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Juan

Fünf Schritte hin, fünf Schritte zurück. Fünf Schritte hin, fünf …

Ich war kurz davor, verrückt zu werden, dessen war ich mir bewusst. Seit über einer Woche saß ich jetzt in meiner Wohnung, ging hin und wieder mal raus, um was einzukaufen, oder abends, um ein Bier zu trinken. Mehr war bisher nicht drin gewesen, denn mein Körper machte ständig schlapp. Aber allmählich wurde es besser. Langsam, ganz langsam wurde ich wieder etwas kräftiger. Trotzdem ließ ich mich jetzt halbtot in den Sessel fallen, griff nach der Wasserflasche und trank sie fast aus, dann nahm ich die Fernbedienung und machte den Fernseher an. Ich wollte es nicht zugeben, aber mir fehlten meine Kameraden. Dylan, so nervig er auch sein mochte, war ein guter Kumpel. Und, zugegeben, er war nicht wirklich nervig, ich war es nur nicht gewohnt, einen Freund zu haben. Zane, der andere Taucher im Team, war ebenfalls in Ordnung, genauso wie Fabio oder Logan. Wahrscheinlich hatten die alle jetzt gerade viel Spaß, saßen auf dieser Luxusjacht an der Bar oder lagen am Pool. Trainierten im Fitnessraum oder unternahmen etwas an Land und schleppten eine Frau nach der anderen ab. Na ja, Dylan und Logan wohl eher nicht, aber Zane und Fabio ließen bestimmt nichts anbrennen.

Und was tat ich?

Ich schleppte mich wie ein Hundertjähriger einmal am Tag nach draußen. Und wenn ich ganz besonders gut drauf war, vielleicht auch zweimal. Den Rest der Zeit verbrachte ich vor der Glotze, am Laptop oder am Handy – oder eben damit, in meiner Wohnung auf und ab zu laufen.

Noch nie in meinen achtundzwanzig Jahren hatte ich mich so gelangweilt. Noch nie war ich länger als eine Woche krank gewesen. Wenn überhaupt. Dass mein Körper mich dermaßen verriet, war ich nicht gewohnt. Genauso wenig wie die Einsamkeit und die schwarze Wolke, die ständig über meinem Kopf zu hängen schien.

Ich musste raus!

Ich stand auf, ignorierte meine müden Knochen, schnappte mir Haustürschlüssel und Brieftasche und machte mich auf den Weg zur Kneipe um die Ecke.

Kurze Zeit später saß ich in besagter Kneipe und starrte missmutig in mein Bier. Meine schlechte Laune war nicht wirklich erstaunlich, denn ich hatte mir ein alkoholfreies bestellt. Gott, ich war so eine Pussy geworden. Aber ich wollte nicht wie mein alter Herr enden und zum Alkoholiker werden, also riss ich mich zusammen.

Um mich herum befanden sich nur drei andere Gäste in dem Laden. Heute Abend war nicht viel los, lag vielleicht an der frühen Stunde, denn es war gerade mal sechs Uhr abends.

Wenn ich ehrlich zu mir war – und welchen Sinn machte es schon, sich selbst zu belügen? –, dann hatte ich gehofft, die kleine Polizistin wiederzutreffen. Diese Carmen war nicht auf den Mund gefallen, ziemlich heiß und … Verdammt, ihre Abfuhr nagte irgendwie an mir.

Natürlich hatte ich kein Glück. Warum auch? In letzter Zeit lief ja eh alles schief. Ich leerte mein Glas, machte mich auf den Rückweg und fiel wie eine alte Frau um halb zehn ins Bett.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, wusste ich, dass sich etwas ändern musste. Sonst würde ich doch noch wie mein Alter enden. Ich stand auf, ging ins Badezimmer, spulte das gesamte Morgenprogramm inklusive Frühstück ab und zog mir dann meine Joggingschuhe an.

Körperlich war ich immerhin schon besser drauf als noch vor ein paar Tagen. Und ein, zwei Kilometer am Strand würden mich nicht umbringen. Also ging ich die verwinkelten Gassen entlang, bis ich am Meer ankam. Die Touristen zogen meist an den Playa de la Victoria, der auch unter den Einheimischen sehr beliebt war. Hier an der Playa la Calata war dagegen noch nicht so viel los, wobei sich das im Laufe des Tages sicherlich ändern würde.

So zumindest dachte ich, aber ich hatte den Wochentag nicht in meine Überlegungen miteinbezogen. Es war Sonntag.

Scheiße!

Ich ließ meinen Blick über all die Sonnenhungrigen schweifen, die es sich bereits gemütlich gemacht hatten. Es war gerade mal halb elf, aber der Strand schon ziemlich bevölkert.

Egal.

Alles, was ich wollte, war, ein wenig am Wasser entlangjoggen und dann den Rückweg antreten. Und das konnte ich auch tun, wenn ein paar Leute hier waren.

Ich verdrängte das leichte Schwächegefühl, das bereits durch den Weg hierher entstanden war. Wie hatte einer meiner Boxtrainer mal gesagt: Schmerz ist Schwäche, die den Körper verlässt. Was war da logischer, als so lange zu joggen, bis meine Muskeln richtig wehtaten?

Mit diesem Entschluss lief ich los. Die ersten paar Meter fielen mir schwer. Meine Beinmuskeln fanden die Idee ziemlich doof. Hundert Meter weiter und meine Lunge war der gleichen Meinung. Aber ich war ja kein Weichei, von einem kleinen bisschen körperlichen Unbehagen würde ich mich nicht unterkriegen lassen. Außerdem schauten mir gerade zwei sehr hübsche Frauen dabei zu, wie ich über den Sand lief. Eine hatte mit der Hand die Augen beschattet und lächelte mir zu, die andere hatte ihre Sonnenbrille ein wenig nach oben geschoben, um mich besser beobachten zu können.

Sollten sie nur zuschauen.

Ich war nicht mal eitel, wenn ich sagte, dass mein Körper ansehnlich war. Schließlich hatte ich unzählige Stunden investiert, um diese gemeißelten Bauchmuskeln hinzubekommen. Von den übrigen Muskeln gar nicht zu reden. Ich legte noch einen Zahn zu, immerhin wollte ich nicht wie eine Schnecke an den Damen vorbeijoggen. Das mit dem Schneller-werden entpuppte sich allerdings als Fehler. Meine Lunge brannte ohnehin schon wie Feuer, aber jetzt blieb mir allmählich auch die Luft weg.

Okay, ein paar Meter noch, dann wäre ich an den Señoritas vorbei und konnte ein wenig langsamer gehen.

Irgendwie kam es mir vor, als erstreckten sich diese paar Meter endlos vor mir. Meine Füße waren wie aus Blei und das mit dem Atmen klappte auch nicht mehr.

Und dann passierte es.

Oder vielmehr: musste es wohl passiert sein, denn ich hatte keine Ahnung, was geschehen war, als ich in das bärtige Gesicht eines Kerls schaute, der sich viel zu dicht über mich beugte.

Heilige Mutter Gottes!

Ich wäre nach oben geschossen, wenn der Typ sich nicht so über mich gebeugt hätte, dass das unmöglich war. Ich lag nämlich unter ihm.

Keine Position, die ich einnehmen wollte, wenn ein Mann daran beteiligt war.

„Verpiss dich, Alter“, knurrte ich ihn an. Als er nicht sofort reagierte, schob ich mich ein wenig nach oben. Unter ihm heraus.

Was dachte der Idiot sich eigentlich? Ich war kurz davor, ihm meine Faust ins Gesicht zu rammen.

„Alles okay, Señor?“, fragte das Kerlchen.

„Natürlich ist alles okay. Warum sollte was nicht in Ordnung sein?“

„Sie sind ohnmächtig geworden“, warf eine der Frauen ein, die mich eben noch beim Joggen beobachtet hatten. Und diese Señorita war wirklich scharf. Ihr knapper Bikini betonte sensationelle Kurven. Ihre vollen Lippen waren tiefrot geschminkt, und ihr Oberteil umhüllte Brüste, die genau die richtige Größe hatten.

Und ich lag hier wie ein gefällter Baum. Mit einem Typen über mir, der mir wahrscheinlich gerade eine Mund-zu-Mund-Beatmung hatte geben wollen.

„Mit mir ist alles in Ordnung, und jetzt weg da. Ich bin nicht schwul.“

„Immer mit der Ruhe.“ Der Typ – in meinen Gedanken würde er von nun an nur der Typ bleiben – stand auf und klopfte sich den Sand von den Shorts. Dann streckte er doch tatsächlich die Hand aus, um mir hochzuhelfen. Natürlich ignorierte ich die Geste und rappelte mich so auf.

Mir war ein wenig schwindlig, aber das hatte ich im Griff.

„Immer schön langsam“, sagte der Idiot und hielt mich am Ellbogen fest. Okay, den Namen der Typ war er jetzt los. Idiot passte viel besser.

„Pfoten weg“, knurrte ich, schüttelte ihn ab und sah zu, dass ich von hier wegkam.

Der Rückweg war eine Qual. Ständig wurde mir schwindlig. Alle paar Meter musste ich mich irgendwo anlehnen oder hinsetzen, um nicht wieder umzukippen. Aber ich biss die Zähne zusammen und machte weiter. Ich würde nicht noch mal ohnmächtig werden. Auf gar keinen Fall!

Irgendwie schaffte ich es bis in mein Apartment, ich fiel aufs Bett und dort blieb ich dann auch für ein paar Stunden.

Ich musste mir was anderes einfallen lassen, um wieder fit zu werden, so viel war klar.

Faithless Love

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