vertraut war, wurden meine Knie immer noch weich und ein aufgeregtes Flattern tanzte durch meinen Bauch. Selbst jetzt, da unzählige Menschen um uns herumstanden und ich Lucius’ Blick deutlich auf uns spürte.

Ganz sanft löste Edward sich wieder von mir, hob den Kopf und nickte seinem Großvater zu. Lucius’ Miene verdunkelte sich noch weiter und er fixierte uns, als wolle er damit die Eislöwen neben der Tanzfläche zum Zerspringen bringen.

Die Löwen. Oder aber mich. Das Mädchen, das ihm ein Dorn im Auge war und das er um jeden Preis von seinem Enkel hatte fernhalten wollen.

Wir sahen uns an, wenige Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen. Dann wandte Lucius sich wieder Benedict zu und Edward griff nach meiner Hand. Er zog mich behutsam hinter sich her, bis wir von dem bunten Meer aus tanzenden und feiernden Gästen verschluckt wurden.

Royal Horses (3). Kronennacht

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