Читать книгу Faithless Love - Jana Reeds - Страница 10
Оглавление6
Juan
„Juan, möchtest du noch einen Tee?“
Lou stand im Türrahmen, sie lächelte mich strahlend an. In der Hand eine Vase mit Blumen. Die Vase, die sie mir auf den Nachttisch hatte stellen wollen.
„Nein, danke, Lou. Das ist wirklich nicht nötig“, antwortete ich und versuchte, freundlich zu klingen. Es gelang mir nur mit Mühe. Seit ich endlich aus diesem verfickten Krankenhaus rausgekommen war, gluckte Lou um mich herum wie eine Henne. Allein heute Morgen hatte sie mir das Frühstück ans Bett gebracht, danach ein Glas und einen Krug mit Wasser, damit ich jederzeit etwas zum „Hydrieren“ hatte. Dann scheuchte sie mich auf. Ich musste mich in einen der Sessel setzen, natürlich mit einer Scheißdecke über den Knien wie ein Hundertjähriger, während sie mir die Kissen aufschüttelte. Die Krönung war dann der letzte Auftritt, bei dem sie mir die Blumen gebracht hatte. Um meinen Raum ein wenig freundlicher zu gestalten.
Mierda.
Der Tag, an dem ich mir so einen verdammten Strauß auf den Nachttisch stellen ließ, war der Tag, an dem ich abkratzen würde. So viel war sicher.
Meine höfliche, aber deutliche Ablehnung hatte sie verletzt. Woraufhin ich mich natürlich schlecht fühlte. Ich mochte Lou. Sonst hätte ich mir wohl kaum eine Kugel eingefangen, die für sie bestimmt gewesen war. Trotzdem wollte ich verdammt sein, wenn ich diesen Zirkus weiter erlaubte.
„Na gut, aber du sagst Bescheid, sobald du etwas brauchst. Nicht wahr? Um halb eins bringe ich dir das Mittagessen. Versuche bis dahin …“
„Lou“, unterbrach ich sie, bevor sie mir noch sagen konnte, ich solle ein Schläfchen halten. „Ich weiß deine Fürsorge zu schätzen. Aber ich werde nachher zum Mittagessen aufs Deck kommen. Und bitte, hör auf, dich so um mich zu sorgen. Mir geht es gut. Ich bin ein erwachsener Mann, und wenn ich etwas brauche, hole ich es mir selbst.“ Okay, der letzte Teil klang vielleicht ein wenig harsch, doch mir war wichtig, dass sie verstand, worauf ich hinauswollte.
„Aber du musst dich noch schonen, Juan. Der Arzt hat gesagt, du darfst dich nicht überanstrengen.“
„Scheiß auf das, was der Doc gesagt hat. Ich werde nicht die ganze Zeit im Bett liegen.“ Nur um ihr zu beweisen, wie ernst ich es meinte, stand ich auf. Was ich sofort bereute, denn mir wurde schwarz vor Augen. Entschlossen, das nicht zu zeigen, biss ich die Zähne zusammen und wartete darauf, wieder etwas sehen zu können.
„Juan!“ Lou stürzte an meine Seite und fasste mich am Ellbogen, um mich zu stützen. Möglicherweise schwankte ich ein wenig.
Trotzdem blieb ich noch einen Moment stehen. Es wurde etwas besser. Na also. Dennoch ließ ich mich wieder in den Sessel fallen. Lou klebte die ganze Zeit über an meiner Seite.
„Siehst du. Der Arzt hatte recht.“
„Ein, zwei Schritte hätte ich tun können“, brummte ich. „Außerdem ist mir scheißegal, was der Arzt sagt. Ich werde jedenfalls nicht den ganzen Tag lang im Bett liegen.“ Ich sah zu Lou auf. In ihren wunderschönen Augen sah ich die Sorge um mich. Ihr Blick brachte mein versteinertes Herz fast zum Schmelzen. Aber nur fast. „Lou, hör mir zu. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du dich so um mich bemühst. Aber das macht mich verrückt. Ich bin es nicht gewohnt, krank zu sein. Nicht das tun zu können, was ich tun will. Ich bin schlecht gelaunt, mürrisch und absolut nicht dafür geeignet, die Gesellschaft anderer Menschen zu ertragen. Nimm es bitte nicht persönlich, aber ich will nicht bemuttert werden. Das wurde ich nie und ich will es auch jetzt nicht.“
Lou schluckte. Eine Träne rann aus ihrem Augenwinkel. „Tyler hat schon so etwas angedeutet, dass das mit deiner Familie schwierig ist. Das tut mir so leid, Juan.“
Scheiße! Das war es, was sie aus meiner Rede rausgehört hatte? Dass ich nie bemuttert worden war?
Ich schüttelte den Kopf.
„Darum geht es doch jetzt gar nicht. Ich ertrage es nur sehr schwer, wenn ich körperlich nicht fit bin und dann auch noch ständig so behandelt werde, als sei ich ein Invalide.“
Lou setzte sich in den Sessel, der meinem gegenüberstand. Die Vase stellte sie auf das Tischchen zwischen uns. Hoffentlich vergaß sie die nicht, sonst musste ich sie aus dem Bullauge werfen, und das würde ich tun, egal, wie sehr ich Lou mochte.
„Juan, es macht mir nichts aus, wenn du schlecht gelaunt und knurrig bist. Wirklich. Das ist okay. Du hast mir das Leben gerettet und das werde ich dir niemals vergessen. Bitte, lass mich ein wenig von dieser Schuld abtragen.“
„Schuld?“ Wenn ich gekonnt hätte, wäre ich aufgesprungen. So aber fuhr ich mir nur mit einer Hand durch die Haare. „Welche Schuld, verdammt noch mal? Dieses Arschloch wollte dich abknallen und ich …“
„Und du bist dazwischengegangen und hast die Kugel abbekommen, und dann wurdest du auch noch …“ Ihre Schultern zuckten, aus ihren Augen rollten Tränen. Scheiße, sie weinte doch jetzt nicht? Sie würde jetzt nicht …? Ein Schluchzer schüttelte sie. Ich stand vorsichtig auf, ging langsam zu ihr hinüber und tätschelte unbeholfen ihre Schulter.
„Lou, ist schon okay. Komm, das war nichts. Scheiße, ich wollte dich nur aus dem Weg stoßen, ich hätte nie gedacht, ich würde was abbekommen. Wirklich.“
„Du bist ein Held, Juan“, schniefte Lou.
„Held? Schlag dir den Gedanken bloß gleich wieder aus dem Kopf. Ich bin kein Held. Ich bin ein verdammter Idiot. Hätte ich gewusst, dass ich was abbekommen würde, wäre ich mal schön geblieben, wo ich war.“
„Das glaube ich dir nicht, Juan.“ Lou sah zu mir auf. In ihren Augen schimmerten Tränen. „Du bist ein guter Mensch, auch wenn du immer so tust, als wäre das nicht der Fall.“ Sie lächelte. Ihre Lippen zitterten dabei, aber sie hielt es tapfer durch und holte tief Luft. „Und jetzt lasse ich dich allein. Das Letzte, was du brauchst, ist eine weinende Frau in deinem Zimmer. Versprich mir nur, dass du mich anrufst, sobald du etwas benötigst.“
„Das mache ich, versprochen“, murmelte ich. Und dann parkte ich meinen Arsch auf dem Bett, als Lou aufstand und ging.
Ich musste hier raus, und zwar so schnell wie möglich.
Die Tür fiel hinter Lou ins Schloss und ich schnappte mir meinen Laptop. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, der Doc hatte recht gehabt, ich war noch nicht fit und brauchte Ruhe, es kotzte mich an, aber so war es nun mal. Das kurze Gespräch mit Lou hatte mich total erschöpft. Am liebsten würde ich eine Runde schlafen, doch das ließ ich nicht zu. Es würde mich nicht umbringen, ein wenig zu recherchieren. Ich musste eine Wohnung in Cadiz finden, und zwar schnell, denn auf der Jacht würde ich es nicht länger als ein paar Tage aushalten. All die Menschen um mich herum, die so taten, als wäre ich ein Held, gingen mir tierisch auf die Nerven, dabei war ich erst gestern Nachmittag aus dem Krankenhaus entlassen worden.
Ich rief eine Immobilienseite auf und überflog die angebotenen Mietwohnungen. Ich brauchte nicht viel, ein Zimmer, Küche, Bad. Musste nichts Luxuriöses sein. Am besten in einem Stadtteil, in den sich niemals einer von Tylers Crew verirren würde.
Gerade als ich zu den interessanten Angeboten kam, klopfte es an meiner Tür.
„Scheiße“, murmelte ich leise, schloss den Browser und warf den Laptop neben mir aufs Bett, dann erst sagte ich: „Ja, komm rein.“
Dylans Gesicht erschien im Türrahmen, der hatte mir gerade noch gefehlt.
„Was hast du mit meiner Schwester gemacht? Sie hat geweint, als sie an mir vorbeiging.“ Er trat auf das Bett zu. „Ehrlich, Juan. Lou würde alles für dich tun. Wenn sie könnte, würde sie den Mond vom Himmel holen und dir als Lampe hier drin aufhängen. Warum musst du dich wie ein Arsch ihr gegenüber verhalten?“
„Das hat sie gesagt?“
„Sie hat gar nichts gesagt.“
„Und du gehst natürlich sofort davon aus, dass ich es verbockt habe?“
„Wer sonst?“ Dylan stach mit dem Zeigefinger in meine Richtung. „Ich weiß, dass du ihr das Leben gerettet hast, aber das ist kein Grund …“
„Scheiße, Dylan. Erspar mir die Predigt. Ich habe ihr nichts angetan. Lou hat geweint, weil sie glaubt, ich sei ein Held. Keine Ahnung, warum sie da gleich in Tränen ausbricht. Vielleicht hat sie ja ihre Tage oder ist schwanger oder … keine Ahnung. Sie ist eine Frau, ich weiß nicht, was in ihr vorgeht.“
„Na gut, wenn das so ist. Tut mir leid, dass ich dich so angegangen habe.“
„Hör auf, Dylan. Ich bin ja froh, wenn hier irgendjemand normal mit mir redet, also brüll mich meinetwegen an, damit komme ich besser zurecht als mit dem Rumgeglucke deiner Schwester.“
„Sie meint es nur gut.“
Ich hielt die Hände in einer abwehrenden Geste hoch. „Ich weiß, Bro, ich weiß. Aber ich bin das nicht gewohnt, und es macht mich verrückt.“
Dylan grinste. Natürlich, jetzt grinste dieser Hurensohn, nachdem klar war, dass ich seiner Schwester nichts getan hatte.
„Sie neigt vielleicht ein bisschen dazu, das Ganze zu übertreiben.“ Er sah sich um. „Du kannst froh sein, dass du noch nicht in einem Meer von Blumen erstickt bist.“
„O Mann, erinnere mich nicht daran. Zum Glück hat sie die Vase wieder mitgenommen.“
„Ja, hab ich gesehen. Tyler hat schon behauptet, er sei allergisch gegen das Zeug, sonst hätte er sie jetzt auf dem Nachttisch stehen.“
„Tyler? Blumen auf seinem Nachttisch?“ Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. „Die Vorstellung ist einfach zu schön.“
„Ja. Leider ist er noch mal davongekommen.“
„Schade.“
Dylan machte ein paar Schritte zur Tür. „Ich lass dich jetzt in Ruhe. Du siehst aus, als könntest du eine Pause gebrauchen.“
„Klingt gut.“
„Und, Juan … Wenn du Hilfe brauchst, um an Deck zu kommen, sag Bescheid. Ich nehme gern deinen Arm und stütze dich.“ Dylan lachte und zog die Tür hinter sich zu in genau dem Augenblick, in dem das Buch, das ich ihm an den Kopf werfen wollte, dagegen knallte.